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wird. Das rhythmisch betonte Allegro hinge gen ist aggressiver Natur. Mit seinen häm mernden Achtelnoten ist es ohne Zweifel ein Abbild der zerstörerischen Kräfte jener Zeit. Den Stil des „Concerto funäbre" haben vor allem zwei Komponisten beeinflußt: Alban Berg, für dessen Musik Hartmann zeit seines lebens eine Vorliebe hatte, und Paul Hinde- mith. Leidenschaftlichkeit und politisches En gagement aber heben das Concerto weit über die gesichtslose, verlogen-pathetische deutsche Musik der Nazizeit hinaus. Das Werk, welches in der ursprünglichen Fassung zum erstenmal 1940 in St. Gallen in der Schweiz erklang, besitzt immer noch die glei che Lebenskraft wie die acht Sinfonien des bedeutenden Sinfonikers. Die 1885 vollendete programmatische Or chesterkomposition, die der Komponist „Manfred, Sinfonie in vier Bildern nach By rons dramatischer Dichtung" nannte, ist die umfangreichste aller sinfonischen Werke Pe ter Tschaikowskis. Aufgebaut auf einem litera rischen Programm, gehört sie eigentlich zum Genre der von Berlioz und Liszt begründeten Sinfonischen Dichtung. Wie Berlioz in seiner „Phantastischen Sinfonie", mit der sie inhalt lich verwandt ist, bedient sich auch Tschai- kowski eines in allen vier Sätzen erscheinen den „Leitthemas" (einer „idee fixe") zurSym- bolisierung seines von hohen Idealen durch drungenen und für sie kämpfenden, aber von Zweifeln, Qualen und Widersprüchen zerris senen Helden, mit dem er sich identifiziert. Die programmatische „Manfred"-Sinfonie besteht aus vier Sätzen, deren Inhalt der Komponist selbst erläutert hat. Der erste, gro ßartigste, in drei Blöcke gegliederte Satz schildert, wie Manfred von Qualen des Zwei fels gefoltert, in den Alpen umherirrt. Das Stück beginnt düster mit dem ausdrucksvol len, zerklüfteten „Manfred"-Thema (der „idee fixe"), aus dem ein ungeheuer leiden schaftliches Ringen entwickelt wird. Im lyri schen Mittelteil ist dargestellt, wie sich der Held in „Erinnerung an Astarte, seine schöne Schwester, deren Leben er durch sündhafte Liebe vernichtet hat, verzehrt". Der Schlußteil drückt aus, daß der seelische Kampf aufs neue entbrannt ist. „Fried- und ruhelos irrt Manfred durch die Welt, ein Opfer der furcht barsten Verzweiflung." Im düsteren h-Moll, wie er begonnen, endet der Satz. Der zweite Satz ist ein dreiteiliges Scherzo: „Die Alpenfee erscheint Manfred unter dem Regenbogen". Glänzend schildert der Ton dichter das Glitzern, Sprühen und Rauschen des im Sonnenlicht flimmernden Wasserfalls. Im Trioteil charakterisiert eine liebliche, harfe numspielte Melodie das Erscheinen derguten Alpenfee. Hier wie auch in der Reprise, die den ersten Scherzoteil mit seiner zauberhaf ten Naturstimmung reizvoll abwandelt, er klingt mehrmals das „Manfred"-Thema. Das Scherzo ist eines der glanzvollsten Stücke Tschaikowskis. Zum dritten Satz (einer Pastorale) schreibt der Komponist: „Schilderung des einfachen, freien und friedlichen Lebens der Bergbewoh ner". Bei den Bauern und Hirten vermeint Manfred Genesung von seinen Leiden zu fin den. Vergeblich. Verzweifelt stürzt er sich in den „unterirdischen Palast des Höllenfürsten Ahriman". Dort gerät er mitten in eine wüste Orgie, die im wilden Allegro fuoco des Final satzes geschildert wird. Eine lyrische Episode kennzeichnet die Beschwörung der Astarte, die Manfred das Ende seiner Leiden ver kündet. Der Schlußteil stellt des Helden Tod und Auferstehung dar. Das „Manfred"-Thema ge winnt monumentale Größe und wächst zum heroischen Hymnus. Das abschließende Lar go huldigt dem faustisch ringenden Men schengeist, der „immer strebend sich be müht". Zum zarten H-Dur aufgehellt, verklingt das Werk, das seine Uraufführung am 11. März 1886 in Moskau unter Max Erdmanns dörfer erlebte.