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257 wohnen, nicht auch die evangelischen Pfarrer vor dem Beginne der römisch-katholischen Trauung die Kirche verlassen sollten. Allein keiner der an wesenden Geistlichen, zwölf an der Zahl, konnte in der Theilnahme an einer katholischen Trauung -die geringste Gewissensbeschwerung finden. Im Gegentheile fürchtete man, -eine nicht durch die Nothwendigkeit gebotene Störung der ganzen Feier lichkeit zu veranlassen, wenn sie sofort nach der evangelischen Trauring die Kirche verließen. Mit diesem Ergebniß der Berathung trat man den Weg zur Kirche an, in welcher eine dichtgedrängte Menge der Trauung mit um so mehr Spannung entgegensah, als die Kunde von den vorausge, gangenen Unterhandlungen mit der römischen Geist lichkeit sich schon früher verbreitet hatte.' Nach Absingung eines Liedes hielt Pf. Kalb die Trau rede, welche von Allen, die sie gehört haben, als trefflich gerühmt wird. Die Ringe wurden ge wechselt, die Trauung vollzogen, einige Liederverse gesungen, der Segen gesprochen, und von jeder Behörde mußte nun das junge Paar als gültig verbunden angesehen werden. Doch nicht so Pater Hanke. Denn was that dieser jetzt, nachdem er während des evangelischen Schlußgesanges mit dem katholischen Kammerdiener des Grafen von Schönburg und den mitgebrachten Sängern in die Kirche getreten war und hinter dem Altäre seinen Platz genommen hatte? Er ließ ohne Unterbrechung einen katholischen Gesang anstimmen, schickte den Kammerdiener, einen Teller in der Hand, mit der Aufforderung an das neu vermählte Paar, ihm die Trauringe zu vehändigen, die nun im Angesichte der ganzen Versammlung, also auch der sämmtlichen anwesenden evangelischen Geistlichen, wieder von den Fingern gezogen wer den mußten, betrat dann unter dem Gesänge den . Altar, hielt eine in „allgemeinen Phrasen sich be wegende Traurede, welche aus dem Concepte theil- weis abgelesen warb", und in der auch nicht die geringste Beziehung auf die porausgegangene ge setzliche Trauung genommen war, wechselte die Ringe und sprach die bereits Getrauten noch ein mal ehelich zusammen.- Mit einem Worte, Pater Hanke that nicht, als sei die Trauung erfolgt und als hätte er die Getrauten nur einzusegnen, son dern vollzog die Trauung nach katholischem Ritus eben so, wie wenn ihm gesetzlich die erste Trauung zugestanden hätte. Wohl nun hätte man es den anwesenden Geistlichen der protestantischen Kirche verzeihen müssen, wenn sie bei den ersten Anzeichen dieses Gebührens die Kirche verlassen hätten; ja, es ist ihnen sogar vielfältig verargt worden, daß sie es nicht gethan haben. Allein würdiger Haden sie gehandelt, daß sie blieben, und daß insbeson- dere Pf. Kalb statt der allerdings verdjtWn äugen« blicklichen Entfernung Beschwerde btiHerü^hohen Kultusministerium geführt hat; würdiger-dettevan- gelischen Kirche und des IN ihr wohnenden Geistes der Liebe; würdiger der Handlung, um deren willen sie erschienen waren. Und so ist auch bald genug .von allen Besonneren geurtheilt worden; rnsbe- sondere aber hat Graf Alban mit tiefer Rührung den milden Geist der evangelischen Kirche -im Ge» gensatze zur römischen anerkannt und erklärt: „Nun wisse er, was man von der römischen Kirche zu erwarten habe; sie gebe in keinem Stücke auch nur einen Finger breit nach, wenn sie nicht müsse." Unpolitisches Allerlei. > Aus Mainz erhebt man bittere Klagen^ daß der Heuschreckenschwarm der Korn- und Oel- wucherer sich immer weiter Und bedrohlicher ver breite. So soll die alleinige Stadt Mainz 36Ü Speculanten, Zwischenhändler, Parthiekäufer, Dif ferenzspieler, Mäkler rc. in sich beherbergen , durch welche bereits die ganze heurige Ernte sowohl von Getraide, als von Oel, in säst allen Ortschaften^, des offenen Landes der Provinz Rheinhessen, Star kenburg und zum Theil auch Oberheffens entwe der definitiv aufgekaüft, oder doch, mit Liefer ungs-Bedingungen für den 15. Septbr.', 1. und und 15. Octbr., I. und 15 Novbr. d. I. rc., vollständig mit Beschlag belegt worden ist. Wir haben also, schreibt man, wenn die höchste Lan desregierung es nickt für nothwendig erachtet, alle diese wucherischen Ankäufe in den Scheuern der^ Producenten als ungesetzlich und polizeiwidrig, also für null und nichtig zu erklären, einen wahr haft schrecklichen Winter zu erwarten. Diese Maß regel aber würde nicht allein vollkommen gerecht,^ sondern auch viel Noth und Unglück verhindernd sein. Es könnte dabei nicht von Hemmung der Handelsfreiheit und des öffentlichen Verkehrs die Rede sein, sondern einzig und allein von Auf rechthaltung bestehender Gesetze, welche den Wu cher mit Lebensmitteln streng verbieten. Vor ohngefähr acht Tagen ist bei Frankfurt a. d. O. ein schreckliches Verbrechen verübt, aber leider noch nicht die Thäter desselben entdeckt wor den. Man hat im Felde eine Leiche ohne Kopf gefunden, welcher von dem einen Finger offenbar gewaltsam ein Ring abgerissen worden war. Da