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Wien« aufgeführt wurde, eine Apotheose der WienerTanzmusik, die im Walzer »An der schö nen blauen Donau« gipfelte. Der 14. Oktober brachte zwei Festkonzerte im Großen Saal des Musikvereins. Am Mittag führ ten die Wiener Philharmoniker mit dem Wiener Männergesang-Verein Kompositionen des Ju bilars auf. Der Pianist Alfred Grünfeld spielte eine Konzertparaphrase aus Strauß-Melodien, und am Abend leitete Eduard Strauß ein Konzert mit Werken seines Bruders. Der eigentliche Jubiläumstag, der 15. Oktober, begann mit einem häuslichen Fest im Palais Strauß, zu dem die Familie und einige Freunde und Bewunderer, so Brahms, PJellmesberger, Döczi, Kalbeck, Hanslick und der aus New York angereiste Theaterdichter und Komponist Rudolph Aronson geladen waren. Abordnun gen verschiedener Körperschaften und Organi sationen erschienen, um Glückwünsche zu überbringen. In seiner Erwiderung auf all diese Glückwünsche sagte Strauß: »Die Auszeich nungen, die mir heute zu Theil werden, ver danke ich meinen Vorgängern, meinem Vater und Lanner. Sie haben mir angedeutet, auf welche Weise ein Fortschritt möglich ist, durch die Erweiterung der Formen, und das ist mein einziges, kleines Verdienst... Ich bin außeror dentlich glücklich, fühle aber,... man thut mir zu viel Ehre an...« Am Abend wurde Strauß mit einem Festbankett im Wiener Grand Hotel geehrt, zu dem sich etwa 200 Gratulanten, Komponisten, Dichter, Schriftsteller, Vertreter der Bildenden Künste und - unerwartet - auch der Großfürst Konstan tin von Rußland einfanden. Nicht nur Wien feierte in jenen Tagen das Jubi läum des Komponisten. Viele europäische Städte brachten zu seinen Ehren Sonderveran staltungen. Doch nicht nur Lobeshymnen wur den in jenen Tagen von den Zeitungen verbrei tet. Beispielsweise riskierte »Die Presse« auch ein offenes Wort, als sie schrieb: »Strauß ist ner vös und Hypochonder; er hat alle möglichen und unmöglichen Krankheiten, besonders jene, an denen irgendein Bekannter eben gestorben ist. Eigentlich fehlt ihm gar nichts; aber man ist leidend genug, wenn man an allen Krankheiten leidet, die man nicht hat.« GanzsicherwarJohann Strauß im Jahrl894 ein Mensch, der vor sich selber und vor seinem Ruhm floh. Ein Mann, der es liebte, in seinem Haus in der Igelgasse, im sogenannten »Cafe- Haus-Salon«, ein paar Freunde um sich zu ver sammeln und bei Billard, Tarock und launigen Gesprächen dieZeittotzuschlagen. Sein leben diger Geist erlahmte dabei, seine Lebensfreude wurde durch lange Perioden von Melancholie empfindlich gemindert. Derweltberühmte Kom ponist war im Alter einsam, viel einsamer, als man gedacht hat. Trotz seiner gelegentlichen Schwermutsanfälle hatte Johann Strauß einen ausgeprägten Sinn für Humor. Viele, auch noch kurz vor seinem Tod geschriebene Briefe zeigen, wie gern er Ver wandte und Freunde neckte und zum Narren hielt. Im Jahr 1864 hatte Johann eine Zeitlang Unter richt im Malen bei Anton Hlaväöek genommen; doch es fehlte ihm die Begabung seines Bruders Josef. Es machte ihm aber Spaß, Menschen seiner Umgebung karikierend darzustellen und diesen Zeichnungen fröhlich sarkastische oder impertinente Kommentare beizugeben. Nicht ohne Ironie aber ist es, daß Johann Strauß,deralleWeltmitseinenTänzen in Bewe gung setzte, selbst nicht tanzen konnte! Wäh rend einer seiner frühen Rußlandreisen erzählte er einem seiner Freunde, daß er häufig aufge fordert würde, zu seiner eigenen Musik einen Walzer oder eine Polka zu tanzen,»... doch Du weißt ja, ich war in meinem Leben kein Tänzer und muß all den wirklich verlockenden und ein ladenden Aufforderungen zum Tanz< ein ent schiedenes Nein entgegensetzen.«