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beigelegt werden. In diesen Kreisen erinnert man auch daran, daß in solchen Dingen der Kaiser am wenigsten Nebenrücksichten kenne und daß, wenn den russischen TruppendiSlocationen irgendein politisch - militärisches Motiv zu Grunde liegen sollte, die entsprechenden, wenn auch ganz unter der Hand und mit größter Vor sicht getroffenen Vorkehrungen diesseits nicht auSge- blieben oder auch nur eine Minute verzögert sein würden." Diesen beiden Beruhigungsartikeln in der Posener und der Westfälischen Zeitung fügt die National-Zeitung folgende etwas mysteriöse Andeutungen hinzu: „Wir beschränken uns auf die Bemerkung, daß unsere militärischen Kreise nicht erst durch Zeitungs artikel über militärische Vorgänge in Polen belehrt und daß dieselben weder durch Aufstellungen auf dem Papier beunruhigt noch durch Beruhigungsworte be ruhigt werden. Dir Art, wie die Nachrichten über die Truppenanhäufungen in Polen in die Welt treten, zwingt uns jedoch, zunächst einen ernster» Hintergrund dieser Nachrichten anzunehmen." ES ist oben gesagt: Fürst Bismarck habe dem Kaiser eine Denkschrift über das Verhältniß zu Ruß land unterbreitet, die sehr überraschende und überzeu gende Thatsachen enthalten habe. Sollte die National- Zeitung auf diese anspielen? Deutsches Reich. Die Provinzial-Correspondenz berichtet: „Unser Kaiser hatte am Sonntag die Freude, den Groß« fürsten-Thronfolger von Rußland und Gemahlin in Berlin zu begrüßen. Das russische Thronfolgerpaar setzte nach zweitägigem im engen Verkehr mit dem Kaiser und den zur Zeit hier anwesenden Gliedern des königlichen Hauses zugebrachten Aufenthalt am Montag Abend die Reise nach Petersburg fort. Am Donnerstag begibt sich der Kaiser auf kurze Zeit zur Jagd nach KönigS-Wusterhausen." — Der Reichs-Anzeiger meldet, daß der Kaiser den UnterstaatSsecretär im königlich preußischen Justizministe rium vr. v. Schelling zum Staatssecrctär im Reichs- Justizamte ernannt hat. Zu dieser Nachricht von der Ernennung des Unter- staatSsecretärs im Justizministerium v. Schelling zum Staatssecretär im Reichs-Justizamt bemerkt die Na tional-Liberale Correspoudenz: „Diese Nachricht wird nicht verfehlen, Aufsehen, und zwar kein erfreuliches, zu machen. Bei der Ernennung des vr. Friedberg zum preußischen Justizminister hatte man allgemein erwartet, daß die Stelle eines Chefs des Reichs- Justizamtes nicht wieder werde besetzt, sondern in Per sonalunion mit dem preußischen Justizministerium ver schmolzen werden, da nur auf diese Weise das Reichs- Justizamt zu einem lebensfähigen, mit einem vollen Wirkungskreise auSgestatteten Institut hätte werden können, eine erspießliche Entwickelung der hohen Reichs ämter nur im engsten Anschluffe an die entsprechenden preußischen Refforts erhofft werden konnte. Diese Annahme wurde freilich von officiöser Seite bald für unbegründet erklärt; es wird kaum bezweifelt werden können, daß der Widerspruch der Mittclstaaten eine solche Reorganisation hintertrieben hat, die sonst ganz dem öfters entwickelten Jdeenkreise des Reichskanzlers entsprach. ES wäre danach wieder einmal ein Sieg des ParticulariSmuS zu verzeichnen. Aber wenn man «ine Hin- und Rückreise zwischen Lena und Europa nicht in einem Sommer möglich sein. 4) Fortgesetzte Untersuchungen sind noch nöthig, um festzustellen, ob eine als HandelSweg benutzbare Seeverbiudung besteht oder nicht. WaS die Gefahren der Reisen durch das Polar meer anbetrifft, so weist Professor Nordenskjöld darauf hin, daß die dänischen Grönlandsfahrer, welche sich Jahr für Jahr durch das grönländische Kasteneis winden müssen, seltener Schaden leiden, als die Fahr zeuge au der Küste von China. Mit dem Gesammtergebniß seiner Reise ist Pro fessor Nordenskjöld ziemlich zufrieden, er bedauert nur, daß eS ihm nicht gelungen, von den vorweltlichen Thieren, welche die Küste des Eismeeres in ihrem Schose birgt, einige zu erlangen, um so zur weitern Kenntniß der Entwickelungsgeschichte der Erde bei- zutragen. (Fortsetzung folgt.) Musikalisches auS Leipzig. * * Leipzig , 19. Nov. Die Aufführung großer Chorwerke ist für die meisten Concertinstitute stets mit großen Schwierigkeiten verknüpft. Sie beanspruchen eine große Masse von Chor- und Orchesterkräften, be deutende Solisten, sorgfältiges Studium und viele Einzel« und Gesammtproben. Durch die Bereitwillig keit mehrerer hiesiger Gesangvereine, dergleichen Auf führungen zu unterstützen, ist uns glücklicherweise öfter Gelegenheit gegeben, Werke zu hören, die man in an dern Städten selten oder nie zu hören bekommt. Je doch Schumann'S „Faust"-Musik, welche in dem ge- auch auf die Neubesetzung deS Postens eines Leiter- deö RcichS-JustizamteS vorbereitet sein mußte, so wird doch die Wahl eines Mannes von so ausgeprägt con- fervativer Gesinnung, wie Hr. v. Schelling, Befrem den erregen. Es scheint uns damit selbst die Linie, die noch bei den letzten Ministerernennungen eingehal ten worden, bedeutend überschritten." — Am 19. Nov. wurde das Erkenntniß des Reichs gerichts in Sachen der vier Lehrer an der Real schule I. Ordnung zu H., die wegen Annahme von Geschenken einer sträflichen Handlung bezichtigt wur den, veröffentlicht. DaS Erkenntniß lautete dahin: Das bisherige Erkenntniß sei zu vernichten und di« Sache in die zweite Instanz zurückzuverwcisen, da ß. 331 des Strafgesetzbuches nicht anwendbar, der sich nur auf Geschenke für vorgenommene oder bevor stehende concrete amtliche Handlungen bezieht, nicht aber auf Geschenke für die gesammte Lchrthätigkeit; die Schüler müssen bei richtiger Behandlung Pietät zu den Lehrern und zur Schule haben; die Bethäti- gung dankbarer Gesinnung könne nicht vom Gesetz zurückgewicsen werden, sofern eS sich nicht um eine Abfindung für gcthane Pflicht handle. Indessen sei eine Freisprechung nicht begründet, da noch der Be weis zu führen ist, ob die Familienverhältniffe zwischen Lehrer und Aeltern irgendeinen Einfluß gehabt hätten, und ob ein Einfluß beim Abiturientencxamen nach weisbar sei. — Zu der von Wien aus verbreiteten Nachricht, daß der in Wien accreditirte Cardinal Jacobini ein Schreiben an den Papst gerichtet habe, in dem er ihm die Mittheilung macht, daß die Unterhandlungen mit dem Deutschen Reiche soeben glücklich beendet wurden, bemerkt die «Germania»: „Die Unrichtigkeit dieser auf Sensation berechneten Meldung brauchen wir kaum ausdrücklich zu constatircn. Sie stammt jedenfalls auS derselben Quelle, welche wiener Blätter seit lange von Rom aus mit den abenteuerlichsten Nachrichten versorgt und blamirt." Unser der Nachricht beigefügtes Fragezeichen erweist sich sonach als gerechtfertigt. X Herlin, 19. Nov; Die Ausstellungscommission des Deutschen Fischereivereins für die Inter nationale Fischereiausstellung in Berlin veröffentlicht folgendes Preisausschreiben: Se. Maj. der König von Sachsen haben allergnädigst geruht, dem Ausschuß des Deutschen Fischereivereins einen silbernen Ehrenpreis stir die beste Lösung der nachfolgenden, gelegentlich der internationalen Fischereiausstellung in Berlin zu emscheidenden Preisaufgabe zur Verfügung zu stellen: „Genaue Darlegung eines für bestimmte näher darzulegende Verhältnisse praktisch ausführbaren Planes beziehungsweise der Mittel, um die den natürlichen Wasserläufen und Ge wässern zugeführten Abwässer der Fabriken und Auswürfe der Städte für den Fischbestand der gedachten Gewässer voll kommen unschädlich zu machen." Infolge dessen werden alle diejenigen, welche sich an dieser Loncurrenz betheiligen wollen, aufgesordert, ihre Bewerbung bi« spätestens den 15. März 1880 der erwähnten Ansstellungscommission einzureichen. Die Darstellung der betreffenden Vorschläge kann in Form von Drucksachen, Manuskripten, Zeichnungen, Apparaten und Modellen geschehen. Da diese Objecte unter Klaffe VH auf der Internationalen Fischereiausstellung ausgestellt werde» sollen, so würde es erwünscht sein, wenn die vorgeschlagenen VerfahrungSweisen aus der Ausstellung selbst dem Publikum vorgeführt werden könnten, soweit dies in kleinem Maß- stade und ohne Belästigung der Besucher der Ausstellung möglich ist. Auf jeden Fall wird bei allen den Vorschlägen, welche besondere Vorrichtungen, Bassin«, Rührwerk rc. be dingen, auf eine zur Demonstration für das größere Pu blikum geeignete Zufügung von Zeichnungen oder von Appa- strigen dritten Euterpe-Concert auf dem Programm stand, gelangt auch hier seltener zur Vorführung als andere Werke des genialen Meisters. Die vielen nicht selten ungewöhnlichen befremdenden Accordfolgen ver ursachen nicht geringe Schwierigkeiten für die Sänger hinsichtlich der Intonation, daß die meisten davor zurückschrecken. Man findet das zwar in allen Schu- mann'schcn Werken, am häufigsten aber in der „Faust"- Musik. Die Soli der gestrigen Aufführung befanden sich in den Händen der Damen Marie Klauwell, Auguste Köhler, Karoline Boggstöver, Lina Wagner und der Herren Karl Mayer aus Kassel, H. Wiegand, Emil Singer und W. Siegert. Der Chor bestand aus Mitgliedern des Arion, Ossian und deS Chorgesang. Vereins. Die Ouvertüre wurde vom Orchester gut durchgeführt und die erste Abtheilung ging sowol im voralen wie im instrumentalen Part präciS und cor- rect von statten. In der zweiten Abtheilung machte sich schon zuweilen eine Unsicherheit im Einsetzen der verschiedenen Solo - und Chorstimmen bemerkbar. Doch kam der Chor „Thäler grünen, Hügel schwellen" noch zu schöner Wirkung. Äuch der erste Chor der dritten Abtheilung: „Waldung, sie schwankt heran", ging recht gut. Von der Ensemblescene Nr. 4 läßt sich dies nur theilweise sagen. Der Doppelchor Nr. 7: „Alles Vergängliche ist nur ein Gleichniß", ist unstreitig mit die schwierigste Nummer des Werkes. Die fugenartigen Stimmeneinsätze erfordern die größte Präcision. Daß darin nicht alles exact von statten ging, wollen wir im Hinblick auf den aus so verschiedenen Singvereinen zusammengetretene» Chor gern entschuldigen. raten und Modellen Werth gelegt. Obgleich der Prek» zunächst für die beste Lösung der ganzen Aufgabe bestimmt ist, so ist doch eine partielle Loncurrenz nicht von vorn herein ausgeschlossen. Es bleibt der Entscheidung der Preisrichter Vorbehalten, für den Fall der ungenügenden Lösung der ganzen Aufgabe den Preis demjenigen Bewerber zuzuerkennen, welcher für die größere Anzahl der in der Praxis vorkommenden wichtigen Fälle von schädlichen Ver unreinigungen der natürlichen Gewässer erfolgreiche Gegen- maßregeln vorgeschlagen hat. Für die Angabe einzelner Mittel zur Unschädlichmachung bestimmter Fabrikabfälle, so fern dieselben vor den bisher angewandten besondere Vor züge besitzen, hat der LaudwirthschaftSminister einen Accessit- preis von 600 M. bewilligt. Die Namen der Preisrichter werden demnächst bekannt gemacht werden. — Ein längerer Brief der Kölnischen Zeitung aus Berlin vom 18. Nov. bemerkt über die Beziehungen Rußlands zu Deutschland und Oesterreich einerseits und zu England andererseits: Die Reise des russischen Thronfolgers nach Wien uud Berlin ist in verschiedenster Weise von den Blättern ausge legt worden in Bezug aus ihre Tragweite, in Bezug auf ihren Zweck sind wol alle darin der gleichen Ansicht gewe- sen, daß sie eine Annäherung der beiden Staaten an Ruß land anbahnen oder doch mindestens eine weitere Erkaltung verhüten solle. Letzteres, mit gewisser Einschränkung auch da« erstere, könnte für uns nur erfreulich sein, allerdings unter der Voraussetzung, daß Rußland seine bisherige beun ruhigende Politik aufgibt und „Frieden hält", und zwar Frieden nach allen Seilen. Wir selbst in Deutschland wollen gegen den Panslawismus und dessen Uebergriffe, di« unter gewissen politischen Lonstellalionen äußerst gefährlich werden können, gesichert sein, das Gleiche will Oesterreich-Ungarn und das Gleiche muß auch für den Orient verlangt werden, da neue dort ausbrechende Unruhen nur allzu leicht auch Europa in den Kreis ihrer verheerenden Wirkung ziehen könnten. Zu einer wahren Friedenspolitik wird aber auch gehören, daß Rußland davon abläßt, direct oder indirect ' die englischen Besitzungen in Indien zu bedrohen, denn da« ist der Punkt, wo England sterblich ist und wo eS sich mit seiner ganzen Macht wehren muß und wird. In alle» diesen Beziehungen hat Rußland die besten Versprechungen gegeben. Es erklärt amtlich, den Berliner Frieden loyal, nicht nur dem Worte, sondern auch dem Sinne nach, ausführen zu wollen; die Reise des Thronfolger« scheint geplant und rein objectiv auch geeignet, die Besorgnisse wegen einer Be- drohung Deutschlands und Oesterreichs zu verscheuchen, und ! bezüglich Afghanistans hat Hr. v. Giers seinerzeit amtlich erklärt, daß ihm nichts ferner liege, als eine Einmischung in dessen Angelegenheiten. Mit diesen Worten der russischen Regierung stimmen die Thate» aber leider nicht überein. Ein durch russischen Einfluß am Bosporus ans Ruder ge langtes Ministerium Mahmud-Nedim Said hätte bei einem Haar neue Verwickelungen herbeigesührt, der agitatorische Einfluß des Zarenreiches in Philippopel und theilwcise auch in Sofia liegt offen zu Tage und ist durchaus nicht dazu angethan, den Berliner Frieden zu festigen. Eine russische Zeitung hat offen ausgesprochen, daß der Weg nach Kon stantinopel über Berlin und Wien führe, und mit diesem Ausspruch scheint sie die in maßgebenden russischen Kreisen herrschenden Ansichten ziemlich treu wiedergegeben zu haben, wie dies die Truppenaufstellungen an der deutschen Grenze beweisen. Die von un« hierüber gemachten Angaben, welche auf unbedingte Glaubwürdigkeit Anspruch machen dürfen, beziehen sich auf die Zeit von Ende September dieses Jahres, aber sie lassen deutlich genug die Absicht erkennen, welche die russische Regierung damals wenigstens gehegt hat, obwol sie vielleicht inzwischen — was wir nicht wissen — ihre Plane den durch das deutsch-österreichische Bündniß geän derten Umständen angepaßt haben mag. Die feindliche Stimmung gegen nns, die nicht nur durch diese gefahr drohenden Rüstungen, sondern auch durch kleinliche Grenz- plackereien, wie die Angelegenheit des „Falken", ins hellste Licht tritt, steht im schroffen Gegensatz zu dem, was man amtlich ausspricht. Bezüglich des Verhalten» Rußland« in Afghanistan gehen uns nun neuerdings Nachrichten zu, die da» Verfahren der Ruffen sehr verdächtig machen. General Robert« hat in Kabul da« Archiv des Emir- aufgesunden und durchsuchen lassen und hat Schriftstücke heimgesandt — Von den Solisten befriedigte Hr. Mayer als Faust am meisten. Er hatte die Partie gut studirt, wußte sowol die lyrischen wie die dramatischen Elemente cha rakteristisch wiederzugeben und zu wirksamer Geltung zu bringen. Frau Klauwell führte zwar die Gretchm- Partie ebenfalls gut durch, nur waren ihre tiefen Brusttöne zu schwach und an vielen Stellen gar nicht hörbar. Von den übrigen Solisten zeichnete sich Frl. Boggstöver noch ganz besonders auS. DaS Werk wurde bis auf die zweite Nummer der dritten Abthei lung unverkürzt vorgeführt. Kann die Kritik nun auch nicht von hoher Vollendung dieser ganzen Re- production reden, so muß dennoch die Mühe und da- Streben der Mitwirkenden lobend anerkannt werden, wodurch wenigstens eine große Anzahl der Scenen in guter Ausführung uns zu Gehör gebracht wurde. Daß Reclam'I „Universalbibliothek" neben den poe tische» und unterhaltenden Schriften, die sie in großer Aus wahl bietet, auch der ernster» Wissenschaft zur Verbreitung in weitern Kreisen verhilft, zeigt unter anderm da« in ihr erschienene Doppelbändchen: „De« Kaiser« Marcus Aureliu« Antoniu« Selbstbetrachtungen. Neue Uebersetzung mit Einleitung und Anmerkungen von 0r. Albert Wittstock" (Leipzig, PH. Reclam juo.). Marc Aurel war bekanntlich ein Schüler der Stoa und zwar einer der edelsten Philosophen, nicht blo« in seinen Schriften, sondern auch in seinem Leben, sodaß der Kirchenvater Augustinus sein Beispiel sogar den Christen zur Nachahmung empfahl. E« ist ganz verdienstlich, daß hier dessen „Selbstbetrach tungen" durch Erläuterungen auch nichtgelehrten Kreisen verständlich gemacht u»d näher gebracht werden.