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bleibt. Auch in dieser Richtung solle« umfassende Lorlagen erfolgen. Die Verwaltungsreform wird nicht, wie einzelne pessimistische Stimmen prophezeiten, sistirt; vielmehr werden Erweiterungen derselben nach mehreru Seiten hin in Aussicht gestellt. Daß dabei zugleich eine „Revision" der betreffenden Gesetze „zur Beseitigung der bei ihrer Handhabung hervorgetretenen Mängel" aogekündigt wird, kann nicht überraschen. Die Volks» Vertretung, wird darüber zu wachen haben, daß diese „Revision", dem hier gegebenen Versprechen gemäß, nur „unter Aufrechthaltung der Grundlage» derselben" zu Stande komme. Die Zusage der „Förderung" von „Kreis- und Provinzialordnungen", wo solche noch fehlen, wird gewiß erwünscht sein. Noch wird der Landtag sich mit einer neuen Jagd ordnung Und einem Gesetz« zum Schutze der Felder und Forsten zu beschäftigen haben. Bis hierher ist die Thronrede rein geschäftlich. Später erhebt sie sich zu einigen allgemeinen Betrach tungen. Zuerst deutet sie hin auf die Durchführung der durch die Reichsgesetzgebung hoffnungsvoll ange bahnten wirthschaftlichen Reform, „auch auf dem Boden der preußischen StaatSrinrichtüngen", wofür sie ver trauensvoll die Unterstützung des Landtags in Anspruch nimmt. Damit können bewandten Umständen nach doch nur die Veränderungen in der preußischen Finanz- und Steuergesetzgebung gemeint sein, die auS der Re form der indirekten Steuern im Reiche fließen. Die Thronrede schließt mit Wünschen für „Aus gleichung mancher Gegensätze" und für „Förderung des Friedens auch im Innern nach allen Richtungen hin" — Wünschen, von denen man sicher sein kann, daß der hochherzige und selbstlose Sinn des Kaisers, der sich soeben auf dem Gebiete der großen deutschen Politik in so rührender Weise bewährt hat, sie auf das In nigste hegt und gewiß, soviel an ihm ist, zur Wahr heit werden zu lassen bemüht sein wird. Vom preußischen Landtage. * Sertin, 28. Oct. Das Herrenhaus hielt Heute seine erste Plenarsitzung. Am Ministertische niemand. DaS Haus ist stärker besucht als früher bei ähn lichen Gelegenheiten. Man bemerkt unter andern Feld- marschall Graf v. Moltke, StaatSminister a. D. Camp hausen, Staatssekretär vr. Friedberg und den nku in das Herrenhaus berufenen Staatsminister vr. Frie denthal. Der Präsident der vorigen Session, Herzog v. Ra- tibor, eröffnete auf Grund des ß. 1 der Geschäfts ordnung die Sitzung um 1^ Uhr, ernennt zu provi sorischen Schriftführern die Herren Dieze, Thenne, v. Neumann und Graf v. Zieten-Schwerin, und richtet an das HauS folgende Ansprache: Meine Herren! Bevor wir unsere Arbeiten beginnen, taffen Sie uns mit Dank gegen Gott daran gedenken, daß wir in der gegenwärtigen Session nicht wie in der vorigen unter dem Drucke eines tiefverletzten patriotischen Gefühls .«intreteb, sondern daß wir uns freuen können, daß Gottes Gnade sich so reichlich und mannichfaltig an Sr. Maj. be währt hat. Sr. Maj. dem Könige und seiner durchlauch tigsten Gemahlin wurde die hohe Freude der Goldenen Hochzeitsfeier zutheil, bei der auch da« Präsidium des Herren hauses die Gefühle der ehrfurchtsvollsten und ehrerbietigsten Theilnahme auszusprechen die Ehre hatte. In wiederher gestellter Gesundheit und Rüstigkeit widmet sich der allver- ^hrte, greife Monarch den Obliegenheiten seine« hohen kö niglichen Berufs. Wie wir heute, so haben davon in den vorigen Wochen die beiden Provinzen Preußen und Pom mern und die Reichslande unmittelbar Zeugen sein können. Gott erhalte Se. Maj. noch lange in ungeschwächter Kraft und Gesundheit, und um Zeugniß davon zu geben, daß Sie mit mir einverstanden sind, fordere ich Sie auf, in den Ruf einzustimmen: „Se. Maj. unser allergnädigster König und Herr, er lebe hoch! und nochmals hoch! und immer hoch!" (Das Haus erhebt sich und stimmt begeistert drei mal in den Rus ein). Hierauf macht der Präsident Mittheilung von den Heit dem Schluffe der vorigen Session in dem Perso nalbestände des HauseS erfolgten Veränderungen. Es sind verstorben die Herren Generalfeldmarschall Graf v. Roon, Oberbürgermeister Offenberg-Münster, Frhr. «. Senden, v. Jena auf Köthen, v. ChlapowSki-Turew, Generalauditeur vr. Fleck, Landhofmrister im König reich Preußen Graf zu Eulenburg-Wicken, Bürger meister Denhard-Stralsund, Wirkt. Geh. Oberfinanz- -rath a. D. Wilckens. Die Mitglieder erheben sich zum ehrenden Anden ken an die Gestorbenen von ihren Sitzen. Neu in das HauS berufen, resp. bereits eingetreten sind die Herren Geh. Regierungsrath Bredt-Barmen, »uf Lebenszeit aus allerhöchstem Vertrauen ins Her renhaus berufen; Frhr. v. Dodenhausen; Frhr. ».Boh len; Rittergutsbesitzer v. Borcke-Grabow; Geh. Justiz- rath Bürgers-Bon»; Frhr. v. d. BuSsche-Jppenburg; Kammerherr v.Brand-Lauchstedt; Scnatspräsident Egge ling, zugleich mit der Berufung zum Kronsyndikus; Graf zu Eulenburg-Liebenburg; Oberbürgermeister vr. w. Forckrnbeck Berlin; Oberbürgermeister FriedenSburg- BreSlau; StaatSminister vr. Friedenthal; Bürgermei ster Helfritz-GreifSwald; Geh. Commerzienrath Lothy- chiuS - Sankt - Goarshausen; KammergerichtSpräsidrnt Meyer, zugleich als KronsyndikuS; Graf Matuschka; Oberpräsident Frhr. v. Münchhausen; Fürst v. Ra- dolin-Radolin-ki; Fürst Ferdinand Radziwill; Frhr. v. Scheel-Pleffen; Oberbürgermeister v. Scheffer-Boi- chorst; Graf v. d. Schulenburg-Lieberose und Graf zu SolmS-Baruth. Auf der Tagesordnung steht die Constituirung des HauseS; der Namensaufruf ergibt 86 anwesende Mit glieder, das HauS ist demnach beschlußfähig. Graf zur Lippe «»acht den Vorschlag, das Präsidium der vorigen Session durch Akklamation wiederzuwählen. Da ein Widerspruch nicht erfolgt, so ist das vorjäh rige Präsidium (Herzog v. Ratibor, Graf v. Arnim- Boitzenburg und Oberbürgermeister Hasselbach) wieder- gewählt. Sämmtliche Herren erklären sich zur An nahme der Wiederwahl bereit. Zu Schriftführern wählt daS HauS auf Vorschlag dts Grafen Rittberg die Herren vr. Dernburg, Diez«, Graf v. Königsmarck-Plaue, v. Neumann, v. d. Osten, v. Schöning, Theune und Graf v. Zieten-Schwerin. Die Abtheilungen werden sich morgen um 12 Uhr constituiren und die Wahlen der Fachkommissionen vornehmen. Nächste Sitzung Mittwoch 1 Uhr. Tagesordnung: Vereidigung der neueingetretenen Mitglieder, Wahl zweier Mitglieder für die statistische Centralcommission, Beschlußfassung über die geschäftliche Behandlung der bereits eingegangenen Gesetzentwürfe betreffend die Er gänzung der Vorschriften über die Verhältnisse der Dienstboten und betreffend die vagirenden und Gast gemeinden der evangelischen Kirche in der Provinz Schlesien. DaS Abgeordnetenhaus trat nach 1 Uhr zu sammen, die Abgeordneten fanden sich in so großer Zahl im Hause ein, daß die Beschlußfähigkeit ohne jeden Zweifel mehr als erreicht war. Um 1 Uhr 25 Min. eröffnet Abg. v. Bockum- Dolffs die Sitzung mit folgenden Worten: Meine Herren! Nach den Ermittelungen de» Bureau bin ich das älteste Mitglied des Hause«. Ich bin am 19. Febr. 1802 geboren; ich stelle an da« HauS die Frage, ob jemand da ist, der früher geboren ist. DaS ist nicht der Fall. Wir beginnen unsere Arbeiten, die, so Golt will, dem Lande zum Segen gereichen mögen, mit dem Rufe, der in Ehr furcht und Treue erschallt: „Se. Maj. der Kaiser von Deutschland und König von Preußen Wilhelm, er lebe hoch I nochmals hoch ! und abermals hoch!" (Das Hau« stimmt dreimal begeistert M.) Meine Herren, ich Nehme an, daß wir die bisherige Geschäftsordnung bis auf weitere« beibe halten. Infolge dessen ernenne ich die Herren Abg. Sachse, Frhr. v. Minnigerode, Grütering und vr. Langerhans zu Schriftführern. Nach Art. 108 der preußischen Verfassungs urkunde haben die Mitglieder de« Hauses den Eid auf die Verfassung zu leisten; diejenigen Herren, welche das noch nicht gethan haben, werden später dazu aufgefordert werden. Ich mache auf 8- 6 unserer Geschäftsordnung aufmerksam, nach welchem die Weigerung des Eide« auf die Verfassung von der Mitgliedschaft de» Hauses ausschließt. Die Verlosung in die Abtheilungen kann noch heute stattfinden, und werde ich mir erlauben, die letzter» sür morgen 11 Uhr früh zur Vor nahme von Wahlprüfungen einzuladen. Hiermit schließt die Sitzung um 1 Uhr 35 Min. Nächste Sitzung Donnerstag 2 Uhr; Tagesord nung: Wahl des Präsidiums und der Schriftführer. Die Evangelische Generalshnode in Berlin. In der Sitzung am 28. Oct. ist der erste Gegen stand der Tagesordnung die Berathung eines Antrages der rheinischen Provinzialsynode, dahin gehend, daß den Geistlichen die Ablehnung, resp. Niederlegung der Schulinspection ohne ausdrückliche Zustimmung des ConsistorinmS gestattet und nur die Erwartung ausge sprochen werde, daß sie den bezeichneten Schritt nur nach motivirter Anzeige an die kirchliche Aufsichtsbe hörde und zwar erst 14 Tage nach dieser Anzeige thun. Referent EvertSbusch empfiehlt, dem Anträge der rheinischen Synode zuzustimmen, wogegen Oberkirchen- rathspräsident Hermes den vom Oberkirchenrath bisher festgehaltencn entgegengesetzten Standpunkt vertritt und unter Betonung der Möglichkeit, daß die durch die Schul- aufstchtsfrage hervorgerufene MiSstimmung manchen Geistlichen zur unbedachten Niederlegung der Schul inspection verleiten könne, den Uebergang zur Tages ordnung anheimgibt. Die Synode beschließt hierauf Uebergang zur Tagesordnung. ES folgt der Bericht der Finanzcommission über die Vorlage, betreffend die Feststellung des Vertheilungs- maßstabeS für die Kosten der Generalsynode. Ohne Debatte wird auf Antrag der Commission der Ver- theilungSmaßstab dahin festgestellt, daß die Kosten auf die Provinzen der Landeskirche nach Maßgabe der Ge- sammtleistung der evangelischen Gemeindeglieder an Klassen- und classificirter Einkommensteuer aufgebracht werden, die Grund- und Gebäudesteuer also, welche die Vorlage gleichfalls in Rechnung stellte, außer Be tracht bleibt. Dritter Gegenstand ist der Bericht der PetitionS- commission über eint Petition des Vorstandes der Kreissynode Franzburg, betreffend Aenderung der Ferieu- ordnung der höhrrn Schulanstalten im Interesse der Sonntagsruhe und Sonntagsheiligung. Der Referent Herbst, beantragt namenS der Com mission, den Oberkirchenrath aufzufordern, an geeig neter Stelle dahin wirken zu wollen, daß bei Fest setzung der Ferien in den höhern Lehranstalten sowie in den MilitärbildungSanstaltrn thunlichst darauf Rück sicht genommen werde, daß den Schülern der Besuch des Sonntagsgottesdienstes sowie die SonntagSheili- gung überhaupt nicht beschränkt werde. Nach kurzer Empfehlung dieses Antrages durch vr. Baur wird der selbe mit großer Majorität angenommen. Deutsches Reich. Preußen. Die National-Liberale Correspondeng schreibt über die Thronrede, dieselbe habe mit Aus nahme der Einen Stelle, wo der Kaiser-König mit ge rechter Befriedigung auf die zahlreichen Kundgebungen der Liebe und Treue anläßlich der Goldenen Hoch- zeitSseier hinwies, einen streng geschäftlichen nüchterne» Ton und Inhalt. „Sie grenzt den Arbeitsstoff der jetzt beginnenden Session,ganz in der Weise ab, wie schon seit geraumer Zeit bekannt gewesen. Im Mittel punkt steht die Feststellung des Etats. Die Thron rede bestätigt, daß die Wirkungen der Steuer- und Zollreform im Reiche auf die Finanzlage des preu ßischen StaateS bisher noch nicht von entscheidender Bedeutung gewesen sind, daß bei dem noch immer auf der Erwerbsthätigkeit lastenden Druck das Gleich gewicht zwischen regelmäßigen Einnahmen und Aus gaben nicht herzustellen war, daß das Deficit wieder durch eine Anleihe gedeckt werden muß. Eine durch greifende Reform der direkten Besteuerung wird bi» auf günstigere Zeiten Vorbehalten; einstweilen wird auf dem Gebiete des staatlichen Steuerwesens nur der bekannte, zunächst einen rein theoretischen Werth be sitzende Gesetzentwurf über die Verwendung von Ueber- schüffen au- der Reichs-Steuerreform zu Erlassen an der Klassen- und Einkommensteuer vorgelegt werden. In stärkerm Maße wird auf dem Gebiete des Com- munalsteuerwesens die Gesetzgebung in Anspruch ge nommen werden. Nicht nur das Gesetz über die Auf bringung der Gemeindenabgaben wird wiederum ein gebracht, sondern auch die Einführung einer Schank- steuer und einer Besteuerung der Wanderlager vorge- fchlagc» werden. Weiter kündigt die Thronrede dir großen Eisenbahnvorlagen an und im Zusammenhang mit dem Ankauf wichtiger Privatbahnen den Ba» neuer Eisenbahnlinien. Daneben soll auch ein um fassender Plan über die Verbesserung der Wasserstraßen in der ganzen Monarchie vorgelegt werden. Auf dem Gebiete der Verwaltungsreform sollen Abänderungen in der Einrichtung der höhern Verwaltungsbehörden und eine Ausdehnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit sowie der Vorschriften über die Zuständigkeit und da» Verfahren der Verwaltungsbehörden auf das ganze Staatsgebiet vorgeschlagen werden, unter gleichzeitiger Revision der bezüglichen Gesetze. Eine neue Jagd ordnung und die aus der vorigen Session bekannte Vorlage über den Schutz der Felder und Forsten bil den den Schluß der in der Thronredx angekündigten gesetzgeberischen Arbeiten. Es ist sehr bemerkt wor den, daß über Gesetzentwürfe aus dem Reffort de- Cultusministcriums nicht ein Wort in der Thronrede enthalten ist. Weder auf dem Gebiet der Schule noch der Kirchenpolitik wird irgendeine Vorlage in Aussicht gestellt; der Lage des «Kulturkampfes», der Verhand lungen mit Rom wird nicht einmal mit einer Andeu tung gedacht; eS wird nur der vieldeutige Wunsch geäußert, daß die Session den Frieden auch im In nern nach allen Richtungen fördern möge. Im übrigen aber geht die Thronrede über all die Fragen, die recht eigentlich den Mittel- und Schlüsselpunkt unserer ganzen politischen Situation bilden, mit absolutem Stillschweigen hinweg. Man wird daraus schließen dürfen, daß auf diesem Gebiete alles noch viel zu wenig geklärt und vorgeschritten ist, als daß es die Regierung rathsam fände, sich jetzt schon nach irgend einer Seite die Hände zu binden. Man wird mit Sicherheit nur annehmen können, daß für den Augen blick wenigstens gesetzgeberische Maßnahmen auf diesem Gebiete nicht in Aussicht genommen sind. Auch die im Vordergründe des allgemeinen Interesses stehende» Fragen der auswärtigen Politik wurden in der Thron rede nicht berührt. Dieselben gehören freilich zur Competenz des Reiches, aber im Hinblick auf die lange Zeit, die noch bis zur ReichStagSsesston auSsteht, war doch vielfach der Wunsch gehegt worden, die Thron rede möchte einige Aufschlüsse bringen." — Die National-Zeitung bemerkt zu der Feierlichkeit der LandtagSeröffuung: „Der Kaiser überraschte die Anwesenden durch die Frische seiner Erscheinung und namentlich ist hervorzuheben, daß er die Thron rede mit ausnehmend wohlklingender und kräftiger Stimme verlaS; die erhebliche Länge derselben brachte allerdings die Nothwendigkcit mit sich, einmal eine