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Gioacchino Rossini Josef Strauß Johann Strauß über Josef Strauß Am 20. August 1827 wurde Josef Strauß - in der Familie nur Pepi genannt - als zweites der Kinder von Johann und Anna Strauß geboren. Der begabte junge Mann studierte am Poly technischen Institut in Wien sechs Jahre techni sches Zeichnen und Mathematik und hatte sich nebenher an der Akademie der Bildenden Künste in Figuren- und Landschaftsmalerei sowie im ornamentalen Zeichnen fortgebildet. Seine Zeichnungen, Miniaturen, Silhouetten, Aquarelle und Familienkarikaturen, die er mit großem Raffinement ausgeführt hat, verraten das scharfe Auge des Künstlers fürs Detail, was sich auch immer wieder in seinen Kompositio nen zeigen wird, besonders in seinen »erzäh lend-beschreibenden« Polkas wie »Moulinet« op. 57, »Die Schwätzerin« op. 144, »Die Spinne rin« op.192 und »Die Libelle« op. 204. Die Polka, ein Tanz im Zweiviertel-Takt, stammt ursprünglich aus Böhmen. Im Wien der 1840er Jahre ersetzte sie weithin den Galopp, der dort seit zwei Jahrzehnten ungeheuer populär ge wesen war. Aber in den späten 1850er Jahren bevorzugte man im Wiener Konzert- und Tanz repertoire Neues, so die langsamere und »weiblichere« Polka franpaise, die hektische Schnellpolka und die Polka-Mazurka, in der Polka-Rhythmen mit dem Dreiviertel-Takt der Mazurka kombiniert sind; sie fand wohl ihren vollkommensten Ausdruck in den Kompositio nen von Josef Strauß, der diesem Tanz einen ganz neuen Charakter gab, indem er zwischen Dur- und Moll-Tonarten wechselte. Damit war es ihm möglich, subtilste Stimmungsschwankun gen auszudrücken. Die Art, in dererseinen Wal zern und seinen Polka-Mazurken Moll-Partien einfügte, verlieh seinen Kompositionen Sehn sucht und Zartheit; dies entsprach seiner eige nen Natur. In den Jahren 1843 bis 1845 schrieb Josef auch Gedichte; in dieser Zeit ist wohl auch sein an spruchsvolles fünfaktiges Theaterstück »Rober« entstanden, für das er nicht nur den Text dich tete, sondern auch die Ausstattung entwarf so wie Kostüme und Bühnenbild zeichnete. Obgleich Pepi eher zurückhaltend und fried fertig war, griff er während des 48er-Aufstan- des zu den Waffen,- Eduard Strauß, der jüngere Bruder, berichtet: »Mein Bruder Josef fand sich am 6. October nachmittags am Sammlungsorte der academischen Legion, der er als Techniker angehörte, ein und marchirte mit dieser zum Ta bor, wo er in die Feuerlinie des Regimentes Nas sau zu stehen kam.« Nur mit knapper Not und großem Glück kam Pepi mit dem Leben davon. Josefs Karriere als Techniker entwickelte sich in den folgenden Jahren sehr zufriedenstellend. Und dann wurde dieses »Genie wider Willen« in eine Position von größter Verantwortung ge drängt, als Oberhaupt eines »Familien-Musik- betriebes«, zu welchem er nicht die geringste Lust verspürten und für das er nie eine Ausbil dung erhalten hatte. Johanns, des älteren Bruders, Gesundheitszu stand, durch viele Krankeiten reichlich mitge-