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Deutsche Allgemeine Zeitung. bin««»«*, ' 23. Allgast 1879. Inserate - p»d «» die «rpedili»» t» tnyti, M i-»de». I»stklt»,,,r»Ntzr »Wahrheit uad «echt, Freiheit »»d Seseh!» fite die S»«lte»j-il- »o W, «tt« « W. Die deutsch-russischen Beziehungen. Aus Berlin geht der wiener Politischen Corre- spondenz folgende Mittheilung über diese jetzt auf der Tagesordnung stehende Angelegenheit zu: Just nm die nämliche Zeit, da der Abschluß und die Ratification des Berliner Vertrag« sich zum ersten mal jähren, hat die schon seit einigen Monaten in der russischen Presse bemerkbare Hetzerei gegen Deutschland neben der gegen Oesterreich einen Umfang erreicht, wie die« zwischen zwei Nachbarvölkern, die miteinander in Frieden und Freund- schast zu leben wünschen, nur selten der Fall sein dürste. Mit steigender Heftigkeit der Sprache wird der deutsche Reichskanzler von den national-russischen Blättern für die unerreicht gebliebenen angeblichen Wünsche und Ziele der russischen Politik verantwortlich gemacht. Die deutschen Zei tungen von Petersburg, denen e» vor allem um den Bei fall ihrer russischen Kolleginnen zu thun zu sein scheint, unterstützen ihrerseits diese Richtung, indem sie allerdings weniger die auswärtige Politik de« deutschen Kanzler«, wohl aber seine Leitung der innern Angelegenheiten des Deut schen Reiches angreifen. Dieser Federkrieg der russischen Presse wäre nun, ebenso wie diese Presse selbst, an sich von sehr geringer Bedeutung; Beachtung verdient er lediglich in symptomatischer Beziehung, weil diese Sprache nach gerade al« ein Spiegel der Auffassungen betrachtet werden mH, welche gewisse russische Regierungskreise hegen oder doch verbreitet zu sehen wünschen. Dieser Umstand ver dient eine Beleuchtung. Bon russischer Seite ist wiederholt hervorgehoben worden, daß die Presse innerhalb gewisser Grenzen dort eine ungleich freiere Bewegung habe, als man sonst in Europa anzunehmen Pflege, und daß die russische Regierung wol in Nothfällen strafend einschreiten könne, einen Einfluß auf die Haltung der Presse jedoch nicht zu üben vermöge. In jedem Lande Europas, im republika nischen Frankreich wie im constitutionellen England, steht der Regierung auf die eine oder die andere Weise ein Ein fluß auf die Presse zu gerade in den dclicaten Fragen, welche die auswärtigen Beziehungen tangiren; zum min desten haben die Regierungen selbst dort die Möglichkeit frei, in anerkannten Organen und in autoritativer Weise die bewußt oder unbewußt auf Irrwegen befindlichen Blät ter zu rectificiren. Die fest Monaten andauernden Hetze reien der russischen Presse haben weder im russischen «Re- . gierungSboten > noch im Journal de Saint-Pktersbonrg, welches letztere seinerseits die englische Presse sehr genau zu Lberwacheu Pflegt, bisher die' geringste Beachtung oder Reclificatio« erfahrt stktwatzra-wirde«, al« b« opportun erachtet, dem MiSbehagen der sich um die Zei tungen gruppirenden Gesellschaftskreise da« Terrain der auswärtigen Politik freizulasfeu, oder man hat geglaubt, daß Deutschland von den freundschaftlichen Gesinnungen der russischen RegierungSkreise, wozu eS ja allerdings be rechtigt wäre, diel zu fest überzeugt sei, um auf solche Preß stimmen irgend Werth zu legen. Diese Ueberzeugung, selbst wenn sie bestanden hätte, mußte jedoch mindesten« von dem Augenblicke an in« Wanken gerathen, wo die Auffassung sich nicht mehr abweisen läßt, daß unter der Lvnnivenz oder Indifferenz ebendieser russischen RegierungSkreise die öffentliche Meinung in Rußland gegen Deutschland ausge stachelt und bewußterweise in eine gegen Deutschland feind selige Richtung gedrängt wird. Diese Haltung der rus sischen Presse gewinnt ein anderes Aussehen, sobald ein System darin erkennbar wird. Wenn der Berliner Ver trag sich nicht lediglich zu einer von Europa beglaubigten Abschrift de« Vertrag« von San-Stefano gestalten ließ, so lag da« eben daran, weil russischerseit« an dem Grundsätze gefehlt worden war, daß eine weise Politik ihre Ziele nach dem Erreichbaren und nicht nach dem Wüuscheu«wertheu bemißt. Dieser Fehler ist dadurch nicht verbessert worden, daß man jene« völlig unhaltbare Aktenstück durch den Kaiser sanctioniren und io Rußland als Ergebniß de« Kriege« proclawiren ließ. Die officiellen Protokolle de« Berliner Longresse« beweisen selbst in ihrer schonuugsvollen Form, daß Deutschland dort jeden Antrag Rußland« unterstützt und damit nicht uur wiederholt die völlige Jsoliruug Ruß land» verhütet, sondern auch den Wünschen desselben zu« Erfolge verholsen hat. Wenn die russische Diplomatie alle weiter gehenden Forderungen aufgab, so geschah die« unter dem Einflüsse der Friedensliebe de« Kaisers Alexander, weil dabei nicht so specifisch russische Interessen in Frage stan den, welche die Opfer eines neuen Kriege«, der gegen «ine oder zwei Großmächte zu führen gewesen wäre, gerecht fertigt hätten. Angesicht« de« Verlauf« der Lampagueu in Afghanistan und Südafrika mag in Rußland neuerding« die Verstimmung gewachsen sein, daß mau den im Früh ling 1878 hingeworfenen Handschuh England« nicht ausge nommen; aber da« Interesse Rußland« hat dabei sicherlich keinen Schaden gelitten, am wenigsten durch den Einfluß Deutschland«. Es ist schon einmal von deutscher Seite ausgesprochen worden, daß die deutsche Unterstützung Ruß land« während de« Kriege« bis hart an die Grenze zwischen diplomatischer und militärischer Unterstützung gegangen sei. Schon der seinerzeit aus Befehl Kaiser Wilhelm'« veröffent lichte Bericht de« preußischen Major« v. Lignitz über die ersten schweren Kämpfe auf dem Schipkapaß im Juli 1878 läßt deutlich genug ein Verhältniß erkennen, welche« von der russischen Armee damals und später ganz ander« em pfunden und verstanden worden ist, als die« heute feiten« der russischen Presse, vielleicht auch seitens der russischen Politik der Fall ist. In den schwierigen Momenten jene« wechselvollen Kriege« hat Rußland die starke Freundeshand Deutschland« nie vermißt — dem Ueberwallen panslawisti scher Strömungen und Strebungen Vorschub zu leisten, hatte Deutschland allerdings weder Neigung noch Interesse. Die persönliche Freundschaft der beiden Kaiser Wilhelm und Alexander ist ebenso für den endgültigen Frieden«schluß von nicht zu verkennender Bedeutung gewesen. Desto be fremdlicher erscheint va« systematische Gebaren der russischen Presse, welche die Thatsache dieser Freundschaft in auffallen der Weise miSachtet und dadurch der Würde der dabei im Vordergründe stehenden beiden Souveräne in einer sehr ge ringen Weise Rechnung trägt. Der WahravM tzer Rtwvil-Lib«»!« « Hannover. Die Mitglieder der National-Liberalen Partei in Hannover haben folgenden Aufruf zur LandtagSwahl in der Provinz Hannover erlassen: Die bevorstehenden Wahlen zum Abgeordnetenhaus« find von besonderer Wichtigkeit für da« deutsche Volk. Bou dem Ergebniß der Wahlen wird e« wesentlich abhängen, in welchem Sinne die großen Fragen der Reform der Ver waltung und ihrer Ausdehnung aus die westlichen Pro vinzen de« StaateS, der Umgestaltung des Eisenbahnwesen«, de« Kirchenstreite«, der Neuordnung der Schule uud vor allem der Reform der direkten Steuern zur Entscheidung gelangen. Die national-liberale Partei in der Provinz Hannover halt diesen Fragen gegenüber an den bisher von ihr vertretenen Grundsätzen unverbrüchlich fest. Sie ver langt und unterstützt eine auf die Stärkung und die Be festigung de» Deutschen Reiche« gerichtete Politik de« preußi schen StaateS und bekämpft alle entgegengesetzten Richtungen und Bestrebungen. Ur. 196. «ußn «r»uch. Preis »icrUljthrlich 7». ivM. z«d< <i»jklae «lummer Telegraphische Depeschen. * »erliu, 21. Aug. Sr. Maj. Panzercorvette I Hansa, acht Geschütze, Commandant Corvettenkapitän I Heu«ner, ist am 19. Aug. in Valparaiso eingetroffcn. »Wien, 21. Aug. Graf Andrässy ist heute aus Terebes hier wieder eingetroffen und hat in Schön- brunn seinen Aufenthalt genommen. »vasttiu, 21. Aug. Der deutsche Reichskanzler Fürst v. BiSmarck ist heute Mittag 1 Uhr hier eingetroffen. »pari«, 21. Aug. Bei einem in der Präfectur zu Laon gestern stattgehabten Diner hielt der Con- seilpräsident Waddington «ine Ride, in welcher er sich für die Rechte des StaateS in der UnterrichtS- frage aussprach, zugleich aber hervorhob, daß die Re gierung fest entschlossen sei, die Gewissensfreiheit und die Freiheit deS Unterrichts zu respectiren und respec- tiren zu lassen. Durch die Ferrh'schen Gesetzentwürfe würden diese Freiheiten nicht berührt, die Ferrh'schen Gesetzentwürfe beschränkten sich darauf, die alten Rechte des StaateS wiederherzustellen, und diese Rechte des Staate« müßten in ihrer Integrität wiederheraestellt werden. Die Regierung sei entschlossen, die Ferry'- schen Gesetzentwürfe vor den Kammern zu vertreten. Am Schluß seiner Rede hob Waddington hervor, daß der gegenwärtig herrschende Friede ein vollständiger und absoluter sei, und daß Frankreich mit allen aus wärtigen Mächte» die freundlichsten Beziehungen unter halte. * Lhristiania, 20. Aug. Nach einer Meldung des Journal« Dagblad sind zwei russische nihilistische Flüchtlinge, die Studenten Kab und PreferenSky, gestern in Wadsö auf Verlangen deS russischen Ge neralkonsul« verhaftet worden. Die russische Regie rung fordert di« AuSliefrrung der Verhafteten. » Wira, 21. Aug. abend«. Meldungen der Poli- tiAm C«r«spoqdenj. Au« Konstantinopel: „Die erste vorörrntende Ätzung der griechifch-lSrkischen Commission findet wahrscheinlich am 23. Aug. statt. Di« Thätigkrit der Botschafter bei den fraglichen Ver handlungen wird sich, ohne Präjudiz für eine even tuell« osfieielle Vermittelung, auf eine versöhnliche Einflußnahme auf die Verhandlungen nach Maßgabe der etwa auftauchenden Schwierigkeiten beschränken." — AuS Bukarest: „Der frühere diplomatische Agent Ru mäniens in Serbien, Stourdza, ist zum diplomatischen Agenten in Sofia ernannt." »Athen, 21. Aug. Ein Decret deS Königs be ruft 8000 Mann des zweiten Aufgebots der Ter ritorialarmee zu den Fahnen ein. Der König schob seine Reise nach dem Westen auf. (Wiederholt.) Eine erzgebirgische Sommerfrische. L.8. witdeuthal im Erzgebirge, 19. Aug. Immer mehr nimmt die sehr vernünftige Gewohnheit überhand, statt kostspieliger und dabei nicht selten mehr Anstren gung als Erholung bringender Reisen von Ort zu Ort,, von Station zu Station lieber eine „Sommer frische" an irgendeinem romantischen, gesund gelegenen Punkte aufzusuchen. Diese Gewohnheit bietet nament lich zwei nicht hoch genug anzuschlagende Vortheile von allgemeiner sozusagen socialer Natur. Fürs erste ermöglicht sie es auch dem Minderbemittelten, mit nicht übermäßigen Kosten die ihm nöthige Erholung von erschöpfender Berufsarbeit, die Ersetzung seiner geschwächten oder ermüdeten Kräfte, auch wol Heilung von manchem Leiden zu suchen und zu finden. Denn der feste Aufenthalt an einem Orte kostet durchschnitt lich kaum die Hälfte von dem, was eine weitere Reise mit Eisenbahn oder Dampfschiff erfordert. AuS eben diesem Grunde kann — und das ist noch viel werth- voller — das Haupt einer Familie leichter auch die Seinigen, alle oder einige, an einer solchen Erholung und Anfrischung theilnehmcn lassen. Insbesondere die armen Frauen, welche auf größere Reisen mitzunehmen nur den Vermögender« gestattet ist, gelangen durch die „Sommerfrische" zu ihrem so natürlichen und doch so oft miSachtete» Rechte, mit ihren Männern vereint auch einmal auSruhen und neue Kräfte sammeln zu können. Wie manches erfrischende Element wird da durch oft in das ermüdende Einerlei deS gewohnten Alltagsdaseins gebracht; wie angenehm ist eS, wenn neben dem Hausherrn auch andere Familienglieder die anregenden Eindrücke eines zeitweiligen Aufenthalts an fremdem Orte und unter andern Umgebungen aus der Sommerfrische in die Stille des Winters mitbringen; wie sehr wird dadurch der geistige Horizont eine« gan zen Familienkreises erweitert, der sonst so leicht ein tretenden Verdumpfung oder Verstimmung des GemütHS- lebens vorgebeugt! Welcher Segen ist es ferner für das nachwachsende jüngere Geschlecht, wenn e« die nicht selten überangestrengten Augen in dem saftigen Grün der Wiesen und Wälder gesund baden, die durch den Staub und Qualm der Groß- und Fabrikstadt beengten Lungen im rüstigen Bergsteigen auSweiten kann! Und auch die Kleinen und Kleinsten — welche Fülle von Behagen, von Gesundheit saugen sie ein an den Brüsten der Mutter Natur! In der That — von einer immer größern Verallgemeinerung der Sitte deS SommerfrischelnS dürfen wir eine nicht unwichtige Verbesserung unserer socialen, häuslichen, geselligen, ja auch gesundheitlichen Verhältnisse erhoffen. Um jedoch die Wohlthaten dieser modernen Erfin dung (einer der wenigen, in denen Mode und Vernunft einmal Hand in Hand gehen) recht nutzbar und recht allgemein zu machen, bedarf eS noch eines weitern Schrittes, und hier ist es die Vernunft, welche der Mode den Weg zeigen, nöthigenfalls gegen sie ihr Recht behaupten muß, gestützt auf den Spruch deS Dichters: Willst du immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah'! Kurz gesagt: man muß sich noch mehr gewöhnen, Sommerfrischen auch in der Nähe der Heimat aufzn- suchen, man muß auf den oft sehr übel angebrachten Ehrgeiz verzichten, immer nur Orte mit Hochtönelchen, am liebsten fremdländischen Namen zu solchem Zwecke zu wählen, man muß lernen, mehr auf die Sache al« auf die Form zu sehen. Es ist ja ganz schön, weu» jemand, dem seine Mittel dies erlauben, allem oder mit Familie am Genfer- oder Vierwaldstättersee, oder an den oberitalischen Seen Station machen kann, und niemand wird ihm das verargen. Viel weniger zu loben ist es schon, wenn ein Familienvater aus Sach sen, der nicht in gleich günstiger Lage ist, gleichwol durchaus wenigstens in ein Thal de« Schwarzwalde», oder doch des Harzes oder Thüringens gehen will, weil ihm dies vornehmer klingt, als wenn er innerhalb der Grenzen de« kleinen Sachsenö bleibt. Und doch birgt dieses kleine Sachsen so malerische, so romantische, zumal aber auch in gesundheitlicher Hinsicht so vor trefflich gelegene Punkte zu Sommerfrischen! Und waS ist denn damit gewonnen, wenn man in entfern terer Gegend für das doppelte Geld sich eben nur dieselbe Erfrischung, Kräftigung oder Herstellung der angegriffenen Gesundheit holt, die man mit geringem Kosten und bequemer in der Nähe hält« haben kön nen? Was ist damit gewonnen, wenn nicht etwa der zweifelhafte Ruhm, sagen zu können: man sei doch „auswärts" und „weit weg" gewesen? Einzelne Gegenden Sachsen« sind schon seit län gerer Zeit gewürdigt worden, als Sommerfrische, oder wie man es jetzt vornehmer zu bezeichnen pflegt, al« „klimatische Kurorte" aufgesucht und benutzt zu werden. Die Sächsische Schweiz, der Oybin, der Weiße Hirsch oberhalb Dresdens und andere Punkte mehr erfreuen sich eines hervorragenden Rufs in dieser Hinsicht und