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ZUR EINFÜHRUNG „Der junge Mozart" ist die geheime Überschrift unseres heutigen Konzertes, das Kompositionen des Zehn- bis Sechzehnjähri gen, erstaunliche Produkte des frühreifen Ge nies, präsentiert, die größtenteils keinen Ein gang in das Repertoire der Orchester gefun den haben. Besetzungsschwierigkeiten im sän gerischen Bereich verhinderten zwar die ur sprünglich geplante (und bereits angekündig te) Vorstellung des ersten musikdramatischen Werkes des elfjährigen Mozarts, seines geist lichen Singspiels „Die Schuldigkeit des ersten Gebotes", doch bietet die nun zur Realisie rung gelangende Programmkonzeption mehr als nur Ersatz, gewährt sie doch Einblick in früheste Entwicklungsstadien mehrerer für Mo zart typischer Gattungen, nämlich von Sinfo nie, Klavierkonzert und Divertimento (bzw. Se renade). Außerdem wird mit einem Quodlibet (Galimathias musicum) ein ganz bezeichnen der Wesenszug Mozarts berührt — sein Hu mor. „Wunder der Natur" war jenes Konzert am 21. Februar 1765 in London benannt, in dem die Wiedergabe „sämtlicher Ouvertüren", die das Wunderkind Mozart bis dahin komponiert hatte, darunter die (noch dreisätzige) 1. Sin fonie Es-Dur (komponiert um die Jahreswen de 1764/65, KV 16), angekündigt war. Allein 38 Werke umfaßt die Periode seiner Jugend sinfonien bis 1774. Als er 1788 mit der Jupiter- Sinfonie seine letzte Sinfonie schrieb, hatte er beinahe ein halbes Hundert derartiger Werke geschaffen. Die unser Konzert einleitende Sinfonie F-Dur KV 112, während der zweiten Italienreise am 2. November 1771 in Mailand komponiert, ist schon die drei zehnte. Hatte der Knabe während seines Aufenthaltes in London 1764/65 Unterricht von Johann Chri stian Bach empfangen, war hier auch von Carl Friedrich Abel beeindruckt worden, so er fuhr seine sinfonische Gestaltungskunst Ende der sechziger Jahre durch Salzburger und Wie ner Einflüsse (Michael und Joseph Haydn, Ge org Reutter d. J., Matthias Monn, Florian Leo pold Gaßmann, Georg Christoph Wagenseil, Johann Joseph Fux u. a.) eine Bereicherung. Die Sinfonien dieses Zeitabschnittes weisen bereits die viersätzige Form (mit Menuett) auf. Wichtig wurden für den jungen Komponisten auch seine drei Italienreisen (Dezember 1769 bis März 1771, August bis Dezember 1771, Ok tober 1772 bis März 1773), auf denen ihm aufgrund seiner aufsehenerregenden Leistun gen hohe Auszeichnungen zuteil wurden (Ver leihung des päpstlichen Ordens vom Golde nen Sporn, Aufnahme als Komponist in die be rühmte Accademia filarmonica in Bologna) und er wertvolle künstlerische Beziehungen an knüpfen konnte, vor allem mit Giovanni Batti- sta Sammartini, der auf dem Gebiet der sin fonischen Musik Italiens bahnbrechend wirkte, und dem hochgelehrten Padre Martini. Der Ausbau der Sonatensatzform (Durchführung, Reprise und Coda), die Intensivierung der kontrapunktischen Arbeit, der durch die hoch- entwickelte italienische Gesangskunst geweck te Sinn für kantable Melodiegestaltung — das alles waren Fortschritte, die sich in den zwischen 1770 und 1774 teils in Italien, teils in Salzburg entstandenen Sinfonien ausprägten. Für die F-Dur-Sinfonie KV 112 des fünfzehn jährigen Mozart sind allerdings deutsche Ein flüsse gegenüber verhältnismäßig wenigen Zu geständnissen an den italienischen Geschmack in Thematik und Orchestration vorherrschend. Für den zweiten Satz wird in der Mozart-Lite ratur sowohl an eine Opern-Kavatine gedacht als auch an das Vorbild von Johann Stamitz, während für das Finale Anregungen Johann Christian Bachs namhaft gemacht werden. Ob das Menuett, das nur in der Handschrift von Mozarts Vater Leopold erhalten ist, auch in der Komposition von diesem stammt und mög licherweise erst nachträglich in die Sinfonie eingefügt wurde, ist nicht auszuschließen. Im Juli 1767 entstand in Salzburg das Konzert für Klavier und Orchester D-Dur KV 40 als Be standteil einer Gruppe von vier Werken, die alle im Frühsommer dieses Jahres komponiert wurden und nach neuesten Forschungen als die ersten Versuche des Komponisten auf die sem Schaffensgebiet, als seine erste Ausein andersetzung mit der Konzertform überhaupt zu gelten haben, wohingegen die bisher die sen Status einnehmenden drei Konzerte KV 107 nach Klaviersonaten von Johann Christian Bach wahrscheinlich nicht vor Jahresende 1770 zu datieren sind. Verständlich, daß Vater Leo pold seinem elfjährigen Sohn dabei behilflich