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gelangte der Komponist zu einem ganz eige nen realistisch-sensiblen Sprachgesang, der mit dem sinfonischen Orchestergeschehen zu einer zwingenden Einheit verschmilzt. Auch impressionistische und expressionistische Ein flüsse begegnen im CEuvre Janäceks, der erst im siebenten Jahrzehnt seines erfüllten Musi kerlebens internationale Anerkennung fand. Eine der hauptsächlichsten Inspirationsquellen seines Schaffens war die Natur, ganz ähnlich wie bei Smetana. Die wohl schönste Frucht der heimatlichen Naturstudien Janäceks war die in den Jahren 1921 bis 1923 entstandene, 1924 in Brno uraufgeführte dreiaktige Tieroper „Das schlaue Füchslein", deren Text voller Na turpoesie sich der Komponist nach einer Novel le von Rudolf Tesnohlidek selbst schrieb. Wir lernen in diesem symbolischen „Märchen für Erwachsene" das kurze Leben der jungen Füch sin Schlaukopf kennen, wir erleben ihre Ge fangenschaft beim Förster, ihre Abenteuer im Walde, ihre Liebe, ihre Hochzeit, ihre glückliche Mutterschaft und ihren Tod. Parallel zu dieser Handlung unter den sehr vermenschlichten Tie ren läuft eine zweite unter den Menschen. Das Werk, das mit seiner tiefen Lebensweisheit, seinem ungewöhnlichen Thema und vor allem dank seiner genialen dichterisch-musikalischen Gestaltungsweise zu den bedeutendsten Opern schöpfungen der Weltliteratur zu rechnen ist, erfuhr 1956 in der Komischen Oper Berlin eine zauberhafte Inszenierung durch Walter Fel senstein, die gleichermaßen zur Tat für Janä cek wie zum Symbol Felsensteinscher Regie kunst überhaupt wurde. Die von Vaclav Talich eingerichtete und von Vaclav Smetäcek revidierte Suite für Orchester aus der Oper „Das schlaue Füchslein“ bietet etwas mehr als zwei Drittel der Musik (Vorspiel, Zwischen spiele und verschiedene Szenen) des ersten Aktes. Schon der Ausschnitt aus dem Gesamt werk läßt spürbar werden, wie die Natur mit all ihren verborgenen Stimmen in dieser Par titur, die eine pantheistische, hymnische Ver herrlichung der Natur darstellt, Klang geworden ist. (Janäcek verbrachte zur Zeit der Komposi tion nachts viele Stunden im Wald, belauschte die Tiere und hörte die unzähligen geheim nisvollen Stimmen der Natur). Die Musik ist knapp, konzentriert, fast aphoristisch und im mer logisch gestaltet. Erinnerungsmotive, die für das Verständnis der Bühnenhandlung we sentlich sind, schaffen thematische und stim mungsmäßige Beziehungen. Das Melos mit seinen beharrlichen Motiv- und Tonwiederho lungen zeigt die unmittelbare Nähe der mäh rischen Volksmusik. Der erste Satz der Suite beginnt mit dem Vor spiel der Oper, dem sich weitere Teile des ersten Bildes anschließen. Eine sommerliche Waldlandschaft flimmert in der Nachmittags sonne. Der Dachs steckt seinen Kopf aus dem Bau. Kleine Fliegen umtanzen ihn. Die blauen Libellen bieten ein Ballett. Im Walzerrhythmus umtanzt die Mücke den schlafenden Förster, der von einem Frosch aufgeweckt wird, gerade zur rechten Zeit, um das neugierige Füchslein Schlaukopf (durch ein zaghaftes Motiv charak terisiert), das sich in seine Nähe gewagt hat, zu packen und mit in die Försterei nehmen zu können. Traurig und vergebens sucht die bj^fe Libelle nach dem Füchslein. Der zweite Satz der Suite bringt Musik aus dem zweiten Bild des ersten Aktes. Der Hof der Försterei liegt in der Nachmittagssonne. Ein Thema steht am Beginn, das die Sehnsucht des gefangenen Füchsleins nach dem Wald, nach Freiheit und Liebe ausdrückt. Es erklingt auch in dem — sich in der Suite unmittelbar anschließenden — nächtlichen Zwischenspiel, in dem das Füchslein die Gestalt des schönen jungen Mädchens Terinka annimmt. Die Mor gendämmerung mit der aufgehenden Sonne hat Janäcek in einem packenden musikalischen Bild gestaltet, das zu den stärksten Teilen des gesamten Werkes gehört. Schließlich folgt d : e fesselnde Charakterisierung des „Arbeitsab laufs“ auf dem Hühnerhof und die dramatische Auseinandersetzung zwischen dem spottenden, geckenhaften, eitlen Hahn und dem aufge brachten Füchslein, die mit dem Tod des erste ren endet, wofür das gefangene Füchslein un barmherzig durch die Förstersleute gezüchtigt wird. Doch die Gelegenheit ist günstig: die Flucht in die Freiheit gelingt. Der Humor und die Anmut, mit der Janäcek dies alles musikdramatisch ausgewertet orchestral „gemalt" hat, läßt uns zu Rea^Bi dem „Schlauen Füchslein“ — dem lyrischsTen und melodienreichsten Bühnenwerk des Mei sters - mit seinem optimistischen Lebensge fühl einen „beglückend sorglosen Ausflug der Phantasie — einen tschechischen Sommer nachtstraum" sehen, um mit den Worten des Janäcek-Biographen Jaroslav Vogel zu spre chen. Der 1909 in Ostrava geborene und 1973 da selbst verstorbene Rudolf K u b i n , dessen Leben und Wirken eng mit diesem Zentrum des Steinkohlenbergbaus und der Hüttenin- TOMAS KOUTNIK, 1950 in Olomouc geboren, stu ckerte bis 1977 am Konservatorium und an der Aka- ^^h~iie der musischen Künste in Prag die Fächer ^Bcloncello und Dirigieren. Seine dirigentische Aus bildung vertiefte er in Dirigierkursen Igor Marke- vitchs und Kurt Masurs beim Internationalen Musik seminar in Weimar. 1977 gewann er den 1. Preis und die Goldene Lyra beim Internationalen Dirigen tenwettbewerb in Besancon, 1979 den Laureatentitel des internationalen Dirigentenwettbewerbes Kato ¬ wice. 1978 wurde er Assistent des Chefdirigenten der Tschechischen Philharmonie und Dirigent des Kam merorchesters Orchestra Puellarum Pragensis sowie zugleich Dirigent beim Rundfunksinfonieorchester Bra tislava. Danach ging er als Dirigent an die Janäcek- Phi Iharmonie Ostrava, die er seit 1986 als Chefdiri gent leitet. Gastspiele führten ihn u. a. in die DDR, BRD, nach Frankreich, Jugoslawien, Spanien, Polen, Kuba und in die USA. Auch Rundfunk- und Schall plattenaufnahmen machten seinen Namen bekannt. dustrie unseres Nachbarlandes verknüpft war, hat viel zur Organisation des Musiklebens sei ner Heimatstadt beigetragen. Am Prager Kon servatorium studierte er zuerst Violoncello und sodann 1925—1928 Komposition bei Alois Hä- ba, dessen Vierteltonsystem ihn zumindest in seinen Studienjahren beschäftigte. Anschlie ßend war er als Cellist und später als Mu sikredakteur am Rundfunk in Prag und Brno sowie als Gründer und erster Dirigent des Rundfunk-Sinfonieorchesters in Ostrava tätig. 1949—1955 leitete er die Ostravaer Zweigstelle des tschechischen Komponistenverbandes, 1953/ 54 war er Direktor der höheren Musikschule