ZUR EINFÜHRUNG ln seinen Violinkonzerten knüpfte Johann Se bastian Bach formal an die entsprechenden Schöpfungen seiner Vorgänger und Zeitge nossen an und behielt das abwechselnde Spiel zwischen Orchestertutti und Soloinstru ment bei. Dennoch mischt sich bei ihm we sentlich stärker als bei seinen Zeitgenossen der Orchesterpart mit den Partien der Solo- Violine und umgekehrt; auch ist das thematisch-motivische Satzgefüge von Solo und Tutti so eng ineinander verschränkt, daß der moderne Konzertbegriff hier seinen Aus gang nimmt. Der erste Satz von Bachs Konzert für Vio line, Streichorchester und Basso continuo a-Moll (BWV 1041) zeigt besonders eindring lich die für den Konzertstil dieses Meisters ty pische geniale Verschmelzung, motivische Verzahnung von Solo- und Tuttipartien. Ein energisches Thema prägt den Charakter des Einleitungstuttis. Das erste Motiv davon greift der Solist variiert auf, um im Verlaufe des Sat zes noch weitere motivische Gedanken ins Spiel zu bringen. Der unerhört straffe, logi sche Aufbau des Ganzen, die gedrängte, dichte motivische Arbeit der Komposition, von der ein Eindruck geballter Energie aus geht, faszinieren den Hörer spontan. Im langsamen Mittelsatz wird ein eindring lich wiederholtes Baßmotiv (Basso ostinato) vom Orchestertutti allein siebenmal vorgetra gen. Weitere sechsmal erscheint es als Unter grund eines gefühlsreichen Themas, das die Solovioline figurativ ausbreitet. Zügig-drängend gibt sich der Schlußsatz, eine stilisierte Gigue. Eine Steigerung des mu sikalischen Geschehens ist von der Satzmitte bis zum letzten virtuosen Violinsolo zu beob achten. Hermann Scherchen nannte den jungen Münchner Komponisten Karl Amadeus Hart mann in einem Brief (Oktober 1935) den „Stärksten, Begabtesten, Ernstesten". Scher chen war es denn auch, der seinen damali gen Schützling in dessen humanistischer Weitsicht und Ablehnung der faschistischen „Gleichschaltung" bestärkt hat. Hartmann schrieb in der Zeit der Hitler-Herrschaft eine Reihe von Werken, die aus seiner Gesinnung kein Hehl machen und sich gegen den Fa schismus richten. Seine Haltung verdient um somehr Bewunderung, als er nicht damit rechnen konnte, daß diese Musik im faschisti schen Deutschland je aufgeführt werden würde. Eines dieser Werke ist das Konzert für Violi ne und Streichorchester, das Hartmann von Anfang an als eine „Trauermusik" konzipiert und dem er dann in einer Neufassung (1959) den Titel „Concerto funebre" („Trauerkon zert") gegeben hat. Hartmann begann mit der Komposition im Sommer 1939 kurz vor Hitlers Überfall auf Polen, den Siegesjubel der Okkupanten kontrapunktierte er mit einer tiefernsten musikalischen Mahnung. „Die vierSätze ..." schrieb Hartmann spä ter, „gehen pausenlos ineinander über. Der damaligen Aussichtslosigkeit für das Geistige sollte in den beiden Chorälen am Anfang und am Ende ein Ausdruck der Zuversicht entgegengestellt werden." Der erste Choral („Die ihr Gottes Kämpfer seid") ist hussiti- schen Ursprungs und wurde auch in dem Or chesterzyklus „Mein Vaterland" von Bed'rich Smetana verwendet. In Hartmanns Concerto wird er hauptsächlich von der Solovioline ge spielt, während das Orchester lediglich die Kadenzierung übernimmt. „Der zweite Cho ral am Schluß", schrieb der Komponist weiter, „hat den Charakter eines langsamen Schrei- tens, mit einer liedartigen Melodie." Es ist der 1905 entstandene russische Revolutions gesang „Unsterbliche Opfer", welcher zu nächst vom Orchester, dann von der Solostim me gebracht wird. Die beiden inneren Sätze haben größere Ausmaße und sind im Habitus gegensätzlich. Das Adagio ist ein rezitativi- scher Klagegesang, der mehrmals von trauermarschartigen Episoden unterbrochen