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— 518 — tlgm auch noch vom Throne stürzt und den Hirn, mel als Republik erklärt. Haben wir> die ruhigen, stillen Bürger, im Monat März nicht Alles gethan für das Heil des großen deutschen Vaterlandes, wir haben die größ ten deutschen Kokarden, die nur aufzutreiben wa ren, an dem Hut befestigt; wir haben, um noch mehr zu thun, daS schwarz-roth. goldne Band inS Knopfloch gesteckt; wir haben gesungen: „Schleswig-Holstein meerumschlungen" und ein Glas um'S andere auf's Wohl der deutschen Er rungenschaften geleert. Aber wir wollten Ruhe und Ordnung, und absonderlich wollten wir Hoch achtung vor dem Begriff des EigenthumS. Da hat aber die liebe Jugend alles Bestehende wie ein Spiel Karten unttr einander geworfen und eine babylonische Verwirrung in die Welt gebracht. — Ach, theurer Freund, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie toll eS jetzt in meinem sonst so friedlichen Hause aussieht. Jedes meiner Famili enmitglieder bildet eine rasende Partei für sich. Fritz mein älterer Sohn, ist ein wüthender Re publikaner. Er hat sich sein Zimmer roth aus schlagen lassen. Er trägt ein rothes Halstuch und eine rothe Weste; er schreibt mit rother Tinte und trinkt leider nur rochen Wein. Er braucht seit kurzem nur rothe Schnupftücher Und hat so- gar sein Bett roth überziehen lassen, damit er rothrepublikanisch schnarche. Am Ende läßt er sich noch roth anstreichen. Sieht er doch jetzt schon beinahe aus wie der Samiel im Freischütz! Un aufhörlich predigt er das Evangelium der Barri kaden und ärgert sich über unser gesinnungsloses Straßenpflaster, weil eS noch nie im Dienste der Revolution war. Mein jüngerer Sohn ist ein Demokrat auf der breitesten Basis und ein populärer BolkSmann. Er hält lange Reden und verschwendet viel Geld an die Volkshefe. AuS wessen Beutel? Diese Frage ist leicht zu beantworten. Dabei hält er sich so zu sagen «in permanentes Katzenmusik-Or chester» dessen Mitglieder auf seinen Wink vor dem Fenster jedes mißliebigen Bürgers ohrenzerreißende Symphonien aufführen. Versteht sich, ebenfalls auf meine Kosten. Vorige Woche bin sogar ich, als Mitglied des unpopulären GemeinderatHS, mit einer solchen Katzenmusik beehrt worden> bei wel. chrr Gelegenheit mir ein halb Dutzend neuer Schei den von der Volkssouveränität eingeschmiffen wur- den. Als ich meinem Sohn darstellte, wie uner hört eS wäre, daß ein Vater von seinem eigenen Fleisch und Blut katzenmusikalisch behandelt werde und daß dieser Vater feine Gchm-ch noch bezah len müsse, antwortete er ganz trocken: daß eS in der Politik weder Familien- noch Freundschafts bande gäbe. So ist mein zweitel! Sohn. Meine Tochter (gottlob, die einzige!) ist socialistische Schriftstellerin und Präsidentin deS hiesigen Frau- enclubbs. Bor vierzehn Lagen hat man ihr ein Ständchen gebracht, bei welcher Gelegenheit sie zum Fenster hinaus eine aufreizende Rede hielt und dem Volke das Versprechen gab, feine gerecht, Sache bis auf's Aeußerste zu verfechten. Sie schimpfte so wüthend auf die besitzende Klasse, daß ich , der ich im Bette laos, mich schämte, ein wohl habender Mann zu sein. Was meine Frau betrifft, so hält sie es milk allen Parteien , besonders mit ihrem ältesten Sohn, . dem Rothrepublikaner. Vorige Woche hat sie ihn mit einem rothsammtnen Käppchen überraschtz^fie wird ihm vielleicht nächsten Monat, an seinkm Geburtstage, ein goldenes Guillotinchen bescheereit. Mein Buchhalter aber, der bis vor den März- Errungenschaften ein ganz braver, rechtschaffener Mensch war, ist ein wüthender Kommunist, dem daS Theilen im Kopf steckt. — Der Mensch führt meine Kaffe und denkt an'S Theilen! DaS ist wahrhaftig kein Spaß. - ' ' Wenn ich nun bei Tische unter meiner Familie sitze, so habe ich statt der Lafelfreude die bitter, sten Tafelleiden. Da wird jede Schüssel mit ei nem Stich- und Schlagröort unserer Zeit gewürzt. Volkssouverainetät zur Suppe, Geldaristokratie zum Rindfleisch, Barrikaden zum Gemüse, Pro letariat zum Braten und zum De» sert. Wage ich es nun, ein Wort Hagegen zu re den, so werde ich gleich als Reaktionär und Heu ler gescholten: Aber, ich frage dich, wie könnten meine.Kinder die Popularität sich erwählen, wenn ich daS Geld dazu nicht erheult hätte? Daß ich Kommerzienrath bin und den Civilverdienstorben besitze, können mir meine Kinder gar nicht verge ben; sie behaupten, eS wäre dies ein doppelt» Familienschimpf. Wirklich darf ich den Orden nicht mehr tragen. So streng werde ich von mei nen Kindern erzogt». Am Ende werden sie mich noch zwingen, meine weiße Schlafmütze roth fär ben zu lassen, damit ich als Jakobiner im Kopf kissen stecke. WaS soll ich machen? Wo Rv^ geht mir über AlltS; und um den HauWr-ta zu erhalten, werde ich aüS Verzweiflung am End« noch Republikaner. Gott MS geklagtt Dein treuer Freund Sebastian FtnchKmaler.