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14887 «u« vollem Herzen bekennen, so »Weiseln wir gar nicht, daß; denselben überall eine stattliche Stimmenrahl zufallm wird. Hier liegen die Punkte, wo sich liberale und reaktionäre Anschauungen, allprrußische Traditionen und »»Übersehbare Experiment« mit vollkommener Klarheit voneinander schei den. Die Parole „Weg mit Bismarck" ist sür und selbst- verstLndlich unbrauchbar. Wir bieten statt jene» ganz ver mehrten Losungsworte«, da- wir zurückweisen, die aufae- sührten Punkte den Parteigenossen zur Erwägung, seldst- verstündlich ohne damit da« Gebiet der in den Vordergrund zu rückenden Fragen irgend abzugreuzen. Wir erachten e« namentlich sür selbstverständlich, daß die liberale Partei die Mittel, welche die neue Skruerbelastung an die Hand gibt, daz» benutzt, damit auch in der That den vorzug-weis« be lastet«» Elemente» dir möglichste Erleichterung zatheil werd,. Freilich wird sich dabei Herausstellen, wie trügerisch die Verivrechuugen waren, mit welchen die neuen Steuern ver- theivlgt wurden. An dieser Täuschung (denn als solche wird Ne sich schnell herausstellen) trägt die liberale Partei keine Art der Mitschuld, im Gegentheil hat st« unablässig vor ihr gewarnt. — Da* Deutsche Montag«»Blatt schreibt: „Nach vorliegenden Briefen hervorragender nichtparlamenlari- fch«r Mitglieder der Fortschritt-Partei «ollen die selben nur dort für National-Liberale zu Nb- geordnete» stimmen, wo eine fortschrittliche Candidatur au-stchtslos ist. E« soll da, wo di« Fortschrittspartei den Ausschlag für di« Wahl d«S national-lib«ralen Candidaten zu geben hat, der Betreffende um genau« Auskunft über sein politische« Programm und sein« Stellung zu den einzelnen «bschwebenden Fragen an- gegangen werde». E« wird nach d«n uns zur Einficht gestillten Briesen diese Procedur um so nothwendiger, al* die national-liberale Partei al« solche mit keinem Wahlprogramm vor das Land treten will. — Die Allianz de« CentrumS mit den gut altpreußischen Co»servativen vom Schlage der Kleist-Retzow und Genossen nimmt täglich weitere Dimensionen an. Sei tens hervorragender Mitglieder der CentrumS ist den neuen Bundesgenossen zu verstehen gegeben worden, man möge auf der Generalsynode mit Resolutionen hervortrrten, welche gegenüber der unter dem Ministe rium Falk erlassenen Gesetzgebung die Abschaffung der Civileh«, des sogenannten Culturexamen-, des «Kanzlei paragraphen», des Schulaufsichtsgesetzes und ähnlicher Errungenschaften verlangen. Man gibt sich der Hoff nung hin, daß, fall« die Generalsynode sich dahin »»«spreche, ein solcher Ausspruch an maßgebender Stelle nicht werde iguvrirt werden können. 3» ihrem grmeinsame» Haß gegen den Liberalismus haben Cen trum und Conservative sich bis auf weiteres zu einem unlösbaren Punkt vereinigt." — Wie der «Post» au- der Provinz Preußen mit- grtheilt wird, soll zum Nachfolger des verstorbenen Generalsuperintendenttn vr. Woll der Hofprediger Stöcker in Berlin auSersehen sein. Düse Nachricht erregt, wie man dem genannten Blatte schreibt, in den kirchlich«« Kreisen Preußens, in denen die «ermittelnde und versöhnliche Richtung in überwiegendem Maße vorherrscht, peinliches Aufsehen. — Die Norddeutsche Allgemeine Zeitung schreibt: „In letzter Zeit find von verschiedenen Zeitungen spe- cielle Angaben über den Plan einer Neuorganisation der preußischen StaatSeisenbahnverwaltuug gebracht worden. Nach unsern Informationen befindet fich dir Angelegenheit noch i« Stadium der Bera- thung; mithin können diese Angaben auf irgendwelche Zuverlässigkeit keinen Anspruch machen." — Auf Anregung de« berliner Centralcomite der conservative« Parteien erscheint seit 1. Aug. in Berlin eine neue politische Wochenzeitung unter dem Titel «Die Ordnung». — Die Niedersächsische Zeitung, ein Hauptvrgan der Welfenpartei, ergreift in ihrer neuesten Nummer das Wort für die ConfiScation des WelfenfondS. Der Artikel schließt mit folgenden Worten : „Kommt der Herzog von Cumberland niemals auf den hannove rischen Thron, so wird er auch niemals des Genusses des WelfenfondS theilhastig werden, wenn er nicht auf diesen Thron verzichtet. Da« thut aber der Herzog niemals. Sollte aber der Herzog dereinst berufen werden, da- Erbe seiner Väter einzunehmen, so wird er auch wieder in den Besitz seiner Domänen treten und dann braucht er den WelfenfondS nicht mehr." Thüringische Staaten, 1 Aus Thüringen, S. Aug. Da* ReichS-Eisenbahnamt hat nunmehr auch der schmalspurigen Feldabahn im eisenacher Ober lande seine Aufmerksamkeit gewidmet, der derzeitige Vorsitzende Geh. Oberregierungstath Körte und der Geh. OberregierungSrath Streckert haben am 1. Aug die bereits im Betrieb wie die noch im Bau befind lichen Strecken besichtigt und sich über di« einfache und solide Bauausführung sehr günstig auözusprechen. Die Strecke Dorndorf-Vacha ist für den Güterverkehr be reits eröffnet, der Personenverkehr beginnt am 10. Aug. — In Jena hat der Verein für thüringisch« Geschichte und AlterthumSkunde am 31. Juli seine Generalversammlung abgehalten. Der Vorsitzende Kirchenrath vo. Lipsiu« referirte über die VereinS- thätigkrit feit 1876, dann wurde der Rechenschafts bericht vorgeträgen und von vr. Stechele-Eisenach ein Lortrag über daS Verzeichniß der kirchlichen Einkünfte im Jahre 1506 (k»gi»trum Ludrickee) gthalteu. Nach dem noch über die Bereiuigung d«r Verein-- mit der UniversitätSbiblimhsk Beschluß grfaßt war, beendete ein Festmahl die die-malige Generalversammlung, Der Verein zählt zur Zeit 255 Mitglieder. Oesterreich-Ungarn. Ei» wiener Blatt beruht«t über «ine Unterredung eine« feiner Redacteure mit de« Czechenführer vr. Rieger. Der letztere erklärt«: Seme Partei mache ihre» Eintritt in den Reich-rath von der Bildung eine- Ministerium- abhängig, welche« die Revision der böhmischen Landtag-wahlordnnng in sein Pro gramm aufzunrhmen bereit sei. Die Wahlen au« der Lnrie de« Großgrundbesitze« müßte» in Galizien nach Bezirken vorgenommeu, den Handel«kamMern ihr Wahlrecht sür Landtag und Abgeordnetenhaus eMzogeu, dagegen den slawi schen Landbezirken eine stärkere Vertretung zugestanden wer ken. Die Revision der Wahlordnung sek die Eardinalfor- derüng der czechischen Partei. Die nächste» drei Wochen seien der Zeitpunkt, innerhalb dessen dir Bildung de« neuen Labinet» vollendet sei» «erde. Böhmen dürfe nicht gleich den übrigen Provinzen behandelt, sondern müsse mit einer äutonomlschtn Stellung, etwa derjenigen Galizien- ähnlich, au-gestattet werben. Mit den Polen würden die Czechen nur in der Frage der Autonomie gemeinsam« Sache machen, nicht aber in Freiheitsfragen; in dieser Beziehung sei von den Lzechen nicht« zu fürchten. Die Ezechen kämen mit ehrlichen Absichten, sie wollten mit den Deutschen «ine auf richtig« Verständigung, bei welcher Graf Taaffe den „ehr lichen Makler" spiele. Rieger sagt« schließlich: er reift hoffnungsvoll nach Prag zurück und hoffe in 14 Tagen bi» 3 Wochen die dem Grafen Taaffe gemachten Propositionen em«r Versammlung fämmtlicher czechischer Abgeordneten, welche dir endgültige Entscheidung habe, vorlegen zu können. Hiernach scheinen die vielfachen Meldungen von dem bereil« „vollzogenen Ausgleich" mit den Czechen verfrüht zu fei». — lieber eine Besprechung zwischen dem Grafen Andräffy und dem zur Zeit in Wien weilenden rumä nischen Minister BoereScu wird der Kölnischen Zeitung von dort geschrieben: Der Rumäne nahm Veranlassung, zu erklären, daß er nicht mit bestimmten Vorschlägen der rumänischen Regie rung betreff- der Judenfrag« gekommen sei, sondern ledig lich, um sich zu insormiren und der österreichischen Regie rung nochmal- ausführlich die Schwierigkeiten der Lage darznlegen. Er werde «ine Rundreise an sämmtliche euro päischen Höfe (d. h. di« der Großmächte) «»treten, sei aber noch unentschlossen, wohi» er zunächst gehen solle; hier wurde ihm gerathen, zuerst Berlin zu besuchen. Trotz alle« per sönlichen Wohlwollen«, da« Boere-eu hier bei den leiten den Staatsmännern fand, könnt« ihm, doch nicht verhehlt werden, daß Oesterreich-Ungarns wenckgleich es die Unab hängigkeit Rumänien« bereit« anerkannt habe, sich dennoch in der augenblicklich vorliegenden Frage von Europa, ins besondere von Deutschland, da« die Führung übernom men habe, nicht trennen werde. Sin ähnlicher Bescheid dürfte dem rumänischen Minister auch in Rom, Pari» und London werden. > Spanien. Dem Standard wird «»ter dem 3. Aug. -uS Madrid gemeldet: „Zn officirll«» Kreisen wird be hauptet, daß da« Projekt einer österreichisch«n Verbindung düsen Herbst zur Ausführung kommen werde. Die spanische Regierung weiß bereit», daß der Antrag vom österreichischen Hose günstig ausgenom men werd«« wird, und wird eine officielle Mitthrilung durch einen Specialgesandten hohen Rang«- gemacht werden, der sich nach Wik« begebe» wird, um daselbst die Hand der Erzherzogin vom Kaiser zu erbitte« und eine Begegnung zwischen dem Könige und der Prinzessin an irgendeinem französischen Platze in der Nähe der spanischen Grenze zu vermitteln. Ein Besuch de» Königs in Wien war nicht möglich, da der König Spanien nicht ohne Genehmigung der Cortes verlaffen darf; auch hatte der österreichische Hof gewünscht, daß die Erzherzogin ein Dameugefolge ans ihrem eigenen Laude beibehalte, was jedoch die castilifche Etikette nicht zuließ. Ein CabinetSrath unter dem Vorsitz de« Königs wird demnächst d«n Zeitpunkt für den Anttag und die Mission feststellen. Die CorteS werden im Oktober einberufen werden, um die Mitthrilung «nt- gegenzunehmen und di« Morgengabe festzustell««. Am Hofe hält man eS für wahrscheinlich, daß die Hochzeit im November in Barcelona gefeiert werde oder in irgendeiner Hafenstadt, wohin die Prinzessin durch eine Flotte begleitet würde. Dü königliche Famili« wird bi- zum October i» La-Granja verbleiben, fall« der König sich nicht nach der Grenze begibt. Diese Plane haben da- Gerücht einer Verbindung mit der Prinzessin au« dem Hause Orleans beschwichtigt, welche dem Einfluß de« Herzog- von Montpensier zugeschrikben wird." Frankreich. « pari«, 9. Aug. Die Union nationale von Mont pellier veröffentlicht folgende» Brief, der im Namen des Grafen von Chambord an eine „wichtige Per sönlichkeit" des Departement- des Httault gerichtet wurde: Herr Marquis l Monseigneur geruhte nach Lesen Ihre« Briefe» mich zu beauftragen, Sie wissen zu lassen, wie sehr er gerührt war. Durch meine Vermittelung dankt er Ihnen für Ihre Wünsche eines guten Festes, deren feurigen Ausdruck Sie ihm übersandten. Es «st an den Gerüchten von einer Reise in die Schweiz, von der Sie sprechen, nicht» begründet; Monseigneur Gras von Lhambord, durch unsere politische und sociale Lage sehr besorgt, hält sich dereü, all«, zu thun, um unser unglückliche« Laad zu retten; ab« bis. letzt war von einer Reise nach der Schweiz nicht die Rede. Mehr al« jemals müssen wir Vertrauen haben; die Sxcesse derjenigen selbst, welche sich der Staatsgewalt bemächtigten, werben die Ursache ihre» Sturze- fein. Schon beginnt die öffentliche Meinung mit Bezug auf dieselben enttäuscht zu werden, und die Vorsehung, die in den Händen da« Leben der Menschen wie die Schicksal« der Völker hält, hat da« Dilemma zwischen der Ordnung und der Unordnung, zwi schen der Republik und der Monarchie gestellt. Vergeblich versuchen gewisse Leidenschaften, die immet bestehen, mit leicht erkennbaren Hintergedanken glauben zu machen, Mon- seigneur wolle die Krone nicht. An diese Verleumdung wird man nicht glauben. Trotz allem schließt Frankeich Henri V. in sich, und Gott wird r» so einrichten, daß der Tag, wo e» sich in feine Arme stürzen wird, nicht fern sei. Empfangen Sie,c. Joseph Du Boitrg. Der Conftrvatrur de l'Ai-ne erhielt au- London Nachrichte«, Vene« zufolge sich der Graf vou Eham bord im September nach London begeben will, wo er de« Herzog v. Norfolk auf feinem Schlosse von Arundel zu besuchen gedenkt. Der Herzog v. Norfolk soll zu gleicher Zeit an mehrere Prinzen de» Hauses von Frankreich Einladungen erlasse« haben. IuseS Simon hat mit dem Erzbischof von Pan tine längere Unterredung über die UnterrichtSfteiheit gehabt. Der Bischof von Montpellier hat al- Vor sitzender bei der PreiSvertheilung im Iesuitencollegium zu Montpellier IuleS Simon für dessen Bertheidigung der Jesuiten Dank dargebracht. Die Congreganistenschule in der Möntgol- fierstraße hier wollte, obschon sie vom Seinepräfecten verboten worden ist, heute wie sonst ihre Preise für Kunst und Handwerk öffentlich vertheilen. Lehrer, Schüler und Aeltern waren schon versammelt, als Ge neral Morin den Befehl des Ministers überbrachte, daß alle sofort den Saal zu verlassen hätten. Die Geistliche« waren höchst zornig darüber und gaben einen Protest zu Papier „gegen die verächtlichen Ty rannen des TageS". DaS Journal L'Evinement enthält einen Aufruf zur Subscription für die Abgebrannten des elsässi schen Städtchens ChätenoiS (Kestenholz in der Nähr von Schüttstadt). Das Journal L'Ev^nement schreibt; „Wir müssen für die Unglücklichen unser» thenern Elsasses thuo, was wir für Ungarn (Szegedin) thaten." Dazu ist zu bemerken, daß die deutschen Behörden be reit» auf die erste Nachricht von dem Unglücksfall so» fort Hülftleistlmg angeordnet haben. Der BezirkS- prästdent Leddeichose begab sich persönlich nach Kesten- Holz und überbrachte eine dem Bezirksfonds entnom mene namhafte Geldunterstützung; ebenso regt sich allen Orte» die Privatmildthätigkeit. Der Verlust soll übrigens ein bedeutender sein und fich auf mehr als 2 Mill. FrS. belaufen. — Aus Pari» vom 6. Aug. schreibt man der Schle sischen Zeitung: „Wie scharf der Kampf auf dem Gebiete des Unterricht» geführt wird, davon uur zwei Beispiele. In Lyon wandte der Gemcinderath 15000 FrS. auf für Schulpreise in den weltlichen Anstalten. Die Sammlung für Schulpreise der Con- gregauistenanstalten brachte dagegen in wenig Tagen 20000 Fr»., und außerdem eine Menge zu Preisen- geeignete Gegenstände, sodaß mindesten» 10000 FrS. zu Sparkaffenbüchelchen für die Zöglinge der Congre- ganisten verwendet werden können. In Versailles sind die Brüder au» einer Gemeindeschule gewiesen. So fort wurden 86000 Fr», gesammelt, uin ihnen die Gründung einer freit« Anstalt zn ermöglichen. Nir gends gelingt e» daher auch der Behörde, die Con- greganisten aus dem Sattel zu heben und ihnen ihre Schulen zu entreißen, was doch der Hauptzweck ist. In Paris machten die Schüler einer Gemeinde schul«, au- der dü Brüder verwiesen worden wäre», einen Monat lang einen täglichen Weg von fast einer Stunde, um in eine andere Congreganistenschule zu gehen, bis die ausgewiesenen Schulbrüder ihre eigene Anstatt eröffnet hatten. Um ihren Zweck zu erreichen, wird die Regierung schließlich alle Congreganifteii- schulen verbieten müssen, und dann, wenn Brüder und Schwestern sich in weltliche Lehrer verwandel«, alle freün Schutt» unterdrücken. Aber cS gibt 46000 leh rende Congreganisten und an 12000 freie Privat- schulen, von denen fast die Hälfte weltlich sind. Außer dem befinden sich die Schulen der Congreganisten überwiegend in größern Orten und den Städten, wo ohnedies der politische Parteikampf am regsten ist." — Dem soeben erschienenen Jahresberichte des Deutschen HülfSvereinS in Paris für 1878 entnehmen wir folgende Daten: Am Schluffe de- IahreS 1877 betrug die Zahl der Vereinsmitglieder 257 mit 12204 Fr». Beiträgen. Der Deutsche Kaiser steuerte 4000 und der König von Baier» 2000 FrS. bei. Die außerordentlichen Einnahmen betrugen nahezu 12000 FrS. gegenüber 8000 Fr», im Vorjahre. Der erste HoSpitalfondS betrug 255810 FrS., der zweite 321000 FrS., die der Krankenpflege zugewendete Zinsenhälfte beider Fonds betrug 17537 FrS. Unter den Unterstützten befinden