Volltext Seite (XML)
nommen, warso labil, daß erals Folge der vieler lei Anforderungen, die an ihn gestellt wurden, einen Nervenzusammenbruch erlitt. Seine Ärzte verordneten ihm ausgedehnte Erholungskuren in Bad Gastein und Bad Neuhaus. Mutter Anna Strauß aber sah voller Sorge, daß ihr Ältester schon wieder nicht an der Spitze seines Orche sters stehen konnte. Sie fürchtete um den Le bensunterhalt für ihre Familie. (Vater Johann Strauß war 1849 gestorben.) Gemeinsam mit Johann beschloß sie, daß nun der Bruder Josef wenigstens für eine Zeit der Überbrückung zum Dirigenten abgeordnet werden müsse. Josef weigerte sich zunächst, fügte sich dann aber. Am 23. Juli 1853 schrieb er seiner Braut Caroline Josefa Pruckmayer: »Das unvermeidliche ist geschehen, ich spiele heute zum ersten Male beim Sperl (berühmtes Wiener Gasthaus s. g.l. Ich bedauere vom ganzen Herzen, daß dies so plötzlich geschehen...« Kaum einen Monat danach mußte er auch für ihn komponieren. Johann hatte einmal von sich und Josef gesagt, »wir waren beide tüchtige Klavierspieler«, und Josef hatte einige virtuose - unveröffentlichte - Klavierstücke geschrieben. Da er selber eine wohlklingende Baß-Stimme besaß, hatte er auch einige ebenfalls unveröf fentlichte Lieder, zum Teil auf eigene Texte, für Baß und Klavierbegleitung in Musik gesetzt. Nun aber sollte er seine Begabung für Tanz musikverwenden! Zum Kirchweihfestball in der Wiener Vorstadt Hernals sollte Josef plötzlich das übliche neue Stück mitbringen. Er schrieb einen Walzer und gab ihm den bezeichnenden Titel »Die Ersten und Letzten«, womit er deutlich machen wollte, daß er diese Beschäftigung mit Musik nur als ein sehr kurzes Zwischenspiel an zusehen geneigt war. Tatsächlich wurde es dann nicht nur »eine« Fort setzung. Josef Strauß schrieb mehr als 300 Ori ginal-Tanzkompositionen und mehr als 500 Orchesterarrangements über Musik anderer Komponisten,-alle entstanden in der erstaunlich kurzen Zeit von siebzehn Jahren - das ist für einen so widerwillig berufenen Musiker gewiß ohne Parallele. Da der Gesundheitszustand von Johann weiter hin Anlaß zur Sorge gab, sah es nicht so aus, daß Josef sein vordem so geregeltes Leben bald würde wieder aufnehmen können. Hinzu kam, daß das Kriegsrecht von 1848 für Öster reich mit dem 1. September 1853 aufgehoben wurde. Damit war die Möglichkeit gegeben, neue Unterhaltungsetablissements zu gründen, was wiederum wachsende Nachfrage nach Auftritten für das Strauß-Orchester mit sich brachte - und diesen Nachfragen konnte Johann allein unmöglich gerecht werden. Wie einst sein Bruder Johann nahm Josef jetzt ebenfalls bei Franz Amon, dem ersten Geigerim Strauß-Orchester, Violinunterricht; es brauchte jedoch bis zum 23. April 1856, bis er sich auf diesem Instrument so sicher fühlte, daß er vor Publikum das Orchester als Vorgeiger leiten konnte. Sinnigerweise hieß der Walzer, den er bei diesem Ereignis uraufführte »Die Vorgeiger« op. 16. In der Folge machte auch Josef der Strauß- Dynastie alle Ehre. Er wechselte sich mit seinem überforderten Bruder in der Orchesterleitung ab, meistens in Wien, aber auch im Ausland, so in Rußland, Ungarn und Polen. Später trat