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Nr. 163. seip-ig. U«ch»I«! «ulrrGixxta»» Prn» vtn»«It«hrUch 1«. «Vf. SA« ci»»rl>>k »txx««. Deutsche Allgemeine Zeitung. «Mchrhtit »L «echt, Freiheit »ob Seseh!» Mittwoch, 16. JE I87S. 2nseratr find «» di« «kpcditi»« t» i!ei»,i, Pi >r«Lk«. Z»sertt,,,,«»«hr s», »t« e»«ltr»itU« »v W, xxtr, Vtx^ixüd» »o Vf. Telegraphische Depeschen. *<mv, 14. Juli abend«. Se. Maj. der Kaiser ist heute Nachmittag um 4 Uhr im besten Wohlbefinden »on hier nach Koblenz abgereist. Auf dem Bahnhofe hatten sich der Prinz Georg von Preußen, der Herzog Bernhard von Sachsen-Meiningen, der Prinz Alexan der von Hessen mit seinem Sohne, die Spitzen der Behörden, der Badecommissar Kammerjunker v. Lepel sowie die Geistlichkeit und die Lehrer zur Begrüßung Sr. Maj. eingefunden. Der Kaiser fuhr in einem offenen Wagen durch die dichtgedrängte Volksmenge zum Bahnhofe, überall mit enthusiastischen Zurufen empfangen. * Lönigsberg i. Pr., 14. Juli. Der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin, welcher gestern zur Znspicirung der Truppen hier eintraf, besichtigte heute auf dem Schießplätze bei Altenberg da« Attillerie- regiment. * Wien, 14. Juli abends. Bei der heutigen Nach wahl in der ersten Curie des bukowinaer Großgrund besitze« wurde der Ministerpräsident v. Stremahr ein stimmig zum Reichstagsabgeordneten gewählt. * pari«, 13. Juli. Heute hat die alljährliche große Truppenrevue vor dem Präsidenten der Republik im Boi« de Boulogne stattgefunden. Pari», 13. Juli abends. An der heutigen Revue der pariser Garnison auf der Rennbahn in LongchampS nahmen etwa 20000 Mann mit 5000 Pferden und 96 Geschützen theil. Die Compagnien waren in Stärke von 80, die Schwadronen in der von SO Mann ausgerückt. DaS Wetter, am Morgen regnerisch, klärte sich mittags auf und war während der Revue, die von 2 bis 4 Uhr dauerte, schön und klar. Die Truppen staNden unter Befehl des Gou verneurs von Paris, Baron Ahmard, und defilirten vor "kem Präsidenten Grevy, der sich in einer Ehren tribüne befand. Grevy trug den Großcordon der Ehrenlegion amd hatte zur Hechten den Kriegsminister, Genera^ Gresley, und. zm: Linke» den Mannemiyister. In^^bev"TribÄne de-^PräfidentAt^befand ffetz »ntete andern officiellen Persönlichkeiten auch Gambetta. Frau Grevy und Damen waren in einer speciellen Nebenloge. Viele republikanische Senatoren nnd Depu- tirte wohnten dem militärischen Schauspiele bei. Die Diplomatentribüne war ziemlich leer. Die Marschälle Mac-Mahon und Canrobert waren nicht anwesend. Der Verlauf der Revue selbst war ein außerordent lich guter. Die Truppen sahen vortrefflich aus und der Vorbeimarsch war ein durchaus gelungener. Die Infanterie marschirte in wirklich bemerkenSwerther Ordnung und Richtung, die Artillerie war ausge zeichnet nach Bespannung und Material, und kam tadellos vorbei, die Cavalerie ritt unverkennbar bester als früher, mehrere Kürassierregimenter zeichneten sich durch ihre vorzüglichen Pferde aus. Keinerlei Unfall fiel vor, kein Reiter stürzte, alles ging überraschend gut. DaS Publikum, nach Hunderttauseoden zählend, begrüßte die einzelnen Generale und Regimenter beim Dtfilr mit enthusiastischem Beifall. Doch hörte man nicht den Ruf: Viv« I» kepudliqoel Die Mufik- bandeu spielten, während der Gouverneur Aymard die Front abritt, die Marseillaise. Zn der glänzenden Suite deS letzter» befanden sich sämmtlichr fremde» Militärattaches. Wir holten da« Urtheil competenter Militär« darüber ein und können danach die Ansicht auSsprechen, daß die Revue einen beachtenSwerth guten Verlauf nahm und bewies, wie die französische Armee durch ernstlichste Arbeit gegen voriges Jahr wiederum bedeutende Fortschritt« in ihrer Ausbildung gemacht hat. Die Truppen, welche heute in LongchampS defi- lirten, zeigten sich auch dem militärisch prüfendsten Auge in einem günstigen Lichte. (»Post«.) * London, 14. Juli. Der Morning Post zufolge lehnte Ztröme die Einladung der Kaiserin Eugenie ab, sie nach dem Begräbnisse zu besuchen. (Wiederholt.) * Sofia, 14. Zuli. Fürst Alexander ist hier eingetroffen und von den Behörden, der Geistlich keit und der Bevölkerung in feierlicher Weise em pfangen worden. * Wien, 14. Zuli. Meldungen der Politischen Corre- spondenz aus Konstantinopel: „Dem Zuvestitur- ferman für den Fürsten Alexander von Bul garien liegt ein Schreiben des Großvezir« bei, in welchem dem Fürste« die Rücksicht auf das Wohl der in Bulgarien wohnende» Muselmanen besonders an- empfohle» wird. — Der Erzbischof Graffelli hat ein Schreiben des Papste« an den Sultan überreicht, in welchem der Papst sein« dankende Anerkennung über die Haltung der Pforte in dem haffunistischen Kirchen streite ausspricht. — Gerüchtweise verlautet, der Sultan habe Mahmud-Damat-Pascha, welcher seinerzeit al« Gouverneur nach Tripolis verbannt worden war, begnadigt und stehe die Rückkehr desselben bevor. Ein andere« noch unbestätigte« Gerücht bezeichnet Mah- mud-Nedim-Pas cha alSNachsolgerMahmud-Damat- P»schH»»i» Tripoli«." * tvashingtonz 13. Zuli. Da« öffentliche Gesund- heitScomite hierselbst trifft Vorbereitungen zur Verhin derung der Wetterverbreitung deS Gelben FieberS in den Südstaaten. (Wiederholt.) Ein Centrnmsprogramm. — Leipzig, 15. Zuli. Den Bortheil hat die Stellung des Centrum« als einer zur Majorität im Reichstage gehörigen Gruppe: dasselbe muß mit dem, was es in dieser seiner Eigenschaft thun oder nicht thun will, hervortreten. Bisher, wo cs immer in der Opposition war, fiel eS ihm leichter, diese seine Stel- ung vor seinen Wählern zu motiviren; jetzt, wo es ich als „Regierungspartei" gerirt, ist das weniger leicht. Dennoch versucht sich die «Germania» an diesem schwierigen Unternehmen. Zn einem Artikel „Da« Centrum und dir «Extremen» in Baiern" sucht sie die letztern zur Raison z« bringen oder wenigsten« da« Centru» als parlamentarische Fraction gegen deren Angriffe zu rechtfettigen und vor deren Zumuthungr« sicherzustcllen. Sonderbarerweise thut sie dies nicht mit ihre» eigene» Gründen, sondern mit denen eiue« bairischen Blattes, der Amberger Volks-Zeitung, indem sie einen darin enthaltenen Artikel aus der Feder de« Abg. Rußwurm einfach abdruckt. Immerhin hat man wol darin eine Art von — halb Rechenschaftsbericht, halb Zukunftsprogramm der CentrumSfractivn im Reichstage zu erblicken. Zn ersterer Beziehung sucht der Artikel das Cen- trum wegen seiner Abstimmungen in den Zoll- und Steuerfragen zu rechtfertigen, insbesondere wegen fei nes Votums für den Kaffee- und Petroleumzoll. Die „geringe Vertheuerung der Lebensbedürfnisse" sei nicht so schlimm, als wenn, man das Deficit in den Eiu- zelstaaten durch Erhöhung der directen Steuern hätte decken müssen. Es wird dabei an die „Landwirthe und Gewerbtreibende" appellirt. Wo aber bleiben die Arbeiter, für die eine Vertheuerung der Lebensbedürf nisse leicht sehr empfindlich sein dürfte, während eine Erhöhung der directen Steuern gerade sie — da we nigstens, wo diese progressiv normirt sind und die untersten Erwerbsklassen ganz oder fast ganz frei lassen — nicht oder nur wenig trifft. Zntereffant ist cS, zu hören, wie der CentrumS- wortführer sich über den „Militarismus" ausspricht. „Wahr ist eS", sagt er, „daß der Militarismus die Schuld an der Finanznoth in den deutschen Staaten trägt, aber ebenso wahr ist eS, daß da« Centrum vom ersten Augenblicke seine« Entstehen« an bi« zur Stunde gegen den Militarismus, namentlich gegen die drei jährige Präsenzzeit, gegen die hohe Ziffer der Frie- denSarmee, gegen die MilttärauSgaben angekämpft hat und aukämpft. Als eS sich vor etwa» mehr al« fünf Zähre« um Bewilligungen für da« Militär aus sieben Zah«, da« sogenannt« Septennat, handelte, da war eS das Centrum, welches entschieden und geschlossen gegen diese Forderung redete und stimmte. Seit den fünf Zähren deS SeptennatS hat bei jeder Bera- thung des Militäretats das Centrum seine Wünsche auf Verminderung der Militärlast laut und entschie- don au-gesprochen. Mehr zu thun, qlS gegen Positio nen zu sprechen und zu stimmen, kann ja doch nie mand in einem Parlament thun." Nach dieser Expectoration des Abg. Rußwurm, welche die «Germania» einfach zu der ihrigen macht, muß man schließen, das Centrum werde auch ferner hin „gegen die dreijährige Präsenzzeit, gegen die zu hohe Ziffer der Friedensarmee, gegen die Militär- ausgaben", wie bisher, „ankämpfen". Wo bleibt aber dann die geschlossene Regierungsmehrheit? Wie steht eS dann mit der Allianz zwischen dem Centrum einer- Leipziger Stadtthtater. -«Leipzig, 9. Zuli. Zn der gestrigen Vorstel lung des „Lohengrin" trat Frl. Riegler aus Han nover, deren vorjähriges Gastspiel noch in bester Er innerung steht, in der Rolle der Ortrud zum ersten mal als Mitglied unserer Oper auf. Wir haben be reits seinerzeit ihre Leistung als eine vorzügliche be zeichnet im Hinblick auf die von aller Halbheit freie, in Recitation und Spiel scharf ausgeprägte Charakte ristik. Diesmal schien uns die Darstellerin das Dä monische im Wesen der Ortrud noch entschiedener zur Geltung zu bringen als früher, namentlich der Aus bruch deS Fanatismus im zweiten Act: „Entweihte Götter", für dessen musikalische Wiedergabe übrigens auch die Stimme der Sängerin die nöthige durch dringende Kraft und Energie besaß, hatte volle elemen tare Gewalt. Einen wirksamen Contrast bildete un mittelbar darauf die heuchlerische Unterwürfigkeit Elsa gegenüber. Dabei hatte diese Ortrud im ganzen eine vornehme, imponirende Haltung. Als Telramund trat Hr. Alfons Schüßler, ebenfalls bisher Mitglied des HoftheaterS zu Hannover, auf, dessen Leistung im ganzen einen vortheilhaften Eindruck machte. Die Stimmittel des Künstlers sind in allen Lagen aus giebig und von natürlicher Kraft, sodaß ein Forciren der hohen Töne, zu dem sich Hr. Schüßler bisweilen verleiten ließ, nicht einmal durch die Noth geboten erschien. Die Klangfarbe des Organs ist dagegen clwa« trocken und leidet namentlich unter der im all gemeinen Zu dunkeln Aussprache der Bocale, besonders deS i und ü. Der dramatischen Recitation ist noch etwas mehr Geschmeidigkeit und Ruhe zu wünschen; im übrigen ist ihr Bestimmtheit und Natürlichkeit im Ausdruck nachzurühmen. Die Charakteristik war in der Hauptsache angemessen und hätte nur vielleicht hin und wieder das ritterlich-mannhafte Wesen Telra- mund'S noch mehr hervortreten lassen können. Zm allgemeinen bekundete die Leistung entschiedene Befähi- gung, und e« kommt nur darauf an, daß der Künstler die übrigens nicht schwere Beseitigung der bezeichneten Mängel sich angelegen sein läßt, um von ihm noch Vortreffliches erwarten zu lassen. Die Vorstellung war eine der besten, die wir über haupt hier erlebt haben; eS ging durch dieselbe ein ernster künstlerischer Zug. Hr. Lederer als Lohengrin war, bei günstiger Disposition, vortrefflich; die Lei stung zeigte, daß der strebsame Künstler seit dem letz ten male, wo wir ihn in dieser Rolle gesehen, ganz bedeutend an der Vervollkommnung derselben gearbei tet hat, sodaß im wesentlichen nur noch eine weihe vollere Gesammthaltung, namentlich ein entsprechender Stil im Bortrag der Erzählung im dritten Act zu wünschen bleibt. Ebenso bot Frl. Widl eine durchaus sympathische, beseelte Darstellung der Elsa, und möge nur den Gebrauch des Portamento etwas mehr be schränken. Hr. Wiegand gab den König diesmal mehr mit königlicher Haltung und Repräsentation; leider wird nur der gute Eindruck seiner Leistung einiger maßen beeinträchtigt durch die Neigung zum Tremu- liren. Letzteres gilt auch von dem sonst lobenSwerthen Heerrufer des Hrn. Lieban. Der Chor zeigte sich gut diSciplinirt und erfreute namentlich durch die Reinheit der Intonation, die nur beim Zug zum Münster zu weilen getrübt erschien, sowie durch meist edle Vor tragsweise. Was die Znscenirung betrifft, so haben wir schon bei anderer Gelegenheit auf den Verstoß hingewiesen, der damit begangen wird, daß der Chor die Begrüßung Lohengrin's im ersten Act von dem vollständig von ihm eingenommenen Vordergründe au« an das Publikum richtet. Die Vorstellung leitete, so viel wir wissen zum ersten mal, Kapellmeister Nikisch mit Sicherheit und Verständniß; gefreut hat e« uns insbesondere, daß er den im Gebet im ersten Act kurz vor dem Eintritt deS Chors ganz unmusikalischerweise eingeschobenen, als eine Art von „Eselsbrücke" für den Chor dienenden, in seiner praktischen Nothwendigkeit uns aber durchaus nicht einleuchtenden Takt, der sich nun schon seit langen Zähren von Direction zu Di- rection fortgecrbt, endlich einmal beseitigt hat. Zum Schluß dieses Berichts noch eine persönliche Angelegenheit. Ein Anonymus, der meine Thätigkeit als Kritiker mit einer ebenso mich überraschenden al« mir schmeichelhaften Ausdauer verfolgt, hat der Re daction dieses Blattes eine Postkarte mit folgenden Zeilen zugehen lassen: „Ihrem Musik-Berichterstatter (-e) zur Nachricht, daß die - Fledermaus» von Zohann Strauß und nicht von Suppt geschrieben ist. Da der Name Suppt öfters in der Kritik vorkommt, so ist ein bloßes Versehen ausgeschlossen. Ein netter Lapsus für einen Kritiker, wenn er auch mit Verach tung auf die Operettenproducte herabsehen mag! Ein Opperettenfreund." Nun wohl! Der Herr „Opperettenfreund" freue sich deS Triumphes, daß ich gestehe, mit Bewußtsein geschrieben zu haben: Suppt — merkwürdigerweise!