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Nr. 257. Leipzig. Erschein! außer Sauata»». !L,lich. Preis «ierieijührlich 7R. ged« ei»,eine Numeacr ««. Deutsche Mgemeiuc Zeitung. «Nahrheit »d Recht, Freiheit >vd Seseh!» Sornttag, 2. November 1878. Zuscralr sind a» die «spediti»» t» Letp,i, »» se»de». 2»strtl»>»,ed«tze fSr die e»altt»»«u« — Wi, »all itt>^-s»ü»< », W. Telegraphische Depeschen. »Serlin, 31. Oct. Sr. Maj. gedeckte Cor- »ette Bismarck, 16 Geschütze, Commandant Cor- veitenkapitän Deinhard, hat am 8. Aug. Apia ver- lassen und ankerte am 24. Aug. im Hasen von Syd ney. Sr. Maj. Kanonenboot Comet, 4 Geschütze, Commandant Kapitänlieutenant Frhr. v. Senden- Bibran, ist am 30. Oct. in Kiel eingetroffen. Sr. Maj. Glattdeckscorvette Freya, 8 Geschütze, Commandant Corvettenkapitän v. Hippel, ist am 28. Oct. in Plymouth eingetroffen. *varmfladt, 31. Oct. Die II. Kammer hat den Verkauf des hessischen Antheils an der Main- Weser-Bahn in namentlicher Abstimmung mit 31 gegen 17 Stimmen abgelehnt. »Wien, 29. Oct. abends. Abgeordnetenhaus. Abendsitzung: Bei der fortgesetzten Adreßdebatte erklärte der Minister präsident Gras Taaffe, das Ministerium habe sich die schwie rige Aufgabe gestellt, eine Verständigung und Versöhnung zwischen den Parteien herbeizuführen. Eine Vermittlerrolle sei eine undankbare, aber in diesem Falle eine patriotische. Da« Ministerium sei kein Parteiministerium. Wäre es ein solches, dann könnte es nicht geeignet sein, über den Par teien zu stehen. Solle eine Versöhnung zu Stande kom men, so müsse ein theoretischer Kampf vermieden werden, denn der Bestand der Verfassung und die Rechtswirksamkeit derselben könne und dürfe nicht mehr in Frage kommen. Da aber der Adreßentwurs der Majorität, abgesehen von einzelnen herben Worten, welche im Laufe der Debatte ge fallen seien, gerade in jener politischen Richtung, auf welche die Action der Regierung abziele und welche eine Verstän digung der entgegengesetzten politischen Parteianschauungen auf dem Gebiete praktischer Fragen und die Vermeidung jeden Haders auf staatsrechtlichem Gebiete bezwecke, sich dem Geiste und dem Wortlaute der Thronrede anschließe, so könne die Regierung nur empfehlen, den Adreßentwurs der Majorität als Grundlage für die Gpecialdebatte anzunehmen. (Lebhafter Beifall rechts.) Hiernach wurde der Antrag auf Schluß der Debatte bei namentlicher Abstimmung mit 168 gegen 130 Stimmen angenommen und sodann der Schluß der heutigen Sitzung beschlossen. Morgen werden die Generalredner sprechen. * Wien, 3l7Dtt. Bom NLg eor wurde der Adreßentwurs der Minorität in der General debatte bei namentlicher Abstimmung mit 176 gegen 155 Stimmen abgelehnt, dagegen der Adreßentwurs der Majorität mit 176 gegen 162 Stimmen angenom men. Der Ministerpräsident Graf Taaffe gab die Er klärung ab, daß sich das Ministerium, weil über den Parteien stehend, an der Specialdebatte nicht betheiligen werde. Der Adreßentwurs wurde darauf in zweiter und dritter Lesung angenommen. * Aom, 31. Oct. Der Diritto veröffentlicht einen Artikel über die äußere Politik Italiens, in wel chem constatirt wird, daß die Ausschließung Italiens aus dem ägyptischen Ministerium Nubar-Pascha'S sich sür die beiden Westmächte nachtheiliger als für Ita lien erwiesen habe und nur eine Annäherung Italiens, Deutschlands und Oesterreichs in der ägyptischen Finanz ¬ frage zur Folge hatte. Europa befinde sich heute in einer jener Situationen voller Ungewißheit, die ge wöhnlich großen Ereignissen folgten. Während einer solchen Zeit, in welcher alte Allianzen wechseln und neue Combinationen auftauchen, sei für Italien Samm lung und Ruhe das Klügste. Die gegenwärtigen Be ziehungen Italiens zu allen Mächten seien offenbar gute. Italien wünsche auch keine besonder» Allian zen, sondern nur die Erhaltung seiner freundschaftlichen Beziehungen mit allen. Diese Politik der Sammlung und des Friedens, welche indeß keine unsichere und ziellose sei, bezwecke die einträchtige Entwickelung der VolkSwirthschaft und die Vollendung der finanziellen, administrativen und militärischen Reorganisation des Landes, damit dasselbe seine Allianzen, wenn erfor derlich, in freier und wirksamer Weise wählen könne. Auf solche Weise werde Italien die gegenwärtigen Schwierigkeiten überwinden und offen einer ungewiffen Zukunft entgegenblicken können. Vom preußischen Landtage. «Serbin, 31. Oct. Am Ministertische Finanz minister Bitter, Geh. Oberfinanzrath Rötger. Präsident v. Köller eröffnet die Sitzung um 1 Uhr 20 Min. mit geschäftlichen Mittheilungen. Finanzminister Bitter: Ich habe die Ehre, mit allerhöchster Ermächtigung dem hohen Haufe den Staatshaushalt für 1880/81 im Entwurf vorzulcgen, sowie den dazu gehörigen Gesetzentwurf. Ich bitte um die Erlaubniß, sür diese Vorlage einige erläu ternde Bemerkungen machen zu dürfen, welche dazu bei tragen sollen, die Finanzlage, wie sie sich eben zeigt, aufzu- klären und zugleich die Bedingungen erkennen zu lassen, unter denen die Aufstellung hat erfolgen müssen. Die Einnahmen des neuen Entwurf« beziffern sich im Ordinarium auf 720,712391 M., die Ausgaben auf 726,319741 M., sodaß eine nichtgedeckte Mehrausgabe von 5,607350 M. übrigbleibt. Im Vergleiche mit dem, Wa in dem laufenden CtatSdrficit im Ordinarium ausgebracht ist, ergibt sich gegen den vorigen Etatscntwurf ein Min derbetrag von 8,324263 M. Wenn ich gleich von vörn- b««w-chiuzufüg^ daß-Paa Deficit im Extraordiuarium 42,642650 M. beträgt, so ergibt fich auch bei dieser Zahl gegen das Deficit des Vorjahres ein Mindcrbetrag von 16,236042 M., im ganzen also ein geringerer Betrag im Deficit von 24,561305 M. Ich bin weit entfernt, meine Herren, dieses Ergebniß der jetzigen Etatsausstellung als ein sehr günstiges zu be zeichnen; aber auf der andern Seite stellt sich doch heraus, daß die Krists, welche so wesentlich auf die Verringerung der St-alSeinnahmen hingewirkt hat, in einen gewissen Stillstand gerathen ist. Wenn man annehmen kann, nach den von allen Seiten kommenden Nachrichten, daß über haupt der Verkehr, die öffentliche Lebendigkeit und Arbeit wieder regelmäßigere Bahnen einzuschlagen beginnt, so darf vielleicht mit einiger Voraussicht erwartet werden, daß es in absehbarer Zeit möglich sein wird, das Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben wiederherzustellen. Die Einnahmen betrugen 1879—80 638 Mill. M., es ist also eine Mehreinnahme nachgewiesen von 82,600000 M.; ich möchte bitten, daß Sie aus dieser erheblichen Ziffer keine zu großen Schlüffe ziehen. In dieser Mehreinnahme be ¬ finden sich rund 68 Mill. M., welche den Hinterleguugs- gelkern angehören, die jetzt der Staatskasse zufließeu und nur als durchlaufende Poft behandelt werden können, e« bleiben dann noch 14,600000 M. Diese immerhin er wünschte Mehreinnahme würde sich aber in eine nicht unbe deutende Mindereinnahme verwandeln, wenn nicht aus den Ueberschüssen der Reichssteuern 23,900000 M. angesetzt wären. Diesen gegenüber steht die nicht unbedeutende Summe von Matricularbeiträgen, welche sich auf 43,641553 M. beziffern. E« könnte ja nun in Frage kommen, ob in Gemäßheit der Vereinbarung vom Februar diese» Jahres es nicht er wünscht sein würde, den genanntenBetrag von 23,900000 M., welcher au« den Erträgen der Zölle und der TabackSsteuer au» Preußen kommt, zu Steuererlassen zu benutzen. Ich habe jedoch geglaubt, nach sehr ernsten Erwägungen, diese Frage verneinen zu müssen. Es kommt vor allen Dingen darauf an, das Gleichgewicht im Etat wiederherzustellen, und ich bin der Meinung, daß e« unmöglich ist, vorher mit Steuererlassen einzutreten. Es muß dieses die erste und wichtigste Aufgabe sein und bleib-n für mich und jeden meiner Nachfolger. Ich stehe auf dem Standpunkte der altpreußischen Finanzpolitik, welche das Vaterland unter den schwierigsten Verhältnissen in den Stand setzte, allen großen Aufgaben gerecht zu werden, und es auf diejenige Stelle erhob, welche es jetzt im Rathe der Völker einnimmt und die ihm schwerlich wieder entrissen werden wird. Ich kann wol also nicht eher an Steuererlasse herantreten, bi« die Verhältnisse sich derartig gestaltet haben, daß der Staats credit und das Gleichgewicht de« Etats nicht mehr ge fährdet sind. Daraus folgt, daß hier wie in der altpreußischen Staats- wirthschaft, wenn auch heute unter wesentlich veränderten Grundbedingungen, es darauf ankommt, die äußerste, strengste Ordnung beizubehalten oder wiederherzustellen (was glück licherweise bei uns nicht nöthig ist), außerdem aber aller größte Sparsamkeit eintreten zu lassen und alle nicht un bedingt nothwendigen und Luxusausgaben auf bessere Zeiten zu verschieben. (Bravo! recht«.) Nur auf diesen Grund lagen ist eine richtige Behandlung der Finanzsrage de« Staate« möglich. Ich will mich damit keineswegs ableh nend gegen solche Ausgaben aussprechen, welche al« pro ductive zu bezeichnen sind, welche der Arbeitskraft, der Thätigkeit und dem Erwerbe der Nation neue Quellen er öffnen und staatö- und volkswirthschastlich zu erachten find; auch in allen Fragen, welche die Intelligenz der Nation fördern, sowie in allem, was den idealen Gütern der Na tion zugute kommen soll, werde ich bereit sein da« Mög lichste zu thun, aber auch niemals werde ich zweifelhaft sein, wenn e« gilt, durch irgendwelche Ausgaben die Ehre, Würde und Sicherheit des Vaterlandes zu stützen und zu heben. Nach dieser Abschweifung wende ich mich zu dem Etat zurück. Zur Vergleichung muß ich auf die Resultate der Finanzverwaltung von 1878/79 zurückgehen, weil diese einen bestimmten Einstuß auf den laufenden und den nächsten Etat ausüben. Diese Resultate sind recht ungünstige. (Hört, hört!) Schon mein Herr Amtsvorgänger hat bei anderer Gelegenheit bedeutende Ausfälle für die Staatsverwaltung in Aussicht gestellt. Es hat sich bei der Uebersicht und Zu sammenstellung der Einnahmen und Ausgaben ergeben, daß trotz der Einstellung einer außerordentlichen Einnahme in den Etat ei» Deficit von 8,744544 M. übrig ist, welche« durch die lausende Verwaltung nicht gedeckt werden kann, sondern nur durch eine Anleihe, wozu Ihnen der betref fende Gesetzentwurf zugehen wird. Die Gründe diese« ungewöhnlich ungünstigen Abschlusse« beruhen in der außerordentlichen Verminderung der Ein nahmen au« den Staatsbetrieben. Die indirecten Steuern ergaben weniger gegen früher 3 Mill., die Forstverwaltung Die deutschen Lebensverficherungsanstalten im Jahre 1878. Wie alljährlich, so ist auch diesmal im Bremer Handelsblatt eine Uebersicht des Zustande« und der Fortschritte der deutschen Lebensversicherungsanstalten erschienen, die auch in Separatabdrücken verbreitet wird. Wir entnehmen dieser verdienstlichen Arbeit (die, irren wir nicht, aus der Feder des Or. Emming- haus, DirectorS der Gothaer LebenSversicherungSgesell- schaft, stammt) zunächst folgende allgemeine Betrach tungen: „Die deutsche Lebensversicherung hat sich auch im vorigen Jahre noch nicht wieder zu irgend erheblichem Fortschritt« aufgeschwungen. Der BruttozuwachS an Versicherten und Versicherungssummen und der Rein- zuwachS an Versicherungssummen war verhältnißmäßig geringer als in irgendeinem frühern Jahre, für wel ches derartige Untersuchungen angestellt worden sind. Muß die erstere dieser Thatsachen vorzugsweise dar auf zurückgeführt werden, daß es den sonst zur Lebens versicherung geneigten Personen neuerdings mehr denn je an den hierzu erforderlichen verfügbaren Mitteln gebrach, so hat die andere gewiß zum Theil ebenfalls ihren Grund in dem Daniederliegen aller Geschäfte, welches je länger je mehr breite Schichten der Be völkerung zur größten Einschränkäng nöthigt und ihnen selbst die Preisgabe theucr erkaufter Ansprüche auf zwingt; zum andern Theile aber ist sie ohne Zweifel veranlaßt durch gewisse schon geraume Zeit wuchernde Mängel im Geschäftsbetriebe vieler deutscher Lebens- vcrsichcrungsanstalten, und zwar durch solche Mängel, welche am deutlichsten wiederum in «schlechten Zeiten» zu Tage treten. Von 3330,824753 M., welche bei 35 deutschen Anstalten vom Beginne ihrer Wirksamkeit bis zum Schluffe des Jahres 1878 im ganzen versichert wur den, sind 1024,013241 M. oder mehr als 30 Prcc. bei Lebzeiten der Versicherten wieder abgegangen! Im vorigen Jahre allein gingen bei denselben Anstalten Versicherungen zum Belaufe von nahezu 101 Mill. M. oder von beinahe 5 Proc. ihres gesammten Bersiche- rungsbcstandeS bei Lebzeiten der Versicherten ab! Der weitaus größte Theil davon besteht aus solchen Ver sicherungen, welche von den betreffenden Versicherten mit Verlust wieder aufgegeben worden sind. Es tritt hierin eine der traurigen Folgen zu Tage, welche das Geschäftemachen L tout prix, daS Arbeiten mit «Auf bietung aller Mittel» — ganz abgesehen von der hohen Steigerung der Verwaltungskosten und der Schmälerung der Prämienreserve — mit sich bringt und welche der Lebensversicherung einen Theil ihres hohen Nutzens für das Gemeinwohl raubt. Wie viele mögen unter den bei Lebzeiten abgegangenen Versicher ten sein, welche — ohne daß für sie die Lebensver sicherung paßte oder ohne daß ihre Einkommensverhält- niffe eine Gewähr für die dauernde Aufrechterhaltung ihrer Versicherungen gaben — nur durch Künste der Ueberredung, durch große Zudringlichkeit oder durch falsche Vorspiegelungen gewonnen worden waren! Die vorangedeuteten Ausschreitungen im Betriebe des deut schen LebenSverstchcrungSgeschäfteS datiren erst aus dem Anfänge der sechziger Jahre, zu welcher Zeit sie bei einzelnen Anstalten mit einer hohen Steigerung der Agentenprovisioneu eingeleitet wurden; seitdem habe» dieselben aber leider allmählich mehr und mehr um sich gegriffen und nur wenige Anstalten haben fich von denselben ganz frei erhalten. Neugründungen von Lebensversicherungsanstalten sind für das Jahr 1878 nicht zu verzeichnen, glücklicherweise aber auch kein Zu sammensturz einer solchen. DaS Experiment der Versicherung Ungesunder durch eine neubegründete Versicherungsanstalt (Allgemeine Lebensversicherungsanstalt zu Leipzig), das mit Freu den zu begrüßen, hat leider noch nicht recht Wurzel gegriffen." Es folgt eine Tabelle über den Geschäftsbetrieb von 35 Anstalten im Deutschen Reiche, 12 in Deutsch- Oesterreich (dem ehemaligen deutschen Bundesgebiet), 2 in der deutschen Schweiz, zusammen 49. Dann heißt es: „Es wurden im Jahre 1878 neue LebenSverfiche- rungcn beantragt: 76168 mit 286,245398 M. beiden 35 deutschen Anstalten, 23045 mit 59,926021 M. bei den 12 österreichischen Anstalten, 1978 mit8,985860M. bei den 2 schweizerischen Anstalten, zusammen 101191 mit 355,157279 M. Von den gestellten Anträgen wurden 21855 auf 85,539092 M. Versicherungssumme von den Anstalten wegen ungenügender Gesundheit der Antragsteller ab- gelehnt oder von den letzter» vor Ausfertigung der Policen wieder zurückgenommen. Die angenommene» 79336 Anträge führten den 49 deutschen LcbenSver- sicherungSanstalten 77128 neue Personen resp. Police» zu und lauteten zusammen auf eine Summe vo» 269,618187 M. Vcrsicherungskapital, sodaß der neue Zugang im Jahre 1878 in der Personenzahl um 512