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-- 435 — Geistesstärke, der sie erst kurz zuvor beseelt halte; sie liebte Georg zu sehr, um nicht Alles mit Enthusiasmus zu ergreifen, was auch nur einen Schein von Glück in sein Dasein zu werfen ver sprach. Georg verdankte ihr so viel; sie hatte, als er verstoßen aus dem elterlichen Hause in der Wohnung der Armuth Schutz fand, ihn mit der Liebe einer Mutter gepflegt, darum galt auch ihre Stimme bei Georg, ihr Ausspruch lenkte oft seinen trotzigen Sinn. Um jeder Unverständlichkeit in der Erzählung der Ereignisse, die wir hier in ein Ganzes zu rei hen bemüht sind, vorzubeugen, wenden wir uns nach der Hummelei zurück, in die Brauerei der schönen WittweH enges. Seit jenem Lage, wo man die Rathsknechte daselbst aus den Fenstern geworfen hatte, war die Brauerei der Zusammen kunftsort für Pie jungen Bürger geworden; es schien, als ob diese That, welche Alles wider sich hatte, was gesetzlich zu nennen war, dem Brau-, Hause einen ganz eigenthümlichen Zauber verliehen hätte. Lag es allein in der Schwäche des Ma gistrats, in dem Gefühle, daß eine Strenge gegen die, welche sich thätlich an den Dienern der Obrig keit vergriffen hatten, ein bei der allgemeinen Miß stimmung der Gemüther zu befürchtendes Resultat herbeiführen konnte, oder war es vielleicht die Ueberzeugung - des Unrechts, die Herr Nickel Freiberg, der Consul, in seiner Seele fand, daß er im Grunde zuerst den Anlaß zu dieser Empö rung gegeben hatte — die Lhäter traf durchaus keine Strafe; Daniel Kreuzberg ging frei aus wie die Luft, sein Knabe lebte, das Roß hatte ihn nicht zertreten, der «schreck und ein leichter Hufschlag hatte ihn scheinbar leblos niederge worfen. Die unzeitige Langmuth, welche der Rath kund gab, war die Mutter der nachfolgenden Ereignisse, die mit blutiger Schrift sich in der Geschickte Breslau's ein. Gebächtniß erworben haben. Der Rath war von Allem unterrichtet, was sich i'n der Henges'schen Brauerei begab, er kannte das Trutzdündniß, und Georg Ratburg's Name war als Urheber desselben ihm nicht unbekannt geblieben. In ihm allein lebte das Haupt einer Partei, die sich gebietend erheben konnte, wenn die Umstände es nutz^perstattelen, seine Erinnerun gen an erlittene UMerechtigkeit mußten ihm die Rache lieb machenH^ war der zu fürchtende Re präsentant der UmDrückten. Die Reue, daß man ihn nicht nichr längst auf irgend eine Weise aus Breslau zu entfallen gesucht hatte, kam jetzt zu spät, nun könnt? nur List oder Gewaltstreich ihn unschädlich machen. Vor Allem gebot es die Klugheit zu verhindern, daß die. reiche BraüerS- wittwe ihm mit ihrer Hand auch ein Vermögen gab, welches ihn in den Stand setzte, bei Gele genheit kräftig aufzutreten, und seiner Stimme solchergestalt einen Nachdruck zu geben, der in den Augen des Volkes zu gewichtig war, um ihn nicht zu fürchten. Georg Ratburg war in Breslau eine sogenannte historische Figur. Jeder kannte das-Schicksal des ,,vornehmen Schusters," sein Aeußeres trug schon das Gepräge eines Hä hern Standes, und sein Benehmen hatte ihm nicht nur die Liebe seiner Zunftgenossen, sondern auch die Achtung der Meister anderer Gewerke gewon nen; seine Armuth war ehrenvoll, und obwohl Frau - Althea Henges in Bezug ihres Vermögens und ihrer Schönheit das Ziel Vieler war, so gönnte ihm doch Jeder das Glück, sich aus diese Art emporzuschwingcn. Frau Althea hatte auf der Schwelle der Thüre gestanden, welche sie in ein neben der Schänk- stube gelegenes Zimmer führte, als Ratburg so kräftig zum Widerstand aufrief — er hatte ihr freu diges Lächeln bemerkt, und seine Seele fühlte sich mächtig zu ihr hingezogen er eilte zu ihr. Frau Althea reichte ihm die Hand. „Eure Liebe brthätigt sich rasch," sagte sie lä chelnd. ' „Um Euch zu erringen, wage ich das Höchste!"' rief Ralburg, sie an sich ziehend. „Und Ihr gewinnt das Höchste!" .flüsterte.sie, sich an ihn anschmiegend. Niegekanntes Feuer durchströmte des starken Mannes Adern, all' seine Pulse schlugen rascher, als er das schöne Weib an seiner Brust liegen fühlte, ihr Athen, heiß und brennend seine Wange streifte — seine Lippen preß ten sich auf die ihrigen. „Althea," sagte er leise, „ich habe nie solch' einem Zauber gegenüber gestanden, als wie jetzt Euch, ich bin'ja ein Knabe geworden an Eurer Seite, Eurer Wille ist der meine!" „Ei!" rief Althea schäkernd, „ist es denn ein so großes Unglück, wenn Ihr einmal einem Weibe - gehorcht, das Euch — liebt? — Stolzer Mann, vergeßt Ihr, daß cs mir leicht werden würde, ei nen vornehmen Patricier zu meinen Füßen zu se hen, wenn ick nur wyllte! Aber seht, wie ich da schmatze, indem ick Euch liebe, liebe ich ja einen Patricier," fügte sie wie scherzend hinzu, und gab ihren Worten einen Nachdruck, der seine Wirkung auf Georg nicht verfehlen konnte. (Fortsetzung folgt.) Ä