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bringen. Jin'Gegentheil, wir lachten und scherzten wie selten, besonders als sich herausstellte, daß wir bei unserm Angriff nicht den mindesten Verlust erlit ten und nichts eingebüßt hatten, als eine Ruhestunde. Wer daher nicht Wache hatte, suchte nach 9 Uhr seine Lagerstätte so unbesorgt wie gewöhnlich, und bald war auch ich im tiefsten Schlaf bersunkcn. Es mochte gegen.1 Uhr sein, als der Allarmmf uns weckte. Wirr und halb noch im Traum ergriff ich meine Waffen, die Kleider legten wir natürlich niemals ab, und trat hinaus auf den Sammelplatz. Aber da war weit größere Verwirrung als gewöhn lich, denn schon knallte es draußen an den Schanzen, schon flogen mit feurigem Schweis die pfeifenden Bom ben durch die Lust und die Leuchtkugeln Megen in den dunkeln Himmclsraum gleich Meteoren,»wüstes Geschrei, Waffengeklirr erschallte ohrbetäubend von allen Seiten — man sah, es mußte etwas Außeror dentliches vorgegangen sein. Ehe man nur noch Zeit zur Besinnung hatte, schmetterte schon das Signalhorn zum Angriff — in-Sturmschritt vorwäris marsch! Das vierte Jägercorps stand iwwcnigen Minuten dem Feind gegenüber. Diesmal war es ernstlich gemeint. Die Dänen hatten seit Tagen Verstärkung an sich ge zogen und waren mit 14 — 20 Bataillonen vor uns, während wir ihnen lange nicht die Hälfte entgegen zu stellen vermochten. Eine lange Kette von feindli chen Tirailleurs, welche in der Dunkelheit wie eine Pallisadenreihe sich uns gegenüber ausdehnte, eröffnete sogleich ein ununterbrochenes Feuer auf uns. Aber wir Jäger achteten wenig auf die verrätherischen Dop- petkugeln der falschen Dänen, unsere Tirailleurs lie fen voran mit lautem Hurrah, die treuen Büchsen enviderten mnthig die feindliche Botschaft. Plötzlich öffnet sich die dänische Tirailleurkette, ein Gluthstrom wallt uns entgegen, rings um mich prasselt und kracht es, wie Schlosseuwetter im dürren Wald, zwei dä nische Batterien syiren uns einek verderbenden Kar- tätschenhägel entgegen. Von diesem Augenblick an habe ich für die nächsten Minuten einigermaßen die Erinnerung verloren. Wohl sah ich rechts und links Freunde und Kameraden fallen, aber ich hatte keinen Scheideblick für sie-,- mechanisch lud ich die Büchse und schoß ab->sso lange ich die Stimmen unserer Of fiziere und die Hörner hörte. Es waren gräßliche Augenblicke. Es kam mir vor, als sei ich ganz al lein in dem dichten Pulverdampf, der mich umgab, und es wäre leicht möglich gewesen,, daß ich gerade auf den Feind zugelaufen wäre, wenn nicht die Blitze des 'Geschützes auS dcrFestung, welche mit furchtba rer Schnelligkeit sich ^folgten und die Leuchtkugeln mich orientirt hätten. Eben so mechanisch, als ich voran geschritten, gleichsam instinktmäßig, schritt ich rück wärts, ehe ich noch recht wußte, wohin mich wendens Plötzlich stolperte ich und . fiel —ein Verwundeter lag im Wege. Es war unser Feldwebel, ein ehema liger Apotheker aus dem Rheinland. „Du bist's?" sagte er zu mir ; „mit mir ist's vorbei; versprich mir, daß Du meiner Mutter meinen Gruß schreiben willst!" Ich druckte ihm nur die Hand, das Signal zum Rück zug war eben gegeben, schwere Fußtritte verkündeten daS nahe Anrücken einer geschloffenen FeindeScolonne und als ein jäher, Windstoß den Pulverdam^f ver trieb, marschirie kaum noch fünfzig Schritt von. uns entfernt^ ein dänisches Regiment mit gefälltem Bajo nett gegen uns heran. . Unsere Reihen waren sehr ge lichtet , aber der Instinkt des geschulten Kriegers hatte uns ziemlich im Glied gehalten. Noch einmal in tödlichster Nähe, wechselten wir mit. dem Feind die Geschosse — aber es war unmöglich, seinem Bajoff- netangriff und den furchtbaren Salven seiner Artillerie zu widerstehen. Ja sogar von Fünen herüber t^arf die Strandbatterie Striib Bomben und Sechsunddrei- ßigpflinder in unsere Reibe», während» unsere Bela gerungsgeschütze, deren wir bei weitem nicht die ge nügende Anzahl besaßen, verhältnißmäßig nur. gerin gen Schutz gewähren, noch weniger das Feuer des Feindes zum Schweigen bringen konnten.. Noch in ziemlicher Ordnung, aber doch nicht mehr in geschlos senen Gliedern, wandten wir uns, ich will es sagen, ohne mich zu schämen, im schnellsten Lauf zur Flucht und warfen uns in die Schanzen. Ich kam mit dem Rest von vier Compagnieen in die Süderschanze.'. Mit einem tiefen Athemzug überflog ich ängstlichen Blicks das Häuflein meiner Kameraden — über die Hälfte fehlte und nur noch zwei Offiziere waren unter uns! Aber cs war nicht Zeit zu langen Betrachtungen^ der Feind stürmte unsere Schanzen! Noch einmal ent spann sich ein furchtbarer Kampf, der aus unserer Seite wahrhaft mit Verzweiflung geführt wurde, und nochmals unterlagen wir. Fast alle Bedienungsmann schaften der Schanzenbatterie waren gefallen, zwei oder drei Kanonen demontirt worden, und der Dane überschüttete uns wahrhaft mit einem Kugelregen. Es dünkt mich heute noch ein Wunder, daß ich unver sehrt daraus hervorgegangen oder vielmehr gelaufen bin. Schon war die Schanz« theilweise umgangen, theilweife erstiegen, wir Jäger verlheidigkn uns noch so lange, bis die Kanonen sämmtlich vernagelt wa ren. Diese letztere Geschäft habe ich den Lieutenant Christiansen mit der größten Kaltblütigkeit verrichten sehen. Endlich war jeder längere Widerstand unmög lich, und wir flohen -— wir flohen zum zweitenmal vor einem Wind, welcher niemals unsern Rücken gc- fthen, uns nie^ang genug in's Auge geblickt hatte, um uns recht kennen zu lernen. .....