Volltext Seite (XML)
„Schade," siel hier einer det jungen Englän der ein, „daß Ihre Abreise so nahe bevorsteht, lieber Vetter; wir hätten Ihnen sonst eine solche Jagdparthie anbieten können." „Wohl wahr!" war Beuzevals Antwort, „und wenn man nicht eben zu lange warten dürste, würde ich meine Abreise noch- verzögern." „Dies trifft eben zu gelegener Zeit," antwortete Ersterer; „denn gerade gegenwärtig haust 3 Mei len weit von hier in einem Sumpfe, welcher sich längs dem Gebirge auf der Seite von Surato hinzieht, ein Tigerweibchen mit seinen Jungen. Einige Indianer, welchen dieses Thier mehrere Schafe raubte, haben uns erst gestern hiervon Nach richt gegeben; wir waren Willens abzuwarten, bis die Jungen erst herangewachsen wären, um eine förmliche Jagd gegen sie zu veranstalten, da sich uns aber eine jo günstige Gelegenheit darbietet, Ihnen gefällig zu sein, so wollen wir den Zug um die 14 Tage beschleunigen." „Sehr verbunden," entgegnete Beuzeval, sich verneigend; „ist cs aber auch gewiß, daß der Ti ger da sich befindet, wo man ihn vermuthet?" „Kein Zweifel mehr deshalb." „Und weiß man genau, wo sich sein Versteck befindet?" ' „Dieß kann man leicht wahrnehmen, wenn man einen in der Nähe des Sumpfes gelegenen Felsen besteigt, seine Fährte verräth sich weit hin durch gebogenes Schilf und führt zu einem gemeinsamen Mittelpunkte, wie die Strahlen eines Sternes." „Wohlan!" rief der Graf, sein Glas füllend und sich erhebend, als wolle er eine Gesundheit ausbnngen: „auf das Wohl desjenigen, der dem Tigerweibchen entgegen zieht, und es mitten im Schilfe, zwischen, seinen Jungen, allein, zu Fuß und ohne eine andere Waffe, als diesen Dolch hier, erlegt!" — Bei diesen Worten zog er aus der Leibbinde eines Sklaven einen malayischen Dolch hervor, und warf ihn auf den Lisch hin. „Sind Sie von Sinnen?" — sprach einer der Tischgenossrn. „Nein, meine Herren, ich bin nicht von Sin nen," antwortete der Graf, mit tiefer, bitterer Verachtung „und dieß zu beweisen wiederholte ich meinen Toast, Hören Sie mich also wohl an, damit derjenige, der'ihn annehmen möchte, wohl wisse, zu was er. sich verpflichtet;" und das Glas .ausleerend,' fügte er hinzu: — „auf das Wohl desjenigen, der dem Tigerweibchen entgegenzieht, und es mitten im Schilfe, zwischen seinen Jun gen, allein zu Fuß und chne eine andre Waffe, als diesen Dolch hier erlegt!" — Tiefes Stillschweigen folgte auf diese kühne Her ausforderung, und während die kurz zuvor so über- müthigen und kecken Herren ihre Augen beschämt zu Boden schlugen, starrte sie der Graf sämmtlich fragend an: „Keine Antwort?" begann er mit sarkastischem Lächeln. „Niemand wagt meine Aufforderung an zunehmen ? Niemand hat den Muth, mir Bescheid zu thun?... Wohlan! so muß ich selbst den Gang unternehmen und komme ich nicht hin, so sollen Sie sagen, daß ich ein Elender sei, sowie ich jetzt erkläre, daß Sie sämmtlich Feiglinge sind." Mit diesen Worten leerte Beuzeval sein Glas, stellte es darauf ruhig auf den Lisch nieder und der Thür zuschreitend, sprach er: „Auf Wieder sehen, meine Herren!" und verschwand. Den darauf folgenden Tag um sechs Uhr war er zu dieser fürchterlichen Jagd völlig bereit, als seine Gäste in sein Zimmer traten. Sie waren gekommen, ihn zu beschwören, sein Vorhaben auf- zugebcn, dessen Folgen für ihn nicht anders als rödtlich sein müßten. Der Graf war indeß taub bei allen Vorstellungen. Sie gaben ihm zu, daß sie gestern unrecht gehandelt und ihr Betragen das von jungen Unbesonnenen gewesen sei; der Graf dankte ihnen zwar für ihre Entschuldigungen, be hauptete aber, daß er sie nicht annehmen könne, indem er ihnen ziemlich ironisch bemerkte; daß seine moralischen Ansichten ihm verboten, das Blut sei nes Nächsten im Zweikampfe zu vergießen, daß er seiner Seits seine gestrigen Aeußerungen zurück nähme, daß aber, was die erwähnte Jagd betreffe, nichts auf der Welt ihn abhalten solle, dieselbe aufzugeben. Bei diesen Worten lud er die Ge sellschaft ein, zu Pferde zu steigen und ihm zu fol gen, mit dem Bedeuten übrigens, daß wenn sie ihn mit ihrer Geleitschaft zu beehren sich nicht ge neigt fühlen, sollten, er nichts desto weniger dem Tiger allein entgegenzichen werde. Dieser Ent schluß ward mit so bestimmtem Lone ausgespro chen und schien so unerschütterlich, daß sie jeden Versuch, ihn zurAufgebung desselben zu bewegen, für völlig fruchtlos hielten, sondern ihrerseits sich veranlaßt fühlten, aufzusitzen und bei dem östlichen Stadtthor verabredeter Maßen zu ihm zu stoßen. Die Reitergesellschaft zog schweigend dem bezeich neten Orte entgegen. Ein jeder Reiter hatte sich entweder mit einer Doppelflinte oder einem Kara- chiner bewaffnet. Der Graf allein war ohne Was-