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Gioacchino Rossini - Jubilar des Jahres 1992 Am 19. Februar 1792 wurde Gioacchino Rossini im italienischen Pesaro geboren. Beide Eltern waren Musiker: der Vater Waldhornist - und dazu Inspektor der Städtischen Schlachthöfe - die Mutter Sängerin. Früh erhielt der Sohn Unterricht in Gesang, Klavier und Waldhorn, und gleich nach seiner ersten Oper, einem tra gischen Einakter, wurde dem Achtzehnjährigen in Venedig bescheinigt: »Herr Rossini, ein junger Mann aus Pesaro, studiert nach seiner eigenen Äußerung Mozart und Haydn fleißig und zeigt auch eigenen Geist. Er ist, nach Simon Mayr, wohl heute der beste Operncompositeur in Ita lien.« In den nächsten zwanzig Jahren folgte eine unablässige Reihe frischer, geistvoller und brillanter Opern. Fast vierzig Werke hat der leicht produzierende Tonsetzer in dieser Zeit vorgelegt. 1813 erschien »L’ltaliana in Algeri« (Die Italienerin in Algier!, 1816 »II barbiere di Siviglia«, der sich ungeachtet des Premieren mißerfolges bald gegen Paisiellos beliebtes gleichnamiges Werk von 1782 durchsetzte. Der »Barbier von Sevilla« gilt als Gipfel der italieni schen komischen Oper. Rossini war noch keine 24 Jahre alt, als er ihn schrieb. Von 1815 bis 1823 komponierte der Meister im Dienste des Impre sarios Barbaja jährlich mehrere Opern, darun ter 1817 »La Cenerentola« und 1819 »La Donna del Lago«. Mit ihnen versetzte er die Welt in einen wahren Rossinitaumel, für den weniger der dramatische Gehalt als vielmehr die Anmut der blühenden Kantilenen, häufig durch perlende Koloraturen reich verziert und variiert, die sprühende Melodik, Eleganz der Formen, pikante Rhythmik, subtile Instrumentation, geist reicher Witz und virtuose Buffa-Technik bestim mend waren. 1823 ging Rossini mit seiner Frau, der Sängerin Colbrand, nach London, ließ sich aber schon ein Jahr später in Paris nieder. Dort wurde er »Premier Compositeur« König Karls X. sowie »Generalinspektor des Gesangswe sens« in Frankreich. Er eroberte sich die Pariser Bühnen, und allmählich näherte er sich dem Stil der französischen großen Oper, ohne daß er seine nationale Bindung verleugnet hätte. Mit der »Belagerung Korinths« 118261 bahnte sich diese Entwicklung an und vollendete sich im »Guillaume Teil« nach Schillers »Wilhelm Teil«, der 1829 in Paris uraufgeführt wurde und seine letzte Oper blieb. 1830 zog sich Rossini von der Bühne zurück und komponierte in den fast vier zig Jahren bis zu seinem Tode 1868 nur noch we niges, darunter sein Stabat mater (das in einem Rossini-Gedenkkonzert der Philharmoniker mit dem Kammer- und Jugendchor der Dresdner Philharmonie unter Miltiades Caridis zu den Dresdner Musikfestspielen 1992 zu hören sein wird). Sein Vermögen erlaubte ihm in dieser Zeit ein unabhängiges Leben als geselliger und großzügiger Gastgeber, der durch seine poin tierten Bonmots und exquisite Kochkunst fast ebenso berühmt war wie durch seine Musik. * Auch das Wien Beethovens und Schuberts lag Rossini zu Füßen. Vater Johann Strauß wurde in diese Zeit hineingeboren. Seinen Walzern jubelten die Wiener ebenso zu wie den Ouver türen und Arien des italienischen Operngenies. Als Johann Strauß, der Sohn, 1844 mit dem er sten eigenen Orchestersein Musiker-Debüt mit dem »größten Success« feierte, lebte Rossini schon 15 Jahre ais Privatier in Paris. Dennoch hat die Musik des großen Italieners ganz offensicht lich auch die Strauß'schen Kompositionen be fruchtet. Wäre wohl die Rosalinde der »Fleder maus« von 1874 ohne Rossinis »Barbier«-Rosina im Vorfeld denkbar? Kurz nach der Urauffüh rung dieser Erfolgsoperette, während einer Italien-Tournee,setzte Johann Straußdann dem Vaterland Rossinis unmittelbar ein Denkmal im Walzer »Bella Italic«, den er später für sein Wiener Publikum in »Wo die Citronen blüh’n« umtaufte. Zwar ist der »Frühlingsstimmen«- Walzer 1883 nach einer Begegnung mit Franz Liszt in Budapest entstanden, und doch mutet er wie ein Nachklang Rossinischer Koloraturen an. Unser Konzert, das Rossini und Strauß unmittelbar gegenüberstellt, gibt für weitere musikalische Verwandtschafts-Entdeckungen Gelegenheit.