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— 518 — Wen Mm wir zum bevorstehenden Lanvtage wShkns Di« Wahle» beginne» »nd mit ihnen naht di« Entscheidung einer wichtigen Lebensfrage des fach, fischen StaakeS. Kon ihrem Ausfälle wird Sach» seus Zukunft wesentlich abhängen;ihre Wichtig, seit leuchtet daher Jedem so ein, daß es hierüber keines Wortes weiter bedarf. Wohl aber mag mancher an sich die ernste Frage richten: SSe« sollen wir wählen? Ich meine nicht gerade welche bestimmte Person, sondern ich will sagen: welche Grundsätze, welch« politischen Ansichten, welche Eigenschaften soll der Mann Habens welche» wir als unseren Vertreter auf den Landtag senden wollen- Und gewiß ist eS nöthig, daß Jeder vo» Euch diese Frage recht ernst prüft, ehe er sich entscheidet, und darum ist es auch nicht überflüssig, wenn dieselbe in öffent lichen Blattern besprochen wird. Möge einem aufrichtigen Freunde des Volkes eine Beantwor tung derselbe» gestattet sein. - Fragt Euch zunächst: was soll Euer Vertreter auf dem Landtage wirken; so ist hie Antwort: er soll vor ollem hie Verfassung des sächsischen Staates, so weit sie dessen bedarf, verbessern und ausbauen und di«' Einrichtung der Verwaltung und Gesichtspflege des Landes mit bewerkstelligen helfen. Darum ist eS nöthig, daß Ihr einen Mann wählt von klarem Verstände und gesunden, nicht überspannten und ercentrischen Lebensansich, ten; er braucht gerade kein Gelehrter zu sein, aber er muß so viel Bildung besitze», um sich über die wichtigsten Fragen ein eignes Urtheil bilden zu können , und dazu gehört nicht mehr, als na türlicher Scharfsinn, den Ihr oft bei dem einfach sten Landmann in höherem Maaße findet, als des dem^Gelehrttn vom Fache. Aber nicht bloS die geistigen Fähigkeiten, auch Charakter und Ge- müth Eures Abgeordnete» müßt Ihr ins Aug« fassen ' Cr wird vielleicht in schwierige Lagen . kottftnen, darum wählt einen charakterfesten Mana, der weiß, was. ex will, uv^ haS, was er für . Richt erkannt hat, auch mit Güt und Blut zu vcrsr«te-ibereit ist. Bedenkt, daß ohne Gesetz untz Ordnung kein Wohlstand, keine Freiheit mög, lich.iH, dass daher für Aufrechthaltung von Gesetz mitzuwirkeit Pflicht jedes Abgeordneten ist. Darum wWt einen Mann, von welchem Ihr wißt, daß er das Gesetze zu achten, versteht. Bedenkt, daß die Einführung der Republik iu-Deutschland, wenn sie jetzt geschehen sollte, nm durch Ströme Blutes gehen könnte; bedenkt, daß der Bürgerkrieg, dek! dadurch entzündet werden, müßte, auf lange Jahr« hinaus Deutschlands Wohlstand vernichten, und unsägliches Elend über Euch bringen würde«- Wählt daher keinem, der in seinem blinden Eifer für die Republik vor dem Aeußersten nicht zurück- schrecken würde. Bedenkt aber auch, daß nur, wenn ein auf Freiheit des Volkes gegründeter Nechtszustanh eintritt, die Ruh« auf die Dauer, wiederhergestellt werden kann; wählt daher auch keinen solchen, der in blindem Eiser für das Alte allen Verbesserungen entgegentreten würde. Vor allen hütet Euch vor den sogenannten Volksfreun-. den, welche vor der Märzsonne gleich Mäuslein still in ihren Löchern staken, da eS noch gefährlich war, ein Liberaler zu sein, die aber jetzt gleich brüllenden Löwen im Lande umherziehen und sich geberden, als wollten sie zu jedem Frühstücke zum mindesten einen Herzog und zum Mjttagseff«w einen Kaiser oder König verzehren. Wahrlich ich sage Euch, gerade diese werben die Ersten sein, welche die Sache des Volkes verlaffen und tie^ Speichellecker der Fürsten werden, wenn diese ja wieder zur früheren Macht gelangen sollten — wie sie jetzt die Speichellecker des Volkes sind. Wen aber sollen wir zu unserem Abgeordneten wählen? Sucht ihn unter de» alten bewährten Freunden des Volkes, die es nicht erst im heuri gen Jahre geworden sind; sucht ihn namentlich unter den früheren Mitglieder» der zweiten Kam mer, die für die Rechte des Volkes sprachen, als dieß noch gefährlich sein konnte. Und wenn diese . nicht ausreichen, so sucht und prüfet, «er gegen seine Untergebenen, Arbeiter, Clienten oder Ge schäftsfreunde als Beamter, Fabrik-««, Advokat, . Arzt oder Gutsbesitzer gerecht, uneigennützig, mild- thätig, gefällig und ehrlich ist, und dieß Alles schon vor der neuen Leit war; de» wählt, der ist ein wahrer Volksfreund, auch wenn er we» der in Vereinen noch in Volksversammlungen. Reden hält. Was helfe» Euch die Reden, wenn die Thate» fehlen? Was hilft eS Euch, wenn Jemand für das Wohl des Volkes die schönsten Rede» halt und daheim sein« Arbeiter bis anf^ daS Blut schindet? Was Mts., wen» Beamte , vo» Freiheit sprechen, und ihre Untergebene» grob, , hart und tyrannisch behandeln? Was hilft es^ wenn sich Advokaten für Volksfreunde ausgeben und ihre eignen Clienten betrügen? Und wahk lich, ich sage Euch, unter den«» , die sich Volks, freund« nenne», giebt es viele falsche Propheten, vieleMölfein Schaafskleidew, die nur ausAng i