Volltext Seite (XML)
zog die Umgestaltung inhaltlich auf die Ge dankengänge der Ode „Les Preludes'' aus den „Meditations poetiques" des französischen Dichters Alphonse de Lamartine (1790—1869). Von dem Werk, das am 23. Februar 1854 unter der Leitung des Komponisten im Weimarer Hof theater uraufgeführt wurde, entstanden im Verlauf des Entstehungsprozesses vier Fassun gen. Die sinfonische Dichtung „Les Preludes" ist, obwohl ihr in der Mehrzahl stehender Titel „Vorspiele" verheißt, ein einsätziges Orche sterwerk, über das der ungarische Musikwis senschaftler Zoltän Gärdonyi schrieb: „Zur Erklärung des Inhalts verwendete Liszt nach träglich eine umfangreiche .Meditation' La- martines. Dieses Gedicht enthält eine eigen artige Betrachtung des Menschenlebens. ,Was ist unser Leben anders als eine Reihenfolge von Präludien zu jenem unbekannten Gesang, dessen erste und feierliche Note der Tod an stimmt?' — heißt es in Liszts Erläuterung zu seiner Komposition. Aber das Werk ist alles andere als ein Vorspiel zum Tode. Es schildert das wechselvolle Leben eines heroischen Men sehen und schließt sieghaft triumphierend. Nach einer tastenden langsamen Einleitung er klingt das Hauptthema zuerst in pathetisch feierlichem Ton. Dieses heroische Thema nimmt dann eine weichere, sehnsuchtsvolle Gestalt an. Ein selig wogendes Thema erzählt von schwär merischen Liebesträumen. Nach Abschluß die ses lyrisch-schwelgerischen Teils entwickelt sich eine leidenschaftlich kämpferische, stürmisch bewegte Durchführung mit einem energischen Fanfarenmotiv, das aus dem heldischen Haupt thema gebildet ist. Der Mittelteil ist ein Al- legretto pastorale mit einem lieblichen Thema, das der Freude des Menschen an der Natur Ausdruck gibt. Im glanzvollen, triumphalen Schlußteil der .Preludes' erfahren die beiden Hauptthemen, das energische Heldenthema und das lyrische Liebesthema, eine marsch artige Umformung ins Sieghafte. Immer strah lender wird der großartige Melodienstrom, bis das Werk mit dem heroischen Fanfarenthema schließt, mit dem es auch begann." Des 23jährigen Sergej Prokofjews Londoner Begegnung mit dem Ballett-Impre sario Diaghilew, seinem „Russischen Ballett" und Strawinskys „Feuervogel", „Petruschka" und „Frühlingsopfer" löste den Plan aus, ein Ballett nach einem Sujet aus der russischen Sagenwelt oder aus urgeschichtlicher Zeit zu schreiben. Nach Petersburg zurückgekehrt, begann er sofort, mit dem Schriftsteller Goro- oeizki ein Ballettlibretto nach Motiven aus der russischen Vorgeschichte, der Zeit der Skythen, zu erarbeiten. „Es drängte mich, etwas Grö ßeres zu schaffen. Strawinskys ,Sacre du Prin- temps' (Frühlingsopfer) hatte ich schon im Konzert gehört, aber nicht verstanden. Es war leicht möglich, daß ich ähnliches auf meine Art suchte", heißt es in Prokofjews autobiogra phischen Aufzeichnungen. Folgende Grundzü ge der Balletthandlung kristallisierten sich im Arbeitsprozeß heraus: Der Sonnengott Weles und der hölzerne Götze Ala sind die mächti gen, angebeteten Lieblingsgötter der Skythen. Eines Nachts versucht der schlaue Tschushbog, von den dunklen Mächten des Bösen unter stützt, die Statue Alas zu stehlen. Doch nur in der Dunkelheit läßt sich sein böses Werk vollenden — Licht zerstört die Zauberkraft der bösen Mächte. Der junge Krieger Lolli, der den Diebstahl bemerkt, eilt zur Rettung Alas herbei. Im Zweikampf mit dem Dieb gerät er in Lebensgefahr. Rechtzeitig erscheint jedoch Weles im blendenden Sonnenglanz. Die Strah len der aufgehenden Sonne töten den bösen Tschushbog. Diaghilew gefielen weder diese Handlung, die deutlich das archaisch-mythische Vorbild von Strawinskys Ballett „Frühlingsopfer" erkennen ließ, noch die bereits im Herbst 1914 vorlie gende Klavierskizze der Musik. Er forderte ein anderes Werk aus der Feder des Kompo nisten, das dieser mit dem Ballett „Le Chout" nach einem russischen Märchen lieferte. Wäh rend der Arbeit an diesem Stück sah Prokofjew im Sommer 1915 die Musik zu „Ala und Lolli" durch und fand sie wertvoll genug, sie nicht im Schreibtisch verschwinden zu lassen. . . Es gelang mir, die Musik so zusammenzustellen, daß daraus die viersätzige .Skythische Suite' wurde, deren Handlungsablauf der gleiche war wie in dem nicht zustandegekom menen Ballett. Die Instrumentierung beherrsch te ich bereits in genügendem Maße, um mich an ein großes Orchester zu wagen und meinen Ideen musikalische Gestalt zu verleihen . . .", lesen wir in Prokofjews Autobiographie. Die „Skythische Suite" wurde die erste groß angelegte Komposition des jungen Komponi sten, in der er mit brillanter Technik und far benreicher Klangpalette einen riesigen Orche sterapparat (u. a. acht Hörner, fünf Trompe ten, verstärkte Holzbläser, Kesselpauke, Kla vier, Celesta, Harfe und ein reich bestücktes Schlagwerk) zum Einsatz brachte. Die künstle rische Kraft und Originalität der Partitur, vor