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Responso Der Titel Responso des 1977 komponierten und in den ver gangenen zehn Jahren zum Re pertoirestück unserer großen Or chester avancierten Konzertes für Orchester weist auf Matthus’ Anliegen, sich durch seine Musik auszu„sprechen“, Persönliches mitzuteilen. Er wäre mit „Ich antworte“ zu übersetzen, aber der Komponist hat mit Bedacht die lateinische Form gewählt, weil in ihr auch das Moment des Wider spruchs beim Antworten mit schwingt und weil sich in dieser Gestalt der Anspruch manife stiert, daß die musikalisch sub jektive „Antwort“ eine schöpfe rische Reaktion auf aktuelle, ob jektive gesellschaftliche Proble me (der kunstpolitischen Szene) darstellt und bei vielen Hörern einen ähnlichen Widerhall finden möge — auch und gerade, weil sie durch Situationen persönlich ster Betroffenheit ausgelöst und geprägt wurde. Der Komponist benutzt dabei im Gestus des Konzertierens angelegte rhetori sche Klangfiguren und -Struktu ren, um sich deutlich und ein dringlich mitzuteilen. Der erste Satz, ein rasches, kan tiges und kontrastreiches „Osti- nato“, wird mit einem heftigen, akkordisch-rhythmisch akzen tuierten Tutti eröffnet. Zwei wei tere Abschnitte, ein aufgeregt pulsierender und ein nachdenk lich abwartender, folgen und stel len sich dem hartnäckigen An griff entgegen. Ein Orchester- Crescendo führt zu den Kollisio nen der Reprise. In einer grellen Klanggebärde, „wie ein Auf schrei“ (notiert der Komponist), zerstört sie sich. An zweiter Stelle des Konzertes steht ein „Notturno“, kein mantisches elegisches Nacht stück, sondern ein spukhaftes Scherzo, ein fiebriger, quälender Alptraum. Vexatorisch huschen die verschiedensten musikalischen Gestalten vorüber. Sie gruppieren sich um ein kurzes, klanglich wechselndes Leitthema und be schwören schemenhafte Episoden herauf, in denen die Erinnerung an berühmte musikalische Nacht stimmungen aufblitzt. Am Ende wird der flüchtig-unruhige Traum eines Dialogs mit Mendelssohn oder Weber, Brahms, Dvorak oder Verdi von der Wirklichkeit unsanften Erwachens verdrängt. Das anschließende Adagio ist folgerichtig als expressiver e ge„gesang konzipiert. In mehre ren „Wellen“ steigert und ver dichtet sich dieses Lamento nach dem Vorbild Mahlerscher Dik tion. Die Entwicklung wird zu erst durch ein in Struktur und Ausdruck alternierendes „barok- kes“ Adagio auf D und in drei stimmigem polyphonem Strei chersatz mit Harfen-Continuo un terbrochen, dann aber durch kon trapunktierende Überlagerung beider Adagiotypen in zwei Va riationen zu einem tragischen Höhepunkt geführt. Dort „löst“ sich die Musik in einem Zitat auf, das dem Rezitativ Nr. 46 aus Bachs „Matthäus-Passion“ ent stammt: Die Oboe intoniert des Evangelisten Worte über Petrus, ■er Jesus, seinen Herrn, dreimal verleugnet hatte: „Und ging her aus und weinte bitterlich.“ Das Finale sucht sich aus solcher Beklemmung zu lösen und zu ak tivierenden Haltungen zu finden. Es nimmt in Ausdruck und Tech nik Elemente des ersten Satzes auf, bindet sie aber in der stren gen Variationenform der Cha conne in größere, zielstrebigere Entwicklungsbögen. In der Kon sequenz und Variabilität des Va riationsprinzips erinnert der Satz an das Finale von Brahms’ 4. Sin fonie. Ausgehend von einem neuntaktigen Baßthema, entfaltet sich in zwanzig Variationen eine veritable sinfonische Dynamik Mer Musik, die im klanglichen Trozeß selbst, nicht in einem be sonderen, abstrahierbaren Fazit nach Antworten sucht und Ant worten findet. Variationen über ein Rohpho-Rhema für Violoncello und Orchester, op. 33 Ganz eigenes Gepräge besitzen Peter Tschaikowskis Variationen über ein Rokoko-Thema für Vio loncello und Orchester op. 33. Die bezaubernde, heitere Kom position legt — ähnlich der Orche stersuite „Mozartiana“ und dem ersten Satz der Streicherserena de - ein Bekenntnis zur Musik der frühen Wiener Klassik ab, die dem Komponisten in ihrer Klarheit und Schönheit stets be sonders am Herzen lag. Gleich ihr besitzen die Variationen eine Ausgeglichenheit der musikali schen Haltung und Volkstümlich keit der melodischen Erfindung. Das Werk entstand im Jahre 1876 für den deutschen Cellisten Wilhelm Fitzhagen, den Konzert meister der Russischen Musikge sellschaft in Moskau, mit dem Tschaikowski eine herzliche Freundschaft verband. Bevor das Soloinstrument das wirklich klas sisch erfundene Thema über zar tem Streicherklang vorsingt, wird das Werk mit einer kleinen Ein leitung des Orchesters, dem die Blechbläser ganz fehlen, eröffnet. Nach dem Vortrag des Themas leitet ein coupletartiger Nachsatz, der auch zwischen den einzelnen Veränderungen steht, zur ersten