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Christian Münch, 1951 in Freiberg ge boren, studierte in Dresden Dirigieren, Klavier und Komposition. Nach einer Tätigkeit als Re petitor wirkt er seit 1979 als freischaffender Komponist und Dirigent für Neue Musik (ins besondere in Zusammenarbeit mit der Grup pe Neue Musik Hanns Eisler Leipzig und an deren speziellen Ensembles). An Kompositio nen entstanden u. a. Klaviervariationen (1980), Sinfonia für Harfe und Schlaginstrumente (1981; im Auftrag der Dresdner Philharmonie), Tänze für Violoncello und Live-Elektronik (1983), ein Ballett (1982—1986), Monolog (1984/85; eine Tonbandkomposition), über seine unseren heutigen Abend einleitende Komposition äußerte Christian Münch: „Das Flüsterstück schrieb ich 1979 auf An regung des Tänzers und Choreographen Man fred Schnelle, der die Briefe der Rosa Luxem burg aus dem Gefängnis an Sophie Lieb knecht liebte und eine Musik dazu suchte, um sie als Texte in den Tanz nehmen zu können. Rosa Luxemburg formuliert der Freundin in den Briefen die ganze herrlich sinnlose Wirk lichkeit, empfunden in jener ausweglosen Si tuation des Eingesperrtseins, auf der Suche nach wesentlichen Eriebniswelten, als welche sie Naturschönheit, Literatur, Musik (sie zitiert oft Lieder von Hugo Wolf) und jene alles ver bindende Liebe nennt. An ihrem Erleben, an ihrer Trauer und Angst, Einsamkeit, Verzweif lung, an ihrem Erinnern, Aufbegehren, Kampf, ihrem Zorn und der Hoffnung beteiligen sich die Instrumentalisten und die Sängerin. Die Briefe werden nicht vertont, die Worte sind frei erfunden. Lediglich drei Briefstellen werden gelesen: „. . . ein strahlender frischer Zitronen falter! Er flog an meinen Ärmel, dann gaukelt er in die Höhe und fort über die Mauer." ". . . daß ich nicht auch fort von hier kann, oh, nur fort von hier!" „. . . die Türen werden zweimal verschlossen und zugeriegelt — der Tag ist ausI“ „Da lieg ich still, allein, eingewickelt in diese vielfachen schwarzen Tücher der Finsternis, Langeweile, Unfreiheit, des Winters — . . . und ich lächle, . . . das tiefe nächtliche Dunkel ist so schön und weich wie Sammet. . ." „. . . und in dem Knirschen des feuchten San des unter den langsamen schweren Schritten der Schildwache klingt auch ein kleines schö nes Lied vom Leben." Der am 25. Januar 1913 in Warschau gebore ne polnische Komponist Witold Luto- s I aw s k i gehört zu den international bedeu tendsten Vertretern des zeitgenössischen Mu sikschaffens. Neben der Kompositions- und Klavierausbildung, die er in seiner Heimat stadt erhielt, studierte er einige Semester Ma thematik. Die dadurch bedingte Verbindung von Intellekt und Emotionalität charakterisiert die Eigenart seiner künstlerischen Mentalität. Kompositionen, die gleich nach Beendigung des Studiums entstanden, zeugten noch vom Einfluß seiner Vorbilder Szymanowski, Stra winsky, Bartök, Roussel, Varese und Messiaen. In dieser Zeit, die durch die Suche nach einem eigenen Stil geprägt war, griff Lutoslawski in seinen Werken folkloristische Elemente auf. Diese Tendenz blieb jedoch nur eine Episode im Schaffen des Komponisten. Schon We^fl wie die „1. Sinfonie", die „Kleine Suite" uWi das „Konzert für Orchester" verdeutlichten sei ne Vorliebe für klangliche und formale Struk turen, die er mit fast mathematischer Strenge verarbeitete. Als Komponist fand Lutoslawski erst Ende der fünfziger Jahre zu sich selbst, nachdem er sich mit Dodekaphonie und Aleatorik auseinandergesetzt hatte. Mit der „Trauermusik" (1958), den 3 Postludien (1960) und den „Jeux venitiens" (1961) vollzog er ei ne stilistische Wende, die ihm weltweite An erkennung verschaffte: er wurde zum Schöp fer eines Stils, der bald als „Neue polnische Expressivität" begrüßt wurde. Der Österreicher A n t o n von Webern, als Komponist der konsequenteste Schüler Ar nold Schönbergs, in den Jahren 1921 bis 1934 angesehener Dirigent der Wiener Arbeiter- Sinfoniekonzerte, seit 1923 auch des Wiener Arbeiter-Singvereins, 1945 von einem ameri kanischen Besatzungssoldaten erschossen, er lebt seit den 50er Jahren eine erstaunliche Renaissance, während er zu Lebzeiten mit sei ner esoterischen Kunst in zunehmende Isola tion geriet. Ein großer Teil seines nur 31 Wedte nummern zählenden gedruckten Schaffens der Vokalmusik, aber auch seine Orchester- und Kammermusik ist von Gewicht. Von Schönbergs Versuchen mit der sogenannten „Klangfarbenmelodie" angeregt, gelangte Webern zu einer für ihn typischen, von Klang farbenvorstellungen geleiteten Führung der melodischen Linien, die im Sinne der „Klang farbenmelodie" auf verschiedene Instrumente aufgeteilt werden (6 Orchesterstücke op. 6). In den 3 k I e i n e n Stücken für Vio loncello und Klavier erweist sich Webern als Meister knappester Formen, gleich zeitig als begabt mit äußerster Sensibilität für melodische Linien und für Klänge und Klangfarben.