Volltext Seite (XML)
Ludwigvan Beethovens 8. Sinfonie F-Durop, 93 folgte unmittel bar auf die 7. Sinfonie. Das Werk entstand während eines Kuraufenthaltes in den böhmischen Bädern im Sommer 1812 und wurde nach einer handschriftlichen Bemerkung des Meisters auf der Partitur („Sinfonia Lintz in Monath October 1912") in Linz, wo er nach der Kur für einige Wochen seinen Bruder Johann besuchte, vollendet. Die erste Aufführung fand in einem eigenen Konzert Beet hovens am 27. Februar 1914 in Wien statt, zusammen mit der „Siebenten“ und der Programmsinfonie „Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria". Bei den Zeitgenossen fand die „Achte” zunächst wenig Anklang. „Das Werk machte keine Furore", hieß es in einer kritischen Stimme nach der Uraufführung. Beethoven zeigte sich darüber recht verärgert, er meinte, seine „Kleine Sinfonie" (so nannte er sie im Vergleich mit der „Großen" A-Dur-Sinfonie) habe den Hörern wohl deshalb nicht gefallen, „eben weil sie viel besser ist". Der Grund für diesen Mangel an Verständnis (genaugenommen steht ja die achte, ebenso wie die vierte Sinfonie, auch heute noch ein wenig im Schatten ihrer berühmten Geschwisterwerke) lag nicht etwa in der besonderen Schwierigkeit des Werkes. Im Gegenteil, man hatte wohl nach den vorangegangenen Schöpfungen neue Steige rungen erwartet und war nun enttäuscht durch eine scheinbare Zurückwendung auf Vergangenes (Anklänge an frühere Werke, Anwendungen an sinfonischen Prinzipien Haydns), die aber hier durchaus keinen Rückschritt, sondern eher einen Rückblick von einer höheren Stufe aus darstellte. Heitere Scherzhaftigkeit, be schauliche Behaglichkeit, launiger Humor, kraftvolle Lebensbejahung und aus gelassene Freude charakterisieren das formal bemerkenswert geschlossene Werk, in dem, wie auch schon in der 7. Sinfonie, wieder dem rhythmischen Element eine große Bedeutung zukommt. Der ohne Einleitung sogleich mit dem frischen, klar gegliederten Hauptthemo beginnende 1. Satz (Allegro vivace e con brio) ist voller schalkhafter Einfälle und kontrapunktischer Neckereien. Er steigert sich nach fröhlich-tumultüarischen Kämpfen bis zum gewaltigen Freudenausbruch der Coda, endet dann aber sehr graziös mit dem noch einmal leise aufklingenden Kopfmotiv des fröhlichen, tänzerischen Anfangsthemas. Auf einen langsamen Satz verzichtend, schrieb Beethoven als 2. Satz ein bezau bernd anmutiges, leicht dahintändelndes Allegretto scherzando. Als Thema liegt diesem Satz ein Kanon zugrunde, den der Meister in heiterer Laune dem Erfin der des Metronoms, Johann Nepomuk Mälzel, gewidmet hatte; die Sechzehntei akkorde der Bläser zu Beginn, die gleichsam das Ticken des mechanischen Zeitmessers nachahmen, bestimmen die Bewegung des reizenden, scherzhaften Satzes. Der 3. Satz (Tempo di Menuetto) erinnert an einen' derbkräftigen Volkstanz, im Trio erklingt über Stakkato-Triolen der Violoncelli in Hörnern und Klarinetten eine einschmeichelnde, ländlerartige Melodie. Das Finale, der weitaus umfangreichste Satz, in freier Rondoform gehalten, stellt den eigentlichen Höhepunkt des Werkes dar. übermütige Laune, „grimmiger" Humor äußern sich hier in mancherlei drastischen Einfällen, — so gleich zu Anfang in dem (auch später wiederkehrenden) überraschenden, dynamisch stark betonten tonartfremden Cis, nach dem zuerst im Pianissimo im schnellsten Zeitmaß vor überhuschenden F-Dur-Rondothema, das dann im Fortissimo-Tutti gebracht wird. Das kontrastierende zweite Thema erklingt als lyrische Kantilene der Violinen. Mit größter kontrapunktischer Meisterschaft und bewundernswerter Erfindungs gabe, immer neuen geistvollen Wendungen und Kombinationen bei der Wieder holung der Themen ist dieser Satz, der trotz des dominierenden Humors auch ernstere Gegenströmungen, schroffe Einwürfe aufweist, gestaltet. Durch einen jubelnden, wirbelnden Freudentanz wird das Finale abgeschlossen. Carl Orff, eine der bedeutendsten, anregendsten Persönlichkeiten des zeit genössischen Musiktheaters, hat mit „Carmina burana", die am 8. Juni 1937 im Opernhaus Frankfurt/M. ungemein erfolgreich uraufgeführt wurden, einen wahren Welterfolg errungen. Schlagartig wurde der 42jährige Komponist durch dieses Werk bekannt, das er weder als Oper, Kantate noch als Oratorium bezeichnete, obwohl es mit seiner 25 geschlossene Nummern umfassenden Anlage mehr zur letzteren Gattung tendiert. Die Texte stellte Orff aus der anonymen Liederhandschrift „Carmina burana" (= Beurenische Lieder) zu sammen, die um 1280 im oberbayrischen Kloster Benediktbeuren niederge schrieben wurde und heute in der Bayrischen Staatsbibliothek München ver wahrt wird. Hierbei handelt es sich um mittelalterliche Studentenlieder, moralisch-satirische Natur-, Trink- und Liebeslieder in lateinischer, mittelhoch deutscher und altfranzösischer Sprache, um mittelalterliche christlich-heidnische Lyrik der sogenannten fahrenden Gesellen, um derbe Sauf- und Vaganten poesie also, die aber auch von der sublimen Sprache des höfischen Minne gesangs beeinflußt wurde. Die Auswahl, die Orff aus diesen Dichtungen traf, ordnete er in die drei Teile „Versis leta facies“ (Frühling), „In taberna" (Schenke), „Amor volat undique" (Liebe), d. h. die Begegnung des Menschen mit der Natur, ihren sich im Wein offenbarenden Gaben und mit der Liebe. Am Anfang und Schluß des Stückes steht ein Chor, der die Göttin Fortuna anruft. Das Schicksalsrad der Fortuna ist „das Gleichnis für das Auf und Ab des menschlichen Lebens". Neben dem trotzigen Aufbegehren gegen Schick salsmächte ist der vorherrschende Grundzug des Werkes die Bejahung des Diesseitigen, der Schönheit, der Freude und Genüsse dieser Welt. Einfache strophische Formen des Volksliedes und Volkstanzes, eine lapidare, einprägsame Melodik, eine vitale, suggestiv-erregende Rhythmik sowie diato nische Harmonik sind zu einem höchst wirkungsvollen Ganzen verbunden. Im Solo- und Chorsatz herrscht das deklamatorische Prinzip, typisch auch ist der weitgehend auf Bläser;- und Schlagzeugwirkungen (einschließlich des stäh lernen Martellatoklanges zweier Klaviere) gestellte Klangapparat.