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kunst Potsdam-Babelsberg, seit 1964 - nach dem schöpferischen Durchbruch mit seinem 1. Violinkonzert in Dresden - als freischaffen der Komponist. Robert Schumanns aus der Düssel dorfer Zeit stammendes, im Oktober 1850 voll endetes Violoncellokonzert a-Moll op. 129 ge hört neben Dvoräks Konzert für das gleiche Instrument zu den schönsten des 19. Jahrhun derts, Bereits Ende des Jahrhunderts erschien eine Transkription des Werkes für Violine und Orchester von fremder Hand. Aber we der in den Haushaltsbüchern Schumanns noch in der Literatur findet sich ein Hinweis dar auf, daß der Komponist selbst eine Violin- Fassung seines Cellokonzerts besorgt hat. Im Januar 1987 entdeckte der Karlsruher Musikwissenschaftler Joachim Dra- heim im Nachlaß von Joseph Joachim in der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek eine solche Bearbeitung. Eine autographe Notiz auf dem größtenteils von einem Kopi sten geschriebenen Manuskript der Viol in stimme weist darauf hin, daß der Komponist diese Alternativfassung autorisiert und sogar eine Publikation beabsichtigt hat („Dies Con- cert ist auch für Violine transkribiert erschie nen"). Die mit sehr viel Einfühlung und Treue gegenüber dem Original erstellte Bearbei tung, die den Orchesterpart vollkommen un angetastet läßt, beschränkt sich aber nicht auf eine Transposition des Soloparts um eine Ok tave, sondern weist vor allem in der Kadenz des dritten Satzes substantiellere Eingriffe auf, die das Werk den Möglichkeiten der Vio line anpaßt. Der Form nach ist es ein zusammenhängen des Konzertwerk, dessen drei Sätze unmittel bar ineinander übergehen. Das virtuose Ele ment, obschon — vor allem im dritten Satz — vorhanden, tritt hinter dem eigentlichen mu sikalischen Ausdruck zurück. Neue Hoffnun gen, Beglückung über wiedergewonnene Schaffenskraft sprechen aus der echt roman tischen, elegisch-kantablen Partitur. Nach kur zer viertaktiger Orchestereinleitung stellt das Soloinstrument, begleitet von Achtelfiguren des Streichquartetts, das schwärmerische Hauptthema des ersten Satzes (Nicht zu schnell) vor. Das Orchester bringt sodann ei nen kraftvolleren, vorwärtsdrängenden Ge danken ins Spiel, und das Seitenthema er zeugt eine heitere, beschwingte Atmosphäre. In der Durchführung herrscht das Hauptthe ma vor, das auch den strahlenden Satzschluß bestimmt. Eine ausdrucksvolle Romanzenmelodie trägt das Soloinstrument zu Beginn des kurzen langsamen zweiten Satzes vor. In einem kon trastierenden lebhaften Abschnitt stimmen die Bläser wie aus der Ferne die vier ersten Takte vom Hauptthema des ersten Satzes an. Ein Rezitativ des Solisten leitet in den rhyth misch bewegten, schwungvollen dritten Satz (Sehr lebhaft) über. Während das frische und spritzige Hauptthema vom Orchester einge führt wird, erklingt das gesangvollere zweite Thema im Wechselspiel von Soloinstrument und Holzbläsern. Die Durchführung arbeitet vor allem mit dem Hauptthema. Horn und Klarinette bringen eine Reminiszenz an das Hauptthema des ersten Satzes. Eine Kadenz des Solisten führt zur Reprise und zum brillan ten, wirkungsvollen Ausklang des Stückes. Die Umarbeitung des Cellokonzertes zum Vio linkonzert stellt eine der letzten Niederschrif ten Schumanns vor seiner Einweisung in die Anstalt von Endenich dar. Er wollte damit zu Beginn des Jahres 1854 offensichtlich zwei Mißerfolgserlebnisse überwinden. Zum einen hatte er mit dem Cellokonzert kein Glück ge habt, der vorgesehene Solist kapitulierte vor den Anforderungen insbesondere des dritten Satzes (die Uraufführung erfolgte erst 1860, vier Jahre nach dem Tode des Komponisten mit Klavierbegleitung innerhalb eines Leipzi ger Konservatoriumskonzertes), zum anderen war in seinen Beziehungen zu dem Geiger Jo seph Joachim, der zwar die 1853 entstandene „Phantasie für Violine mit Begleitung des Or chesters" zur Uraufführung gebracht, jedoch das im Herbst desselben Jahres geschriebene d-Moll-Violinkonzert als Verfallsprodukt abge lehnt hatte, eine Trübung eingetreten, die er durch die Transkription des erfolglosen Cel lokonzertes für die Violine, auf der auch die virtuosen Partien des dritten Satzes besser zur Geltung kommen würden und mit der er das Repertoire des von ihm hochgeschätzten jun gen Geigers durch ein eigenes — von Joachim akzeptiertes — Konzert bereichern wollte, zu überwinden suchte. Doch Joachim spielte die Violin-Fassung des Cellokonzertes nicht, die erst Saschko Gawriloff, der Solist unseres heu tigen Abends, am 29. November 1987 in der Kölner Philharmonie zur erfolgreichen Urauf führung brachte und seitdem in vielen Städten des In- und Auslandes dargeboten hat. Bei Breitkopf & Härtel in Wiesbaden ist sie im Druck erschienen.