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Jannis Ritsos und Mikis Theodorakis Die 7. Sinfonie ist das fünfte und vorläufig letzte Ergebnis einer frucht baren Beziehung, die für Theodora kis 1940 begann. Damals las er erstmals Ritsos’ Poeme „Frühlings sinfonie" und „Marsch des Ozeans". Daß Theodorakis mehr als 40 Jahre später diese Textgrundlage für seine siebente Sinfonie benutzte, zeugt von der Tiefe und vielleicht a priori von der Notwendigkeit jener Be ziehung: „Ich kannte Ritsos nicht persönlich. Ich entdeckte ihn in meiner Jugend und bin sehr froh, daß ich nach so vielen Jahren in meiner siebenten Sinfonie seine Ge dichte, die mich damals geprägt haben, verwendet habe. Trotz der Entfernung, die uns immer trennte, und der parallel verlaufenden Ent wicklung bildete sich in uns eine gleiche Sensibilität heraus, die in unseren gemeinsamen Werken — den .Epitafios'-Liedern 1958, dem .Romiosini'-Zyklus 1966, den ,18 klei nen Liedern der bitteren Heimat', den .Vierteln der Welt' 1978 und jetzt in der siebenten Sinfonie — zum Vorschein kam, gleichsam nur einen Menschen betreffend, der sich mit zwei Sprachen ausdrückt." Jannis Ritsos verbrachte seine Kind heit in einem „ärmlichen Hause, wo alle gestorben sind", wie er später in der „Frühlingssinfonie" schrieb. Das war dem am 1. Mai 1909 ge borenen Dichter nicht in die Wiege gelegt. Viel Ackerland und zahl reiche Weingärten auf seiner Ge burtsinsel Monemvasia im Nord westen der Pelopones und auf dem umliegenden Festland gehörten sei nem Vater, der einer reichen Adels familie entstammte. Dennoch brach ten die Auswirkungen der Agrar reform und des ersten Weltkrieges sowie die Spielsucht des Vaters den finanziellen Ruin der Familie. Den Jungen, der schon mit acht Jahren, angeregt durch seine humanistisch gebildete Mutter, Gedichte schrieb, Klavier spielte und malte, berührte das damals kaum. Umso mehr mußte ihn der Tod der Mutter 1921 treffen, nur drei Monate nach dem Tod des Bruders. Im Sommer des gleichen Jahres wurden er und seine Schwester Lula in das Gymnasium von Jithion aufgenommen, das sie 1925 beendeten, um anschließend in Athen nach Arbeit zu suchen. Ritsos arbeitete in den nächsten Jahren als Sekretär, Kalligraph, Regisseur und Schauspieler in ver schiedenen Büros und Theatern. Dann befiel ihn die Tuberkulose, die ihn zwang, bis 1939 insgesamt sieben Jahre in Sanatorien zu ver bringen. 1933 trat er der lin ken Kulturvereinigung „Protopori" (Avantgardisten) bei. Seine soziale Zugehörigkeit und sein Streben nach Totalität, nach umfassender Weit sicht bekundete er bereits in den gereimten Gedichten der ersten beiden Bände „Traktor" (1934) und „Pyramiden" (1935), in den Gedich ten „An Marx" und „An Christus" ebenso wie in der „Ode an die Freude" oder in „Deutschland", ein Gedicht, das bereits 1933 als Reaktion auf die Bücherverbrennun gen entstand. Das gleiche Schicksal erlitt auch Ritsos’ drittes Buch „Epitafios“ (Epi taph), das der am 4. August 1936