Volltext Seite (XML)
1303 Tarife auch auf den Verkehr mit der Hessischen Lud- wigSbahn ausgedehnt, haben also schon Frankfurt a. M., Mainz und Bingen erreicht. Die Umarbeitung der übrigen VerbandStarife mit Oesterreich-Ungarn kann, da man allerseits über die Grundlagen einig ist, keine Schwierigkeiten bieten. Die bezüglich der Frage der Tarifsätze in dem Verkehr mit den Seeplätzen noch schwebenden Verhandlungen werden gleichfalls rechtzei tig ihre Erledigung finden, um die Einführung der neuen Tarife am Jahresschlüsse zu sichern. In dem Ministerialerlaß konnte daher mit Befriedigung con- statirt werden, daß die Einführung der combinirten Tarife zu dem bezeichneten Termin-mit Grund zu erwarten sei. Es handelt sich in der That weder um eine Unterbrechung des directen internationalen Ver kehrs, noch um eine plötzliche und unerwartete Maß regel, noch um einen »Tarifkrieg» mit Oesterreich, noch endlich um ein Vorgehen, von welchem Baiern sich auSschließen könnte oder würde, und unter welchem nur die übrigen deutschen Bahnen vermeintlich leiden würden. Jeder, der die grundsätzlichen Verschieden heiten zwischen den jetzigen internationalen und den in ternen deutschen Gütertarifen kennt, wird — ganz abgesehen von der Einwirkung derselben auf die deut schen WirthschaftSinteressen und auf die Handelspolitik deS Reiches — schon aus tariftechniscken Gründen und im Interesse deS Eisenbahnverkehrs selbst eine baldige Beendigung dieses völlig unhaltbaren Zustandes als nothwendig und unerläßlich bestätigen." — Der Bundesrath hielt am 13. Juli im ReichS- kanzleramt eine Plenarsitzung unter Vorsitz deS StaatS- ministcrS Hofmann. Seitens deö Reichstages wurden übermittelt die Beschlüsse zu den Entwürfen über die Statistik deS auswärtigen Waarenverkehrs; wegen Fest stellung eines dritten Nachtrages zum ReichShauShaltS- etat für 1879—80; über die Besteuerung des Ta- backS; wegen Erhebung einer Nachsteuer von Taback rc.; wegen Abänderung einiger Bestimmungen der Gewerbe ordnung über die Steuerfreiheit des Branntweins zu gewerblichen Zwecken; über den Zolltarif des deutschen Zollgebiets; zu der Vereinbarung mit der Schweiz über die Regulirung der Grenze bei Konstanz. Der Bundesrath stimmte überall den RcichstagSbeschlüsscn zu. ES folgte Beschlußfassung über den Antrag be treffend das PensionSverhältniß eines Beamten der LandeSvcrwaltung von Elsaß-Lothringen; die Ausschuß anträgt betreffend den Verkehr mit Sprengstoffen und den Transport von Sprengstoffen auf den Eisen bahnen; ferner über die Besetzung einer Rathsstelle beim Reichsgericht und die Zuweisung rechtshängiger Sachen aus den Hansestädten an das Reichsgericht wurden angenommen. Mündliche Berichte wurden er stattet und durch Annahme der betreffenden Ausschuß anträge erledigt: über die steuerliche Controle der durch Buntdruck hcrzustellenden Spielkarten; über die Gebühr für die postamtliche Behändigung gerichtlicher Verfügungen; über den Entwurf eines Gesetzes für Elsaß-Lothringen über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen rc.; über den Abschluß eines Auslieferungsvertrages mit Uruguay; über RecurSge- suche deS Postschaffners Cording in Celle und des Briefträgers Gepke in Kosel wegen ihrer Pensioni- rung. Endlich über den Bericht der Reichs-Schulden commission rc.; die Denkschrift über die Ausführung mehrerer Anleihegesetze und die Bewilligung von Re muneration an Postbeamte für Arbeiten auS Anlaß der Münzumwandlung. Damit sind in der Haupt sache die Geschäfte der Session des BundeSrathes er ledigt und es tritt nun eine längere Vertagung ein. Nächstdem wird noch berichtet: „Der Gesetzentwurf wegen Abänderung der Verfassung wurde den Aus schüssen für Verfassung und Rechnungswesen über wiesen. Der Reichstag soll in seiner Session geson derte Ausschüsse stets für die folgenden zwei Jahre feststellen. Motivirt ist die Vorlage niit der Noth wendigkeit, Abhülfe gegen das Zusammentagen des Reichstages und der Landtage zu schaffen. Der Bun desrath wird Mitte September wieder zusammentreten, um die Ausführung deS Zolltarifs votzubereiten." bl.UO. Serbin, 14. Juli. Die Norddeutsche Allge meine Zeitung findet es charakteristisch für die Schluß albstimmung über den Zolltarif, daß sich unter den Gegnern der Vorlage alle diejenigen befunden hätten, deren staatsfeindliche Tendenzen bei jeder Ge legenheit unverhüllt zu Tage treten, nämlich neun Polen, fünf Welfen und sechs Socialdemokraten. Mit dem Vorwurfe der Staatsfeindlichkeit sollte doch eine Majorität, bei der daS Centrum die ganze Hälfte bildet, außerordentlich vorsichtig sein. Als cS sich um den Schutz des Staates gegen die socialdemokratische Gefahr handelte, da verweigerte diese Hälfte der heu tigen Majorität, das Centrum, dem Staate die Waffen zur Abwehr dagegen. Es wird sich bald wieder um das Socialistcngesetz handeln, und wir sind begierig, wie sich dann die eine Hälfte der staatStreuen Majo rität benehmen wird. Ferner steht (schon in den nächsten Tagen) die Stickwahl in BreSlau bevor, bei der es sich um einen National-Liberalen oder einen Social- demokratcn handelt. Das Centrum hat die Parole „Stimmenthaltung" auSgegeben; dadurch könnte leicht die Wahl deS letzter» herbeigeführt werden. Und das ist die Majorität, die de» Staat gegen seine liberalen und sonstigen Feinde vertheidigt! — Die National-Zeitung schließt einen Artikel über „die Zukunft der national-liberalen Partei" (in welcher die Partei im Reichstage mit der im preußischen Abgeordnetenhause wol allzu sehr identi- ficirt wird) mit folgenden Sätzen: „Immer noch ist die national-liberale Partei die stärkste aller liberalen Fractioncn, und ihre Aufgabe wird eS sein, heute mehr wie je einen Sammelpunkt abzugcben, um welchen sich alle Elemente scharen können, die gerade jenen Tendenzen, die im Augenblick siegreich sind, energischen Widerstand entgegenstellen, ihnen den Gewinn wieder abringen wollen. Eine Partei der systematischen Oppo sition zu sein, muß die national-liberale Partei unserS Erachtens unbedingt ablehnen; daS junge Staats wesen des Deutschen Reiche- ist für solche Experimente nicht gemacht; ebenso wenig liegt in der Geschichte und Tendenz der liberalen Partei irgendeine persön liche Animosität gegen den leitenden Staatsmann. Die praktischen Ziele, die sich der liberalen Partei im Augenblicke aufthun, liegen vor allem in den bevor stehenden Abgeordnetenwahlcn in Preußen. Gegen die Coalition der Conservativen und Ultramontanen wird der Liberalismus seine Kraftprobe zu machen haben, in diesem Kampfe wird er sich festigen und verjüngen. Wenn es gelingt, der liberalen Partei ihre Stellung im preußischen Abgeordnetenhause nur nach dem gegen wärtigen Stande zu wahren, so ist jener Coalition be reits der Herztrieb auSgebrochen. Auch die neueste Aenderung in dem Bestände der national-liberalen Fraktion des Reichstages ist eine Vorbereitung für die entscheidungSvolle Action, die unS in Preußen bevorsteht. Zeigen wir vor allem, daß die alte Kraft des liberalen Gedankens noch nicht erloschen ist, dann brauchen wir über die Zukunft nicht weiter zu sorgen, sie ist uns gerettet. Wir gehen mit ungebrochenem Sinn und mit der Zuversicht deS Gelingens der neuen Aufgabe entgegen, und vielleicht war die Lage der liberalen Partei seit Jahren nie so gut wie jetzt, weil sie nie so einfach war." Diese Ansicht von der gegen wärtigen Lage der national-liberalen Partei (eine bloS „liberale" kennen wir nicht) scheint unS allerdings etwas stark optimistisch. — Die Magdeburgische Zeitung richtet an die na tional-liberale Partei folgende Mahnung: „Der RMStag ist geschloffen worden und den Jntercsscn- kämpfen, wie sie in gleicher Widerwärtigkeit sich wol noch niemals vor unsern erstaunten und erschreckten Blicken abgespielt haben, ist zunächst ein Ende gemacht. Die eine Partei geht gesättigt nach Hause, die andere ist leidenschaftlich aufgeregt mH sieht sich nach den besten Mitteln um, wie sie ihr Recht wiedererlangen könne. Und auch in den politischen Parteien ist Ver wirrung und Zwiespalt; die Ultramontanen und Con servativen tragen sich mit großen Hoffnungen, die Liberalen lassen sich von den entgegengesetzten Empfin dungen beherrschen. Wir rathen unsern Freunden, fest auf sich selbst zu vertrauen und maßvoll und be dächtig zu bleiben. Wenn die Wahlzeit kommt, so laßt uns verständige liberale Männer wählen; aber den Kampf um deS Kampfes willen wollen wir nach wie vor nicht mitmachen. Die liberale Partei wird, wenn sie sich selbst treu bleibt und eine so maßvolle Haltung beobachtet, sich und dem Lande, dessen Wohl sie ja immer über alles und auch über ihr eigenes stellt, am besten dienen. Wir gehen nicht sehr erfreu lichen Zeiten entgegen; und dabei werden die Lasten und Prüfungen, welche die innere Lage unS auferlcgt, vielleicht nur der kleinere Theil der Bedrängniß sein, mit welcher die Zukunft uns bedroht. Hoffen wir, daß der Friede nach außen unS erhalten bleiben wird; vertrauen wir der erprobten, weisen Leitung unserer auswärtigen Politik! Es ist ja, wenigstens vor der Oeffentlichkeit, kein Anzeichen vorhanden, welches unS darüber belehrte, daß diese Leitung mit besonder» Schwierigkeiten zu kämpfen hätte; aber darum bleibt eS nicht weniger wahr, daß wir, wie die Lage Deutsch- ands nun einmal ist und noch auf lange Zeit hinaus ein wird, alle Veranlassung haben, unS nicht allzu tief n innere Streitigkeiten und Kämpfe zu verwickeln. Nicht daß wir meinten, die Liberalen sollten die Hände in den SchoS legen oder weniger eifrig ihren Zielen nachstreben. Nein, wahrlich nicht! Aber wir sollen allerwegen darauf bedacht bleiben, daß das Deutsche Reich Nachbarn hat, die uns lauernd zusehcn, Nach barn, die vielleicht nicht abgeneigt wären, sich früher oder später die Arme zu reichen, um einen Schlag auf dieses ihnen verhaßte Reich zu führen." — Die «Post» veröffentlicht das Schreiben, durch welches vr. v. Treitschke dem Vorstande der natio- nal-liberalrn Partei anzeigt, daß er aus der Fraction austritt. Es lautet: Berlin, 11. Juli. Hochgeehrter Herr! Da die für heute Abend beabsichtigte Fractionssitzung nicht stattfindet, so sehe ich mich genöthigt, hiermit schriftlich meinen Austritt aus der national liberalen Fraction zu erklären. Die Fraction wird morgen mit überwiegender Mehrheit die gesammte Tarifvorlagt verwerfen. Sie wird dadurch, selbst wider den Willen vieler ihrer Mitglieder, in die Stellung einer geschloffene» Oppositionspartei hinübergedrängt werden, und bei den bevorstehenden preußischen Wahlkämpfen muß, wie ich glaube, die Führung der Partei unausbleiblich jenen Mitgliedern zufallen, welche entschlossen sind, die Politik der Reichsregierung fortan grundsätzlich zu bekämpfen. Getreu der Ueberzeugung, welche ich in der Fraction oft ausge sprochen habe, halte ich diese Wendung für einen verhäug- nißvollen politischen Fehler. Ich fühle mich außer Stande, dabei milzuwirken, obgleich ich nur mit aufrichtigem Schmerz aus einer Genossenschaft scheiden kann, in der ich so viele treue und hochgeschätzte Freunde gesunden habe. Mit aus gezeichneter Hochachtung H. v. Treitschke. Preußen. Der StaatS-Anzeiger meldet: „Se. Maj. der König haben allergnädigst geruht: den Prä sidenten des NeichSkanzleramtS Staatsminister Hof mann neben seinen bisherigen Functionen zum Mi nister für Handel und Gewerbe zn ernennen. Se. Maj. der König haben allergnädigst geruht: dem StaatSminister und Minister der geistlichen, UnterrichtS- und Medicinalangelegenheiten vr. Falk, sowie dem StaatSminister und Minister für Landwirthschast, Do mänen und Forsten vr. Friedenthal, unter Be lastung des Titels und Ranges eines StaatSminister», die nachgesuchte Dienstentlassung zu ertheilen und den Obcrpräsidenten der Provinz Schlesien v. Puttkamer zum StaatSminister und Minister der geistlichen, Un terrichts- und Medicinalangelegenheiten, sowie den Rittergutsbesitzer vr. Lucius zum StaatSminister und Minister für Landwirthschast, Domänen und Forsten zu ernennen." **verltu, 14.Juli. Die Reorganisation de« StaatSministeriums ist nunmehr durch Ernennung de« Hrn. v. Puttkamer zum CultuSuunister und de« Hrn. Lucius zum landwirthschaftlichen Minister, sowie die Uebertragung des Handelsministeriums an den Präsidenten des Reichskanzleramtes Hofmann vollendet. Gleichzeitig wird mit Bestimmtheit versichert, daß der Präsident des Reichstages Hr. v. Seydewitz zum Nach folger des Hrn. v. Puttkamer als Oberpräsident von Schlesien designirt sei. Mit der Besetzung des Reichs schatzamtes dagegen scheint man noch etwas warten zu wollen; vielleicht will man zuvor den neuen Finanz minister einige Zeit in Wirksamkeit sein lasten, ehe man die mit diesem Amte so vielfach in Berührung stehende Stelle eines Leiters der Reichsfinanzen definitiv besetzt. Die Herren v. Seydewitz und Lucius verlieren durch ihre Beförderung ihr Mandat als Abgeordnete und das bisherige Reichstagspräsidium wird somit jetzt nur noch durch Hrn, v. Franckenstein repräsentirt. X Vertin, 14. Juli. Angesichts seiner bevorstehen den Abreise hat der Reichskanzler noch mehrere der dringendsten Personalfragen zum Abschluß gebracht. Danach soll der bisherige Geh. Oberfinanzrath Scholz auö dem Finanzministerium zum UnterstaatSsecretär de« Reichs-SchatzamteS berufen und dem bisherigen Unter- staatssecretär im Cultusministerium v. Sydow die Di rektion deS Staatsschuldenwesens übertragen werden. Letzteres geschieht auf ausdrücklichen Wunsch des Hrn. Sydow. — Nachdem heute die allerhöchste Bewilligung der DimissionSgesuche der Herren vr. Fals und vr. Friedenthal von EmS hier eingegangen ist*, sind die betreffenden Ministerien derselben auf die dazu de- signirten Candidaten, den Oberpräsidenten v. Putt kamer und den vr. LuciuS, übergegangen. Die Be willigung des Abschieds für die genannten bisherigen Minister ist in huldreichster Weise erfolgt. Beide be halten den Charakter von StaatSminister». Dem vr. Friedenthal ist außerdem der Adel und dem vr. Falk der Adel für seinen Sohn, welcher im Garde- Füsilierregiment dient, ertheilt worden. Die Verabschie dung der beiden abgehenden Minister und die Einfüh rung ihrer Nachfolger sowie die des neuen Finanz ministers Bitter erfolgte in einer vertraulichen Be sprechung deS Ministeriums bei dem Fürsten BiSmarck, wie sie hergebracht ist, wenn der Fürst eine größere Ur- laubsreise vorhat. — Der heute zurückgetretene Land- wirthschaftsminister vr. Friedenthal, jetzt 0r. v. Frieden thal, hat in letzter Zeit noch eine Reihe von Gegen ständen für die legislatorische Behandlung in der nächsten Landtagssession vorbereitet. Dahin gehören 1) der Entwurf einer Feld- und Forstpolizeiordnung, welcher mit Rücksicht auf die CommifsionSbcschlüsse des Ab geordnetenhauses überarbeitet worden ist. Im Herren hause war derselbe bereits durchberathen worden, ohne auf erhebliche Differenzen zu stoßen. ES ist darum die Annahme desselben in der nächsten Landtags session sehr wahrscheinlich. 2) Der Entwurf einer Jagdpolizeiordnung, über welchen im Staatsministerium bereits eine vorläufige Verständigung erzielt ist. 3) Ein Entwurf über die infolge der NeichS-Justizgesetze er forderlichen Veränderungen im Auseinandersetzungs verfahren. 4) Ein Entwurf zur Verhinderung der landesculturschädlichen Waldtheilungen, der sich den übrigen zur Erhaltung des Waldes getroffenen Ein richtungen anschließt. Die weitere Behandlung der Rechtsverhältnisse der ländlichen Arbeiter hängt von dem Vorschreiten connexer Materien ab. — Die National-Liberale Correspondenz weist auf