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Oktober 1887 eine 2. Fassung der „Achten", an der er zweieinhalb Jahre arbeitete. Sie brachte einen „Wandel seines sinfonischen Konzepts" (M. Wagner), Änderungen bei den Steigerungen und in der Instrumentation, aus dem fff-Schluß des ersten Satzes wurde ein resignierendes ppp-Verklingen, das Scherzo bekam ein neues Trio, und das ganze Werk wurde etwas gerafft. Die unterschiedlichen Fassungen, die philologisch eindeutig getrennt vorliegen, „sind nicht im Sinne üblicher Korrek turen zu verstehen, sondern als verschiedene Denkvorstellungen identischer Themenkom plexe", stellte der österreichische Bruckner- Forscher Manfred Wagner zu Recht fest. Die 1890 abgeschlossene 2. Fassung, die auch im heutigen Konzert erklingt, gelangte am 1 8. Dezember 1 892 unter Hans Richter in Wien zur Uraufführung. Der Meister hatte an diesem Ereignis teil genommen, obwohl ihm dies die Ärzte seiner Krankheit wegen nur ungern gestattet hatten, und wurde begeistert gefeiert. Hugo Wolf schrieb einige Tage nach der Uraufführung der „Achten" folgende enthusiastischen Sätze: „Diese Symphonie ist die Schöpfung eines Giganten und überragt an geistiger Dimen sion, an Fruchtbarkeit und Größe alle anderen Symphonien des Meisters. Der Erfolg war trotz der unheilvollsten Kassandrarufe, selbst von seiten Eingeweihter, ein fast beispielloser. Es war ein vollständiger Sieg des Lichts über die Finsternis, und wie mit elementarer Gewalt brach der Sturm der Begeisterung aus, als die einzelnen Sätze verklungen waren. Kurz, es war ein Triumph, wie ihn ein römischer Im perator nicht schöner wünschen konnte." Die 1. Fassung von 1 887, die erstmalig der Öf fentlichkeit am 2. September 1973 in London vorgestellt wurde, führte Kurt Wöss am 30. August 1974 in St. Florian bei Linz im Rahmen eines Internationalen Bruckner-Festes zum ersten Male im Heimatland des Komponisten auf. Man hat die 8. Sinfonie Bruckners die „Krone der Musik des späten 19. Jahrhun derts" genannt. Tatsächlich ist das Werk mit seiner ungewöhnlichen Spieldauer von reich lich 80 Minuten, der verstärkten Instrumental besetzung (acht Hörner, vier Tuben, drei faches Holz und im Trio sowie im Adagio Harfe „womöglich dreifach") eine der gewal tigsten Sinfonien, die je geschrieben wurden. In Bruckners sinfonischem Schaffen nimmt die „Achte" eine Ausnahmestellung ein: die Ar chitektur ist ins Riesenhafte gesteigert, der Stil wahrhaft monumental und der Aufbau schwer zu überblicken. An die Aufnahme- und Kon zentrationsfähigkeit des Hörers werden höch ste Anforderungen gestellt. Selbstverständlich ist bei einem Meister wie Bruckner die sou veräne Beherrschung des gewaltigen Klang körpers, mit dem sowohl geballte, massive Wirkungen wie auch zarteste Stimmungen und Farbtöne erzeugt werden. Mit der ihm eigenen liebenswerten Naivität gab der Komponist (in einem Brief an Felix Weingartner) kurze Erläuterungen zum Werk: „Im ersten Satz ist der Trompeten- und Corni- satz aus dem Rhythmus des Themas: die Jodesverkündigung', die immer sporadisch stärker, endlich sehr stark auftritt, am Schluß ,die Ergebung'. Scherzo: Hauptthema, Deut scher Michel genannt; in der zweiten Abtei lung (NB das Trio ist gemeint) will der Kerl schlafen, und träumerisch findet er sein Lieb chen nicht; endlich klagend kehrt er selber um. Finale: Unser Kaiser bekam damals den Be such des Zaren in Olmütz; daher Streicher: Ritt der Kosaken; Blech: Militärmusik; Trompeten: Fanfare, wie sich die Majestäten begegnen. Schließlich alle Themen; wie bei ,Tannhäuser' im zweiten Akt der König kommend, so als der Deutsche Michel von seiner Reise kommt, ist alles schon im Glanze. Im Finale ist auch der Totenmarsch und dann (im Blech) die Verklärung." Das solchermaßen in Worten fast unbe holfen Gestammelte erhebt sich in der Musik weit über die naive Bildhaftigkeit der Erklä-