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KOLJA BLACHER wurde als Sohn des Komponisten Boris Blacher und der Pianistin Gerty Herzog 1963 in Berlin (West) geboren. Den ersten Geigenunterricht bekam er im Alter von fünf Jahren. 1974 erhielt er erstmals Preise in Wettbewerben „Jugend musiziert". 1975 wurde ihm der Förderpreis des Kulturkreises im Bundesverband der Industrie zuteil. Von 1975—1977 studierte er bei Koji Toyoda in seiner Heimatstadt, 1978 ging er zum Studium an die Juilliard School in New York, wo er von Dorothy Delay unterrichtet wur de. Seine Studien setzte er dann bei Shevelov in Hannover und erneut in New York fort und schloß sie im Sommer 1933 mit Kursen bei Yehudi Menuhin und Sandor Vegh in Salzburg ab. Bereits 1980 gab er sein Debüt in der Berliner Philharmonie und hat seit dem eine verheißungsvolle Karriere angetreten. Mit unserem Orchester musizierte Kolja Blacher be reits zu den Dresdner Musikfestspielen 1986. im Solopart das Thema des letzten Satzes an, der von heiterer Grazie ist. Schumann übersandte Joachim das Werk mit den Worten: „Sie erhalten hier das Konzert, möge es Sie anmuten." Es bedarf nicht der Annahme mystischer Un heilsahnungen, um das Eindringen ernster, ja tragischer Züge in Schumanns Musik zu ver stehen, wie sie uns im ersten Satz des Violin konzertes begegnen. Schwere und dunkle Er eignisse hatte es für ihn genug gegeben, im individuellen wie im sozialen Leben: Bereits ■der Tod Mendelssohns, des verehrtesten Zeit genossen, im November 1847 war ein solches ■gewesen, genannt seien auch die Stürme der Ro^lution und mehr noch die durch ihr Schei- Bp erzwungene Änderung des politischen Klimas, die Schumann und andere progressi ve Künstler bedrückte, und die bedrohliche, ■am Ende katastrophale Verschlechterung sei nes Gesundheitszustandes. Es sollte aber nicht übersehen werden, daß die gedankliche Ver tiefung (nur zum Teil kann sie als „tragisch" 'bezeichnet werden) in einem späten Werk wie dem Violinkonzert Schumanns an sich ei ne entschiedene Bereicherung dieses Genres und der Musikliteratur überhaupt darstellt. Der unverwechselbare, ernst-eindringliche Ge stus des Kopfsatzes im d-Moll-Violinkonzert von Schumann wird geprägt durch das maje stätische, kontrapunktisch angelegte und ver arbeitete Hauptthema. Wirkt dieser Gestus nicht in Brahms’ Klavierkonzert gleicher Ton art weiter? Das Neue, das Schumann in das konzertante Genre eingebracht hat, trug tat sächlich dort schon Frucht. Ein wunderbar aus schwingendes Seitenthema tritt hinzu, das dann in der Reprise besondere Dominanz er hält, wenn es die Wendung des Satzes nach Dur begründet, die bis zum Schluß nicht mehr in Frage gestellt wird. Tragen die beiden Rah menteile unverkennbar dramatische Züge, so Durchführung eigentümlich verhalten, z?Rckgenommen — auch dies ein neues Aus druckselement, von Schumann zweifellos be wußt eingesetzt und nicht etwa mit Gestal tungsschwäche zu verwechseln (Exposition und Reprise enthalten ja genügend „Zündstoff"). Ganz unmittelbar erschließt sich der Mittel satz des Konzerts, in dem aus schwebend-syn kopischem Gewebe die ausdrucksvoll-,,roman tische" Geigenmelodie gleichsam hervorsteigt. Schumann hat sie wenige Monate später, als „Geisterthema", nochmals aufgegriffen und in Klaviervariationen abgewandelt — seine letzte kompositorische Arbeit. Das Finale entwickelt sich direkt aus dem langsamen Satz, wobei als thematische Klam mer des ganzen Werkes ein Motiv des Seiten themas im ersten Satz in Erscheinung tritt. Kräftig-volkstümliche Züge begegnen uns nun im Schlußsatz, der den Charakter einer Po lonaise oder Mazurka trägt. Obwohl hier die virtuosen Möglichkeiten des Soloinstruments vom Komponisten am stärksten ausgeschöpft werden, enthüllt sich zugleich am deutlichsten die ganz und gar sinfonische Anlage des Kon zerts, die es für den Nur-Virtuosen so wenig „dankbar" macht: Alles Passagenwerk der Violine wird den thematischen Gedanken des Orchesters untergeordnet, muß zurücktreten in dienende Funktion, bloße Umspielung. Was Schumann hier vielleicht zu weit getrieben hat (eben den sinfonischen Zug im Konzert), er weist sich in den Werken Brahms’ und ande rer als „Zug der Zeit” — anders gesagt: Schu manns Violinkonzert war zukunftsweisend, er hielt aber nie die Möglichkeit, diese hohe Qualität öffentlich zu zeigen. Erst unser Jahr hundert vermag die unverdiente Zurückset zung des Werkes wettzumachen. Anton in Dvoraks 8. Sinfonie G - Dur o p. 8 8 , bei der Herausgabe unrichti gerweise als Dvoraks „Vierte" bezeichnet, da sie die vierte gedruckte Sinfonie des Kompo nisten darstellte, entstand im Sommer und zu Beginn des Herbstes 1889, kurz nach der Komposition des Klavierquintetts Es-Dur — knapp sechs Jahre nach dem Abschluß der vorangegangenen 7. Sinfonie. Die Urauffüh rung der G-Dur-Sinfonie fand am 2. Februar 1890 in Prag durch das Orchester des Natio naltheaters unter Dvoraks eigener Leitung statt, der das Werk bald darauf auch in Lon don und etwas später in Frankfurt/Main zur Aufführung brachte. Das „herrliche Werk", wie der bedeutende Dirigent Hans Richter die Sinfonie nach der Wiener Erstaufführung in einem Brief an den Komponisten begeistert nannte, wurde überall mit viel Wärme und Begeisterung aufgenommen. Einer Zeit beglük- kenden friedlichen Schaffens inmitten herrli cher Natur auf Dvoraks Sommersitz in dem böhmischen Dorfe Vysokä entstammend, zeigt die 8. Sinfonie im Gegensatz zu der von lei denschaftlichem, trotzigem Ringen erfüllten vorangegangenen d-Moll-Sinfonie eine heite re und lichte, friedvoll-harmonische Grund haltung. Innige Naturverbundenheit, Volks tümlichkeit und helle Lebensbejahung spre chen aus diesem an unerschöpflichen Einfäl len reichen, stimmungs- und gefühlsmäßig