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Ohr vernommen, was seine Phantasie auf das Notenpapier gebannt hatte! „Aus Böhmens Hain und Flur", die vierte der Tondichtungen aus dem Zyklus, gilt der Natur des Landes, doch diese Schil derung soll, wie ihr Verlauf zeigt, keineswegs als ruhiges Idyll empfunden werden. Während sich in der „Moldau" die Kontraste durch die wechselnden Landschaften und Stimmungen er geben, tritt hier stärker ein kämpferisches Mo ment hervor. Es steht deutlich in Gegensatz zu den lyrischen und beschaulichen Episoden. Ohne so bestimmte Hinweise, wie sie uns Sme tana in der „Moldau" gibt, hören wir den noch das Rauschen des Waldes, das Wogen der Felder und auch die Tänze und Lieder des Volkes heraus. Indem Smetana aber im Schluß teil der Tondichtung die fröhliche Polkamelo die mehrmals gewaltsam unterbrechen läßt, ehe sie sich voll entfalten kann, will er sicher lich mehr geben als nur „ein Erntefest oder ir gendein Dorffest", wie er gelegentlich sagte. Die Unterbrechungen deuten zweifellos auf die dunklen und bösen Kräfte hin, die zur Zeit der Entstehung des Zyklus der Entfaltung einer tschechischen Nationalkultur im Wege stan den. Der Polkarhythmus verkörpert dagegen die gesunden kämpferischen Kräfte des Volkes und gibt der Überzeugung des Meisters Aus druck, daß sich sein Land eines Tages frei ent falten wird. „Sarka". Als einzige der sechs Tondich tungen schildert die dritte, „Sarka", ein aus gesprochen dramatisches Geschehen und es sei erwähnt, daß die Heldin des Werkes auch zur Titelfigur mehrerer Bühnenwerke tschechi scher Künstler geworden ist, darunter einer Oper von Janäcek. In der sagenhaften Gestalt der Sarka, die mit der griechischen Amazonen königin Penthesilea verwandt zu sein scheint, lebt noch ein Anklang an die mütterrechtliche Gesellschaftsordnung alter Völker, deren Ab lösung durch die Vorherrschaft der Männer in Sarka den Willen zur Rache am gesamten Männergeschlecht keimen läßt (Eine etwas veräußerlichte Erklärung ihres grausigen Tuns ist die verschmähte Liebe.) Eine kriegerische, wilde Musik charakterisiert zu Beginn der Ton dichtung den stolzen, ungestümen Charakter der Sarka und ihres Amazonenheeres. Nur in kurzen Augenblicken treten gefühlsinnigere Wendungen auf. Verhaltene Marschrhythmen versinnbildlichen das unter Führung des Rek- ken Ctirad heranrückende Heer der Männer. Sarka beschließt, es nicht in offener Feld Programmblätter der Dresdner Philharmonie Redaktion: Prof. Dr. habil. Dieter Hartwig schlacht, sondern durch List zu vernichten. Sie läßt sich von ihren Gefährtinnen an einen Baum fesseln, und Ctirad verfällt in der Tat ihrem vom Komponisten durch eine klagende Klari nettenmelodie dargestellten Flehen um Hilfe. Er befreit sie, und eine von Smetana mit ver schwenderischem Klangzauber ausgestattete innige Liebesszene deutet auf das Gelingen von Sarkas heimtückischem Plan. Die ahnungs losen und trunken gemachten Mannen des Cti rad beginnen einen täppischen Tanz, bis sie in Schlaf versinken. In einem Anflug von wit zigem musikalischem Naturalismus läßt sie der Komponist in tiefen Tönen schnarchen, während Sarkas Horn ihre Gefährtinnen h^L beilockt. Sie verdrängt ein kurz aufwallen^B Gefühl echter Liebe zu Ctirad, und im toserT den Sturm schildert das Orchester die Mord gier des Amazonenheers, dem die Männer bis zum letzten zum Opfer fallen. „Die Moldau". Der zweite Teil des Zy klus „Mein Vaterland" gehört zu den volks tümlichsten Werken der musikalischen Welt literatur und wird sehr häufig auch selbständig aufgeführt. Hier singt Smetana das Lied der schönen tschechischen Landschaft. Wir folgen dem Lauf des Moldauflusses von seinen Quel len im Böhmerwalde bis zu seiner Einmündung in die Elbe. Mit einem gleichsam quirlenden und spritzenden Motiv malt der Komponist zu Anfang das hurtig zu Tal eilende Bächlein, aus dem nach und nach ein Fluß wird. Eine volksliederhafte Weise symbolisiert ihn, bis dann noch andere musikalische Bilder hinzu treten: Fanfaren kennzeichnen eine Jagd, die in den dichten Wäldern am Ufer des Stromes stattfindet; der Rhythmus des tschechischen Nationaltanzes Polka lenkt unsere Phantasie in ein Dorf, wo vielleicht eine fröhliche Hoch zeit gefeiert wird; eine geheimnisvoll stille Nachtmusik läßt Nixen aus dem mitternächt lichen Strom emportauchen; leise MarrJ^k rhythmen mögen an die Ritter auf ihren Bl^r gen erinnern, zu deren Füßen die Moldau dahinrauscht; Stromschnellen lassen das Was ser gischtig spritzen und sprudeln. Endlich kommt Prag in Sicht. Das majestätische Motiv des Vysehrad versinnbildlicht die Begegnung von Strom und Königsburg, bis schließlich die Moldau mit leisem Wellenschlag sich allmäh lich unseren Blicken entzieht und in der Ferne verschwindet. Doch zwei starke Schläge des Orchesters reißen uns aus unseren Träumen und führen uns in die Gegenwart zurück. Chefdirigent: Jörg-Peter Weigle — Spielzeit 1987/88 Druck: GGV, BT Heidenau 111-25-16 2,85 JtG 009-18-88 EVP -.25 M