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für den Rücktritt deS Grafen Andräffy der geeignetste. Wir sprechen hier nur eine Vermuthung, aber eine, wie wir glauben, durch mancherlei Thatsachen gerecht fertigte Bermuthung aus, wenn wir sagen, daß die Beziehungen zwischen Oesterreich-Ungarn und Rußland vielleicht schon in nicht ferner Zeit an einen entschei denden Wendepunkt gelangen dürften. Wie wiederholt erörtert worden, beginnt man in Rußland die Größe der Niederlage, welche man trotz so riesiger Opfer erlitten, erst jetzt so recht zu fühlen und man sucht dafür in erster Linie Oesterreich-Unzarn und Deutsch land verantwortlich zu machen. Es wird vielleicht in nicht allzu ferner Zukunft zwischen Wien und Peters burg zu ernsten Erörterungen kommen nnd eS ist viel- leicht besser, wenn dann Oesterreich-Ungarn nicht durch diejenige Persönlichkeit vertreten ist, welche als eigent licher Schöpfer des Berliner CongresseS gleichzeitig in Petersburg als der eigentliche Urheber der russischen Niederlage betrachtet wird. Vielleicht werden sich dann die Verhandlungen glatter abwickeln. Sollte dies je doch nicht der Fall sein, dann wird man in Peters burg und noch mehr in jenen wiener Kreisen, welche ihren noch immer mächtigen Einfluß nach wie vor zu Gunsten Rußlands in die Wagschale zu werfen geneigt sind, mindesten« nicht sagen können, daß die Schwierig keiten durch den «Magyaren, absichtlich herbeigeführt wurden, in dessen Adern kein Tropfen von der Milch gut österreichischer Denkungsart, sondern nur das gärende Drachengift der «revsacke pour Vilägos» fließt." Die Katastrophe in Afghanistan. 1- London, 9. Sept. Ueber die Revolte in Kabul liegen folgende neuere Nachrichten vor. Dem Reuter'schen Bureau wird au« Simla un- term 8. Sept, telegraphirt: „Drei meuterische Regi menter sind, wie verlautet, von Kabul abmarschirt. Das Verhalten der Grenzstämme ist gegenwärtig kein ungünstiges. In amtlichen Kreisen hält man Ajub» Shan und andere Häuptlinge in dem Verdacht, die Revolte in Kabul angezettelt zu habeu und an der selben betheiligt zu sein." Im Indischen Amt ist nachstehendes Telegramm des BicekönigS vom 7. Sept, eingegangen: „Keine neuen Nachrichten auS Kabul. Die gestrigen Berichte aus Ali-Khel melden, daß in Shutargardan und dem jenseits gelegenen Lande die Ruhe nicht gestört wurde und daß die Straße offen sei. Eine aus Ali-Khel vom 6. Sept, datirte Depesche beginnt wie folgt: «Die früher» Berichte über die Katastrophe werden bestätigt. Der Bote beschreibt, wie Badshah-Khan Ort und Stelle deS Unglücks besuchte. Er sah die Leichen der Ge sandten, deS Stabes und der Escorte. Von letzterer entkamen neun Reiter, die auf einer Fourrageexpedition abwesend waren. Die Vertheidigung war eine sehr hartnäckige; der Verlust der KabuliS war ein bedeu tender, man schätzt ihn auf über 100. Da die Meu terer außer Stande waren, den Platz zu stürmen, steckten sie den untern Thorgang in Brand, und als derselbe nachgab, schwärmten sie nach dem ober» Stock werk, überwältigten die Vertheidiger und plünderten den Platz. Der Emir ruft unsern Beistand an nnd Badshah-Kahn drückt den lebhaften Wunsch aus, sich uns anschließen zu dürfen.»" Den Daily News wird aus Allahabad unterm 7. Sept, gemeldet: „General Robert- wird durch den Shutargardanpaß unverzüglich auf Kabul vorrücken, unterstützt durch eine Bewegung vom Kheiberpaffe aus. Die Soldaten der Regimenter, welche sich in Kabul empörten, waren HeratiS, die unklugerweise nach der Hauptstadt gebracht worden. Sie hatten viel Ver legenheiten bereitet und der Emir versuchte sie nach Turkestan zu senden, aber sie wollten nicht marschiren. Daß ihnen selbst unbewaffnet der Zutritt zum Fort gestattet wurde, war ein fürchterlicher Fehlgriff." Eine weitere Depesche auS Allahabad vom näm lichen Datum meldet: „Die HcratiSregimenter, deren ich in meiner frühern Depesche erwähnte, verlassen Kabul. Der afghanische Gouverneur von Herat hat den Behörden seinen Beistand angeboten. In mili tärischen Kreisen in Simla heißt es, daß General Ro berts nicht eher vorrücken könne, bis hinreichende Trans portmittel beisammen sind, und der 9. Oct. wird als der wahrscheinliche Tag der Vorwärtsbewegung be zeichnet. Aus andern zuverlässigen Quellen wird in- deß versichert, General Roberts werde in 14 Tagen in Kabul sein. Es befinden sich bereits einige TranS- portwagen in Kurrum. General Doren befehligt die UnterstützungScolonne aus dem Kheiberpaß. Oberst Colley ist vom Cap telegraphisch hierher berufen worden." Dem Daily Telegraph wird auS Simla unterm 8. Sept, gemeldet: „Die Zerstörung des britischen Ge- sandtschaftSgebäudeS in Kabul sowie die Niedermetze- lung Sir Cavagnari's mit seinen Gefährten und der Escorte sind jetzt nur zu gewiß bestätigt. ES wird gleichzeitig gemeldet, daß Kabul selbst von dem Pöbel und den Soldaten geplündert worden sei, und man hegt Zweifel, ob nicht auch Jakub Khan ein Opfer deS Aufstandes geworden ist. Es herrscht bereits große Besorgniß, daß Jakub-Khan, um sich selber zu retten, zu den Insurgenten übergegangen sei; eS liegen indeß derartige Nachrichten bisjetzt nicht vor." Die mit der neuesten indischen Post in London eingetroffene Civil- und Militär-Gazette enthält eine vom 1. Aug. datirte Depesche aus Kabul, worin eS unter anderm heißt: „Ungeachtet der allgemeinen Be friedigung über den Vertrag (von Gundamak) gibt eS viele heftige Mohammedaner in Kabul, die einen Auf ruhr anzetteln würden, wenn sie die Gelegenheit dazu hätten. Die indische Regierung und der Gesandte sollten auf der Hut gegen Unfälle sein." Deutschs» Reich. Ueber die Zusammenkunft de» Deutsche» Kai sers mit dem Kaiser von Rußland schreibt die Provinzial-Correspondenz vom 11. Sept.: „Die Zu sammenkunft hat am Mittwoch, 3. Sept., und Don nerstag, 4. Sept., in Alexandrowa stattgefunden. Kaiser Wilhelm, welcher am Mittwoch früh die Reise nach Ostpreußen zur Theilnahme an den Manöver» deS 1. ArmeecorPS angetreten hatte, begab sich zunächst über Bromberg und Thorn nach der erwähnten rus sischen Grenzstation. Die Ankunft daselbst, wo der Kaiser von Rußland bereits um Mittag eingetroffen war, erfolgte um 3 Uhr nachmittags. Unser Kaiser wurde auf dem Bahnhofe vom Kaiser Alexander auf das herzlichste begrüßt. Am Nachmittag sowie am Morgen deS Donnerstag fanden wiederholt längere gegenseitige Besuche der beiden Kaiser statt. Don ¬ nerstag Nachmittag verließ unser Kaiser Alexandrows. Die Zusammenkunft hat erneut Zcugniß gegeben von den innigen Beziehungen, welche zwischen den beiden Monarchen bestehen." — Die «Tribüne» erhielt, wie sie bemerkt, „von guter Seite" folgende orientirende Darstellung: „Die Ursachen der Misstimmung zwischen dem berliner und Petersburger Cabinet scheinen durch die Kaiser- zusammenkunft in Alexandrows nicht gehoben zu sein, was auch wol kaum zu erwarten war, da dieselben nicht auf persönliche Verhältnisse zurückzuführen sind, ihren Grund vielmehr in den MiSerfolgen der rus sischen Orientpolitik haben, die sich nicht mit der Be freiung der Balkanslawen begnügen wollte, sondern die Herrschaft über die Länder der Balkanhalbinsel anstrebte. Solche Bestrebungen zu unterstützen, konnte nicht in der Intention des deutschen Reichskanzler- liegen. Wenn gleichwol die russische Regierung ge- raume Zeit hindurch sich der Hoffnung hingegeben, Fürst Bismarck werde den russischen Planen Vorschub leisten, so können doch Deutschland und sein Kanzler hierfür nicht verantwortlich gemacht werden. Fürst Bismarck, dem die letzten Ziele der russischen Orient politik nicht verborgen waren, hatte im Beginn des orientalischen Kriege» gar keine Veranlassung unv kein Interesse, dem offensiven Vorgehen der Russen gegen die Türken zu wehren; er mußte eS für daS Räth- lichste halten, den Ereignissen ihren Lauf zu lassen, und inzwischen auf die Wahrung der österreichischen Interessen Bedacht nehmen, die, soweit sie nicht gegen da» allgemeine civilisatorische Interesse verstießen, mit den deutschen Interessen durchaus identisch waren. Wenn nun, dank dieser Unterstützung der Interessen der Oesterreichisch-Ungarischen Monarchie von feiten Deutschlands, Oesterreich zum großen Theil di« Früchte der heroischen Anstrengungen Rußland» im letzten Kriege eingeheimst hat, so wird doch kein unbefangener Poli tiker und Staatsmann im Abendlande dem leitenden Staatsmanne Deutschlands hieraus einen Vorwurf machen, der, ohne einen Tropfen deutschen Blutes riskirt zu haben, in der Orientfrage europäische Politik im großen Stil getrieben und die weisen Staats männer Lügen gestraft hat, die nie ein andere» Di lemma kannten, als entweder Aufrechterhaltung der türkischen Herrschaft oder aber Ersetzung derselben durch das MoSkowiterthum. DaS Resultat der deut schen Orientpolitik gipfelt neben der Geltendmachung des civilisatorische» Interesses durch die Befreiung der Balkanslawen und die Förderung deS Hellenthuyl» in der Befestigung der deutsch-österreichischen Intimität. Diese letztere bildet zur Zeit eine mächtige Friedens bürgschaft, denn Oesterreich und Deutschland sind unter den europäischen Mächten am meisten krieg-tüchtig und kriegfertig; an der vereinten Macht der beiden mittel europäischen Reiche müssen sich alle KriegSrevanche- gclüste brechen. ES fehlt freilich nicht an Versuchen, den deutsch-österreichischen Bund zu sprengen; indeß dürften diese Versuche scheitern, da Oesterreich die Vortheile eines solchen Bunde- jetzt um so weniger verkennt, als eS seine Integrität Italien wie Ruß land gegenüber zu behaupten hat und eine wirksame, vollkommen ausreichende Garantie gegen den in erster Linie Oesterreich bedrohenden Panslawismus nur im Verein mit Deutschland geschaffen werden kann." — Der Magdeburgischen Zeitung schreibt man aus Berlin vom 10. Sept.: „Die Angabe, daß eine ben doch auch unsere ersten Meister ihr Bestes auf die Ausstellung gebracht und hierdurch ein recht instructiveS Bild ihrer Leistungsfähigkeit entrollt. Damit kann allerdings nicht gesagt werden, daß diese« Beste auch immer den künstlerischen Anforderungen gerecht werde; wir müssen im Gegentheil constatiren, daß unsere Ju weliere sich immer noch sehr von der Mode beein flussen lassen, und daß diese nur in seltenen Fällen wirklich Schönes, dagegen mit besonderer Vorliebe Monströses erzeugt, ist allbekannt. Am technischen Können für die Ausführung stilgerechter Schmuck- gegenstände fehlt eS ja gewiß nicht, aber am Wollen, und daS Wollen ist bei dieser Branche mehr al- bei irgendeiner andern vom Geschmack und von den Wün schen des Publikums abhängig. ES gelingt zwar zu weilen einem Fabrikanten, das Publikum für wahres Kunstverständniß zu erziehen, das ist aber ungleich schwerer, wenn eS sich um Luxus-, als wenn eS sich um Bedarfsartikel handelt. Im erster» Falle muß die Einwirkung auf da» Publikum von anderer Seite erfolgen, und eS wird Aufgabe der Presse, der Schule und Museen sein, durch Wort und Schrift sowie durch Vorbilder für geläutert« Anschauungen zu wirken. Wir können deshalb weniger dem Fabrikanten übel nehmen, daß er seine Kunstfertigkeit für Dinge aufwendet, deren Vorzug lediglich darin besteht, daß sie schwierig herzustellen und hoch im Preise sind, als die Neigung des Publikums beklagen, welches leider immer noch an solchen Monstrositäten Gefallen findet. Unter der artige unberechtigte Formen für Schmucksachen rechnen wir die Nachbildungen aller möglichen und unmöglichen Thiere und sonstigen grotesken Gebilde, die oft plan lose Gruppirung theuerer Steine, besonders der Dia manten, ebenso aber auch die für Medaillons, Broschen rc. so beliebten ovalen und runden Platten mit glatter Metallfläche oder einfarbiger Emaillirung, welche im günstigen Falle eine Perle oder einen Stein in der Mitte tragen. Hier, wo der ausgesprochene Zweck der Gegenstände ist, zu schmücken, also schön zu sein, kann man doch mit Fug und Recht verlangen, daß den einfachsten ästhetischen Gesetzen nicht Hohn gesprochen werde. Von diesen: Standpunkte auS die Ausstellungs objekte beurtheilend, müssen unS die Fabrikate von A. Lange u. Söhne in Glashütte mit hoher Be friedigung erfüllen. An diesen Uhrgehäusen ist ge zeigt, wie die decorative Kunst auf scheinbar einfachste Weise die reizendsten Wirkungen erzielen kann, Effecte, die man ebendeshalb als selbstverständlich ansieht, weil sie nicht gesucht, sondern dem Material und dem Zwecke des Objects angepaßt sind. Wir erblicken unter der reichen Collection dieser Arbeiten Uhren mit einfacher Gravirung, mit Emaillirung, Tula- und Diamantdecoration sowie mit Monogrammen, die thcilS gravirt, theils emaillirt und guillochirt sind. Mustergültiges zeigen uns die Arbeiten von Mor. Elimeyer in Dresden; wir machen nur auf daS vom Hofrath Graff im Renaissancestil entworfene Collier aufmerksam, welches mit Email, Steinen und Perlen decorirt ist. Und die dem Prinzen Georg gehörige Kinderklapper ist ein Prachtstück, dessen künstlerischer Werth nicht zu unterschätzen ist. Daß daS Diadem in Brillanten und die andern mit edeln Steinen reich garnirten Schmuckgegenstände sich des reichsten Bei falls erfreuen, ist selbstverständlich. Nicht minder glanzvoll repräsentiren sich die Schmuckgegenstände von Heinr. Mau in Dresden, bei welchen die Diamanten die Hauptrolle spielen. Aber auch die leipziger Firmen Th. Strube u. Sohn, C. F. Gütig und C. E. Keyser haben in ihren Collectionen der verschiedenartigsten Schmuckgegenstände einen sinnberückenden Reichthum entfaltet, und ziehen durch die Gediegenheit ihrer Leistungen da» Auge deS Kenners wie des Laien auf sich. Strube hat als Specialität Gegenstände nach altgriechischen Vorbildern ausgestellt, so einen Hals schmuck, vom Professor zur Straßen entworfen, und eine vollständige Garnitur nach de« Zeichnungen des Hofraths Graff, wahrend die beiden andern Firm n ihre Aufmerksamkeit mehr den couranten Artikeln zu gewandt haben. Beachtcn-werth sind ferner einige vorzügliche Ca- meen und Gemmengarnituren von Ad. Bahmann in Koburg, und hauptsächlich auch die prächtig geschliffenen Steine von A. Geifrig in Altenburg. Speciell in Silberarbeiten haben ausgestellt: Karl Bendleb in Gotha ein hübsches Trinkhorn, da» mit Münzen besetzt ist, Karl Kahlbau in Magdeburg ein Album mit Silberbeschlag und Bruno Jehring in Zittau ein« Nachbildung de» zittauer RathhauseS als Nipptischfigur, von welchen die letztere in die Gattung jener Kunstwerke fällt, bei denen zu bedauern ist, daß Kunstfertigkeit und Arbeit nicht bessern Zwecken dienst bar gemacht worden sind.