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ZUR EINFÜHRUNG Zu Anton in Dvoraks bedeutendsten Or chesterschöpfungen gehören zweifellos auch die Sinfonischen Variationen über ein Originalthema op. 78, die in deutschen Konzertsälen bisher — unge rechtfertigterweise — nicht die ihnen gebüh rende Beachtung gefunden haben. Das 1877 entstandene Werk, sein 38. eigentlich, lief in Dvoraks Zählung als op. 40, erschien jedoch als op. 78. Uraufgeführt wurde es am 2. De zember 1877 in Prag unter Ludevit Prochäzka, blieb danach zehn Jahre unaufgeführt, bis ihm der berühmte Dirigent Hans Richter 1878 in London zu einem außerordentlichen Erfolg ver- half. Der Dirigent schrieb am 17. Mai 1878 an den Komponisten: „Ich bin ganz glücklich über den riesigen Erfolg Ihrer Sinfonischen Varia tionen. Ein so durchschlagender unbestrittener Erfolg einer Novität ist mir in den hunderten von Concerten, die ich schon dirigierte, noch nicht vorgekommen . .Und Brahms über reichte Dvorak im Jahre 1892 in Wien als An erkennung für die Komposition eine „wunder schöne Cigarrenspitze". Selbst Toscanini nahm das Werk in sein Repertoire auf. Das den Sinfonischen Variationen zugrunde liegende Originalthema, das in seiner schlich ten Chromatik an die Entstehungszeit des „Stabat mater" Dvoraks erinnert, entstammt dem Männerchor „Ja jsem huslär" („Ich bin ein Fiedler") aus der Sammlung „Sieben Män nerchöre". Das Thema, dessen auffallendstes Merkmal die unregelmäßige (siebentaktige) Periodizität ist, wird mit außergewöhnlichen Figurations-, Imitations- und Instrumentations künsten von Dvorak in 28 stimmungsmäßig wechselnden Variationen mannigfaltig und stets mit tschechischem Gefühlsgehalt abge wandelt. Der wirkungsvolle, meisterhafte Bau plan des gesamten Variationenzyklus zeigt die Spannweite von Dvoraks schöpferischer Phan tasie. Der Ausdruckscharakter der einzelnen Variationen ist bald von sprühendem Humor erfüllt, bald ernst-nachdenklich, tänzerisch be wegt, feierlich-andächtig, bald grotesk. Die Variationen beginnen zunächst mit einer Wie derholung des Themas, dessen Ausdruck dann durch kontrapunktische Begleitstimmen verän dert wird. Von der vierten Variation an ent fernt sich der Komponist mehr und mehr vom melodischen und rhythmischen Gepräge des Themas, erhalten bleiben lediglich die Grund tonart C-Dur und der ursprüngliche ^-Rhyth mus. Von der 17. Variation ab wechselt der dreizeitige mit dem zweizeitigen Rhythmus. Von der 18. Variation an werden auch andere Tonarten aufgesucht, während die vorletzte tonartlich und auch thematisch wieder zum Ausgangspunkt zurückkehrt. Das originale The ma wird dann in der letzten Variation breit ausgesponnen. Diese Schlußvariation, ein leb haftes, frisches Fugato, ist der Höhepunkt und betont auch den tschechischen National charakter des Werkes am stärksten, denn im zweiten Teil der Variation erklingen plötz lich die Anfangstöne einer munteren tschechi schen Polka und erzeugen eine fröhliche Stim mung. Die Schlußvariation endet mit einer kurzen Stretta von übermütig-froher Laune. Wolfgang Amadeus Mozarts jugend lich-anmutige Violinkonzerte stammen aus frü her Zeit, als er sich noch selbst als Geiger betä tigte. Italienische und französische Einflüsse sind darin verarbeitet. Das dritte Violinkonzert G - Du r K V 21 6 entstand am 12. September 1775 in Salzburg. Das breit angelegte Anfangs- tutti des ersten Satzes bringt in Sonatensatz form alle sinfonischen Themengruppen, die dann im folgenden Solo teils thematisch, teils vermit tels neuer Episoden weitergeführt werden. Ge fühlvoll innig, ja schwärmerisch strömt das emp findsame Adagio, „die süße Träumerei, in der der Solist am Schluß nochmals die Augen auf schlägt und dem holden Traumbild seinen Schei degruß nachruft" (H. Abert). In das lockere, leichtflüssig-galante Schlußrondo fügte Mozart nach französischem Brauch ein Couplet in fremder Ton- und Taktart ein; ein Andante Mi- nore (Moll) mit nachfolgendem Allegretto Mag giore (Dur), in dem die Solo-Violine über lie genbleibendem „Musette"-Ton eine volksliedar tige Weise anstimmt. Das Orchester hat in die sem Werk gegenüber den beiden vorausgegan genen Violinkonzerten Mozarts bereits stärke ren Anteil an der thematischen Gedankenent faltung und Formgestaltung. Franz Liszts bekannteste sinfonische Dich tung „Les Preludes" hat eine längere Entstehungsgeschichte. Das Werk wurde zu nächst im Jahre 1848 für Marseille als Ouver türe abgefaßt, und zwar als Einleitung zu dem Chorwerk „Les quatre Elements", das aus vier Männerchören auf Gedichte von Joseph Autran bestand. Einige Jahre später bearbeitete Liszt die Ouvertüre als sinfonische Dichtung und be-