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397 — ser, so sinder in Freywaldau in Schlesien ein ge wisser Schrot die Panacee des Lebens in — altbackener Semmel und bei Verweigerung jeden Getränkes, eine Art Hunger- und Durstkur bis zur höchsten körperlichen Erschöpfung und Er schlaffung! — „Jeder Mensch", so folgert er, „hat in seinem Magen eine luhsche.(schlesischer Ausdruck für Pfütze). Je Nach der Größe dieser Luhsche ist ein Mensch kränker oder gesünder und diese Luhsche muß daher ausgetrocknet werden. Dazu ist nun nichts geeigneter als altbackene Sem mel." Es fanden sich Gläubige und der Entde cker fand seine Rechnung. Während der Kur darf wenig oder gar nicht getrunken werden und das wenige Wasser wird dann noch von Schrot „gerich tet", wie er es nennte d. h. er nimmt ein Glas Wasser, bedeckt es mit seiner Hand, so daß das Wasser durch die Wärme Ler Hand selbst warm wird. Schrot sagt, daß es durch von ihm aus gehende Kraft electrisirt würde. Ist dann die Kur weiter vorgeschritten und Schrot mit seinen Patienten „am Rei n" d. h. km Reinen und die Luhsche ausgetrocknet, so erlaubt er andere Spei sen zu essen und das elektrische Wasser bei Seite zu lassen. Er verordnet dann früh ein Maaß Wein, Mittags ein Maaß Bier uud Abends ein Seidel (halbes schlesisches Quart) Liqueur. Der russische Fürst Ba ky glaubte sich von ihm hergestellt und machte ihm' ein sehr reiches Ge schenk von 3000 Fl. C.-M., Equipage, Pferde, Silbergeschirr, Meublement rc. Den Hergang dieser Geschichte theilt die Wiener Theaterzeitung wie folgt mit: „Wichtige Erfindung: die Liebe durch altbackene Semmel heilbar! Ein Herr, der so eben von Freywaldau kommt, erzählt uns folgende staunenswerthe Kur des Wun derdoktors Schrot. Zu diesem Manne, der neben bei gesagt, weder des Lesens noch des Schreibens kundig ist und seine Patienten blos durch Hunger zu kuriren sucht, kam vor einiger Zeit ein sehr reicher, hoch angesehener Gutsbesitzer, dem unglück liche Liebe das Leben überdrüssig machte. Ver gebens hatte erchereits die deutschen Bader bereist, um dort im Kursaal und am Spieltisch Zerstreu ung zu suchen und seine Schwermuth zu verspie len. Meister Schrot nahm ihn willig in die Kur und wies ihm fürs erste eine Kammer an, die nur mit,dem Dürftigsten versehen war und in die er ihn ohne Barmherzigkeit einsperrte. Acht Lage hielt es der reiche Mann in seinem Exil ge duldig aus und begnügte sich mit der ihm vorge- schrrebencn Diät, nämlich täglich nichts als zwei altbackene Semmeln zu essen. Endlich wurde Der Appetit dermaßen wolfsartig, daß er sogar seine Liede vergaß. Und so ward er denn durch die Einsicht geheilt, daß ihm noch gar viele Genüsse zu Gebote stehen, wenn auch sem Herzenswunsch nimmer in Erfüllung, gehen kann. Aus Freude schenkte der reiche Patient dem Semmel-Doktor 3000 Gulden und seitdem ist dessen europäischer Ruf begründet." — Schließlich bemerken wir noch, daß sich die Anzahl der Altbackensemmelgläubigea im Sommer auf 40' Individuen belief uuv gegen wärtig noch 12 zählt. Auch ist zu beachten, daß bei Priesnitz in diesem Jahre über 800 Kurgäste sich befanden, wovon über 350 di? Winterkur durchmachen, und daß unter Letzteren viele Eng länder sich befinden und u. A. die durch ihre Schriften vielberühmte Mistriß Trollope mit ih ren zwei Töchtern. Sie soll bereits eiu Werk über Freywaldau und Prießnitz verfaßt und nach England zum Druck gesandt haben. — Außerdem ist bemerkenswerth, daß Prießnitzens Tochter die Braut eines ungarischen Grafen sein soll. Unpolitisches Allerlei. Die großen Zeitungen leben fast jetzt nur noch von Wasser und Brot. Die Ueberschwem- mungen im südlichen Frankreich und die Korn- theuerung in Deutschland, das sind förmlich stehende Artikel geworden. — Hoffentlich wird bis dahin, wo das Wasser sich verlaufen und das Korn abgeschlagen ist, neuer Stoff sich gefunden haben. — Wir dagegen können unsern lieben Le sern auch noch einen Braten vorsetzen, u. z. von dem ersten. Hasen, der bei Dresden mit Schieß baumwolle geschossen worden ist. Der Balg aber mag ausgestopft werden, als der Erste, der daran hat glauben müssen. — Die geneigte Le serin dagegen wird sich mit dem lieben Caffee und Zucker etwas knapper, einzurichten haben, da in Cuba alle Pflanzungen von einem Orkan zerstört worden sind. Also siatt der üblichen 1L Bohnen zu 19 Tassen von nun an eine weniger. Im Dresdener Turnverein hat sich-vorigen Mo nat auf Antrag des wackeren Vcreinsmitgliedes Adv. Kell ein aus.150 Mitgliedern bestehender Feuerlöfch- und Retterverein gebildet, um beim Ausbruch von Feuersbrünsten thätige Hilfe zu lei sten. Der sächsische Staatsminister v. Zesch au, Er» cellenz, macht in Nr. 329 des Dresdner Anzeiger»