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1922 Sonnabend, 23. Dezember Nr. 299 Der bayerische Faszismus Konsereuzen zwischen Hughes und Barnes Bon unserem Münchner Mitarbeiter. PixiS, der unter L München, 21. Dezember 1922. ES wäre verfehlt, den Lärm der national sozialistischen Agitation für den eigentlichen In halt der Bewegung zu nehme», die, nach dem Siege Mussolinis, zu Vergleichen mit dem ita. lienischen FasziSmus geradezu herausfordert. Die unter Führung Adolf Hitlers stehenden Scharen sind nur ein Faktor einer vielverzweigten Strömung, die mit den verschiedensten Mitteln ihren Zwecken näherzukommen sucht. Die deutsche Republik muß heute die Schwäche büßen, die sie, sowohl in ihrer Finanzpolitik wie auch in ihrer politischen Duldsamkeit gegenüber ihren Hauptseinden, gezeigt hat. Die falsche Finanzpolitik hat gerade diejenigen geschont, die heute, nachdem ungeheures Elend über die arbei tenden Massen, insbesondere aber über den so- genannten Mittelstand, gekommen ist, die Not der Massen gegen die Republik au-nühen. Dos zeigt sich besonders in Bayern, wo die von be stimmten Gruppen deS Schwerkapitals finanzierten Nationalsozialisten eS durch skrupellose Demagogie fertiggebracht haben, große Scharen des Klein bürgertums, der in große Bedrängnis geratenen kleinen Ladeninhaber und Handwerker mit ihrem Anhang an sich zu fesseln. Die Anregungen der amerikanischen Handelskammer. New Aork, 23. Dezember. «le der »New York Dime»" auS Washington gemeldet wird, war eS die Handelskammer der vereinigte» Staaten und nicht, wie eine Londoner Depesche mitteilte, eine dentfche HandclS- ko mmissiov, dir mit dem Plan Herl ortrat, daß «in Komitee amerikanischer Geschäftsleute bet der Lösung der RcparationSsrage Mitwirken solle, «»heißt, daß der Handelskammerpräsident varneS in den letzte» zehn Lagen mit HngheS konferierte, und VarneS sei eS gewesen, der Hughes jenen Pla« vorgelegt habe. von Staat und Selbstverwaltung, von Polizei und Reichswehr hineinsteckt. Mit der großen TageSpresse werden enge Der- bindungen ausrechterhalten. So mit den „Münchener Neuesten Nachrichten" durch de i Admiral Voller- schum und General Ludendorff, dessen ständige Ehrenwache früher vom »Bund Ober- land", jetzt von der Sturmabteilung Hitlers gestellt wird. Wenn man die Gedankengänge, die dieser nationalistischen Bewegung eigentümlich sind, näher untersucht, so findet man alle Geisteselemente der preußischen Militärkaste samt ihren bürgerlichen An hang. Man findet aber auch, d.rß die Erfahrungen und die Niederlage des Kapp-Puts l es nicht spurlos an diesen Kreisen vorübergeganzen sind. Heute wissen sie, daß der Erfolg eines solchen Unter nehmens nicht nur von militärischen Faktoren ab- hängt, sondern daß dazu die psychologische Grund lage in breiten Massen der Bevölkerung gehört. Zu diesem Zwecke wird der „mammonistisch- jüdische Geist der Republik" in Gegensatz gestellt zu dem „christlich-germanischen Kaiserreich", in dem es dem Volke viel besser gegangen ist. Gelegent lich wird der Föderalismus als Ideal hingestellt. Separistische Strömungen werden mit dem Hinter gedanken begünstigt, durch eine zeitweilige Trennung Die englisch-srauzöflschen Verhand lungen. Paris, 22. Dezember. Die Meldungen über die englisch-französischen Verhandlungen sind widerspruchsvoll. Die Wahr scheinlichkeit spricht dafür, daß ma > sich zwar vor der Pariser Konferenz auf keiner Seite auf eine bestimmte These fcst- legen will, den grgeilseitigen Standpunkt aber doch soweit in Ein lang zu bringen such», daß crsolgreiae Arbeiten von der Konferenz erwartet werden können. Der französische Botschafter i» London hat in Abwesenheit CurzonS mit dem Unterstaa ssekretär im Auswäriigen Amt lange über alle zur Verhandlung kommenden Fragen konferiert und wird nach Rückkehr Bonar L wr auS Glasgow vom englischen Premierminister empfangen. Die große Koalition der Kops- und Handarbeiter. Die Verhandlung,» über eine» Husam- me»fchl»ß des Allgemeinen Deut schen Gewerkscha ftSbuubeS und deS Allgemeinen Freie» Angestellte»- bu»deS mit dem Allgemeinen Deut sche» veamtenbund si«d in dtesrr Woche zu« Abschluß gekommen. Die freigewerk- schaftliche» «erbände werde» sich mit ihre» veamtenmitglieder» dr« Allgemeine» Dentsch',-, veamtenbn»d «»schließe». Der Allgemeine Deutsch« Beamtenbund ist bereit, den Zusammenschluß der noch vorhandenen Konkurrenzorganisationen auf der Grundlage der vom ADGB und Asa-Bund anerkannten Organi sationsformen zu fördern. Weiter hat der ADV die Berpflichiung übernommen, Neubildungen von Beamtenverbänden oder die Schaffung von Fach gruppen in angeschlossenen Verbänden weder vor- zunehmen noch zu begünstigen, wenn eine der dem ADB angeschlossenen Organisationen für diese- OrganisalionSgebiet zuständig ist. Der Zusammenschluß wird voraussichilich schon am 1. Januar endgültig werden. Die Beomten- zent alen des ADGB und des Afa-BundeS werden, zugunsten deS Beamtenbundes, aufgelöst. Der Abschluß des geplanten Kartellvrrtrages zwischen diesen drei Säulen der freien Gewerk schaftsbewegung steht unmittelbar bevor. Der Plan Karl Legien» ist damit zur Wirk lichkeit geworden: Die große Masse der deutschen Kops« und Handarbeiter st ht, in geschloffener Front, ihren Gegnern gegenüber. Der Zusammen schluß der Beamten de» Reiches, der Länder und der Gemeinden mit den sreie» Arbeitern und Angestellten ist Gewähr dafür, daß nunmehr auch in die Beamtenschaft der republikanische Geist ein- zieht, der unbedingt notwendig ist, um den Be stand der Republik zu sichern. Die Gegensätze, die früher zwischen Arbeiterschaft und Beamten tum bestanden, werde» schwinden. In gemein samer Arbeit werden sich diese beiden großen sitzung statt, die sich aber dem „V. T." zufolg» nicht mit dem Reparationsproblem beschäftigte. Der „Lokalanzeiger" und der „Vorwärts" wollen wissen, daß die deutschen Vorschläge erst nach den Weihnachtsfeiertagen fest gestellt werden können. Allerdings sei ma» laut „Lokalanzeiger" im Laufe des gestrigen Tage» einen guten Schritt vorwärt» gekommen, sodaß sich bereits ein bestimmter Plan erkennen lasse. Der „Vorwärts" will wissen, daß hauptsächlich darüber Differenzen bestünden, welche Summen angeboten werden sollen und welche Garantien zu leisten seien. Nach der „Deutschen TageSz-itung" sind die gewerkschaftlichen Spitzenorganisationen in den letzten Tagen unter sich zusammengetreten, um zu dem vom Reichskanzler vorgelegten Plan Stellung zu nehmen. Sie haben sich auf ei» ge meinsames Programm für die auf den 28. De zember in Aussicht genommene Besprechung ge einigt. gan sationen Anschluß fanden. So „Bayerische Ordnungsblock Füllung van vr. Tas el und Poineare verhandelt mit den deutschen Industriellen? Paris, 22. Dezember. Wie HavaS aus engli cher Quelle berichtet, hört man in Washington, in Paris seien Verhandlungen im Gange zwischen Poin- carä und gewissen deutschen Industriellen, welche die Möglichkeit zum Gegenstände hätten, sich in der ReparationSsrage an eine amerika- nsche Kommission zu »»enden. Im Staats departement werde von gewissen Persönlichkeiten diese Vehaoptnng entschieden bestritten. Andere erklärte», die Besprechungen seien noch nicht so weit gediehen, daß Verhandlungen möglich seien; und die Nachrichten, nach denen England sich in aller Form mit diesem Projekte einverstanden er klärt habe, seien falsch. der „Verband natioualgesinnter Sol daten", der „Gesamtv. rband nationaler Berufsverbände", „Deutscher Arbeiter- bund", der sich sogar ein eigene» Sekretariat für Lberbayern in München eingerich et hat; ferner der „Bund Bayern und Reich", der seinerseits wieder eine Sp tzenorganisation natio nalistischer Studenten Vereinigungen darstellt. Der „Bund Oberland" ist, infolge der Be- z ehungen sei er Führung zu dem kommunistischen Abgeordneten Graf, etwas in Verruf ge kommen. Die verschiedenen antisemitischen Ver eine, wie der „Hochschulrlng deutscher Art" und der „Deutschvölktsche Schutz- undTrntzbund", die„Thulegesellschast", die „Eddafreunde" gehören natürlich eben falls diesem Kreis an. Die meisten dieser Orga nisationen haben in Bayern überall Ortsgruppen, die sich in ähnlicher Weise zusammenschließen. Das Ganze bildet einen äußerst weit verzweigten, elastischen Apparat, der seine Wurzeln in alle Teile LeS Volkskörper», in alle amtlichen Stellen Feststellung der deutschen Vorschläge erst nach Weihnachten. Berlin, 23. Tezember. Bei der gestrigen Beiprechurg der Re chS- regierung mit den Parteiführern wurden die Ver- treter der Demokraten, des Zentrums und der Deutschen Bo kSpartei vom Reichsfinanzminister vr. Herme-, die ander.» Parlamentarier vom Reich-Minister d«S Äuß ren v. Rosenberg empfangen. Die Reichsminister machte:«' Mit teilung über ihre w iteren Pläne zur ReparatchnS- srage. I« Anschluß daran sand eine Kabinetts- bäuerischen Gegenrevolution durch die vermitt- lung ler Nationalsozialisten sich eine feste Ge folgschaft in weitere«: BcvölkerungSkreisen zu ver- schaffen verstanden hat. Noch vor kurzem war die Organisation Adolf Hitlers vollkommen selb ständig und stand zu den anderen nationalistischen Gruppen in einem gewissen Gegensatz. Da draufgängerische Wesen und die Putschgelüste der Nationalsozialist ev waren für diese Gruppen eine Gefahr. Der Aufschub der Aktion vom 11. No vember ist herbeigeführt worden durch die Ein gliederung der nationalsozialistischen Partei in die „Vereinigten vaterländischen Ver bände", die unter Führung deS Prof. vr. Bauer stehen. Die Vereinigung mit ihrem Organ „Heimatland", der ehemaligen En- wohnerwehrzeitung, stellt den eigentlichen Mittel punkt der Bewegung dar. Sie sind hervor- gegangen auS der Einwohnerwehr, deren Mit gliedschaft sich nach ter Auflösung stadtbezirkS- weise in sogen. „Vaterländische Bereini gungen" zusammenschloß. De „Vereinigten Vaterländischen Verbände" stellten die Spitzenorganisation dar, an die nach und nach alle ve«waubten Or republikanischen Zentralgrwalt und vor allem dem Staatsgerichlshof zu entgehen. Daher die große Erregung über die Verhaftung Ehrhardts. Er wird als ruhiger, um das Vaterland verdienter Bürger hingestellt, der sich unter den Schutz der bayerischen Regierung begeben hat. Trotz der haßerfüllten Gegnerschaft zum Par lamentarismus haben sich durch die Gründung de» „Völkischen RechiSblock" auch bereit» Be strebungen geltend gem.chl, Einfluß in den Par lamenten zu gewinnen, allerdings, wie fei» Führer, Oberst v. Lylander, erklär , um dar Parlament zu diskreditieren. Der „Llkische RechtSblock" steht übrigens durch eine Reihe von Persönlichkeiten in engster Fühlung mit den „Bereinigten Vaterländischen Verbänden". Die grundlegende Idee, von der die ganze Bewegung beherrscht wird, ist die Wiederauf richtung des preußisch-deutschen Militär- staateS. Diesem Zwecke dient der fortgesetzte Hinweis auf die Unfähigkeit der parlamentarischen R gierung-form und die Verelendung de» deut schen Volles, die auf den Versailler Beitrag und den „jüdischen Wucher" zurückgeführt wird. Nur eine nationale Diktatur sei imstande, Ordnung zu schaffen und vor allem die marxistisch jüdische Sozialdemokratie samt ihrem pazifistischen und bürgerlich demokratischen Anhang zu vernichten. Der nationale Gedanke soll über den inter- nationalen siegen, das seichte verwaschene Welt bürgertum einer „straffen nationalen Zucht" Platz machen. Die Gefahren der Bewegung für Demokratie und Republik liegen weniger in der Stärke ihrer Organisation, als in den weitreichenden, in ihren letzten Ausläufern gar nicht zu übersehenden Verbindungen, über die sie verfügt. Da- Gan e ist so eingeteilt, daß eS automatisch jeder Parole folgt, die in bei« führenden Organen aus gesprochen werden. Die Geifiesver,affung weiter Kreise der Volke» «nacht sie sür den nationali stischen Wunderglauben empfänglich. Die Gegenwirkung liegt bei einer starken republikanischen Zentralgrwalt, die zunächst ein mal alle GesetzeSüderschreitungen von nationalistisch- reaktionärer S.ite zur gerichtlichen Ahndung bringt, besonders aber, durch energis ue» Vorgehen gegen daS Monopol der agrarischen und indu striellen Rohfloffmonopolisten, Bertrauen für die Republik erwirbt. Keine Besetzung des Ruhrgebietes im Januar. Paris, 23. Dezember. Rach einer hier vorliegenden New Korker Meldung hat die französische Regierung das a«erika tfche Staatsdepartement davon ver ständigt, Frankreich bereite keinerlei P »ne vor, die ans «ine Besetzung der Ruhr im Januar ob- zielen, Fraiikrrich werde auch leine praktischen Vorschläge in der Reparationsfroge auSarbeiten, solange die Verhandlungen der alliierten Rintstrrpräsidcnten nicht abgeschlossen seien. Die Glitsche» Sachlicferuugeu dar der Retzaratisnsksmmisfion. Paris, 23. Dezember. Lie ReparationSkommissio« hat gestern über die drntschen Sachleistungen für das Jahr 1V22 beraten, um festznstellen, inwieweit Deutschland feinen Verpflichtungen nachgekommcn ist. Be kanntlich hatte Deutschland sür dieses fetzt zu Ende gehende Jahr Sachleistungen im Werte von Rill. Goldmark zn liefern. Ob und welche Befchtüffe in dieser Sitzung gefaßt worden sind, wird nicht bekanntgegeben. vi verlautet nur soviel, die ReparationSlommission habe fest- gestellt, daß jeder Staat, der nicht in vollem Umfang befriedigt worden fei, daS Recht habe, die nicht auSgeführte» Ltese- rnnge« biS zum S1. Dezember d. I. nachznsordern. Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, Synodal-Beilage, Ziehungslisten der Verwaltung der Staatsschulden und der Landeskulturrentenbank, Jahresbericht und Rechnungsabschluß der LandeS-Brandversicherung-anstalt, BerkaufSliste von Hol-pflanzen auf den StaatSforstrevierem Verantwortlich für die Redaktion: Hauptschriftleiter Bernhard JolleS in Dresden. V Meissen V Voi»nskrmstss k»or«2sUsn fUr» rlsn Zpoisv- unö Kakksstisoti — Kunst wsnks von Waltnuk — Oinsktsr» Vsnksuk sn k^nivsts V V —- . .. , —- — . SächsischeStaalZzeüung Staatsaryeiger für den Zreistaat Sachsen Erscheint Werktag» nachmittag» mit dem Datum de»Erscheinung»ta-e», Bezug»pret»: Monatlich 450 Mark. 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