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3. ZYKLUS-KONZERT PROGRAMMATISCHE MUSIK Festsaal des Kulturpalastes Dresden Freitag, den 13. November 1987, 19.30 Uhr Sonnabend, den 14. November 1987, 19.30 Uhr Dirigent: Herbert Kegel, Dresden Solist: Ludwig Streicher, Österreich, Kontrabaß Wolfgang Amadeus Mozart 1756-1791 Ouvertüre zu „Die Hochzeit des Figaro" Marcel Rubin geb. 1905 Konzert für Kontrabaß und Orchester Allegro capriccioso Molto tranquillo ed espressivo Vivace con spirito DDR-Erstaufführung Ludwig van Beethoven 1770-1827 PAUSE Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 (Eroica) Allegro con brio Marcia funebre Scherzo (Allegro vivace) Allegro molto Das Konzert wird vom Rundfunk der DDR, Sender Dresden, aufgezeichnet und am 24. November 1987 im Rahmen des „Dresdner Abends" gesendet. Der prominente Österreichische Kontrabaßvirtuose LUDWIG STREICHER wurde 1920 in Wien geboren, wo er auch an der Akademie für Musik sein Studium absolvierte. 1945—1973 war er Mitglied des Orchesters der Wiener Philharmoniker und der Wiener Staats oper. Seit 1966 lehrte er an der Wiener Musikhoch schule, an der er 1973 zum Hochschulprofessor berufen wurde. Damit beendete er seine Orchestertätigkeit und begann zugleich eine Karriere als Konzertsolist, die ihn zu Recitals und zu namhaften Orchestern in zahlreichen Ländern Europas und Afrikas, nach Ame rika und Japan führte, wobei auch Rundfunk- und Fernsehaufnahmen entstanden. Prof. Streicher wirkte bei zahlreichen internationalen Festspielen und Som merakademien mit. Er hielt Kurse auch beim Weimarer Musikseminar und veröffentlichte das Unterrichtswerk „Mein Spiel auf dem Kontrabaß". Insgesamt be spielte er sieben Langspielplatten. ZUR EINFÜHRUNG Die Ouvertüre zu Wolfgang Ama deus Mozarts im Jahre 1786 uraufge führter Oper „Die Hochzeit des Fi garo " nach der berühmten revolutionären Komödie „Der tolle Tag" von Beaumarchais stellt die einzige Ouvertüre zu einer der rei fen Meisteropern des Komponisten dar, die keinerlei thematisches Material aus dem Opernwerk selbst verarbeitet und in der das spätere Handlungsgeschehen klanglich in kei ner Weise vorweggenommen wird. In dieser in verkürzter Sonatensatzform (ohne Durch führung, aber mit einer großen Coda) ange legten Komposition, die sich durch ihre for male Geschlossenheit, durch die Selbständig keit der Gedanken besonders gut auch für eine Darbietung im Konzertsaal eignet, kann man wohl am ehesten eine Widerspiegelung des Gesamteindrucks von Mozarts Oper er blicken; indessen ist sie häufig auch als eine allgemeine, einführende Schilderung in das Milieu der Oper beziehungsweise sogar als eine Zeichnung des Charakters des Titelhelden gedeutet worden. Es mag beides in Mozarts Absicht gelegen haben. Doch erreicht hat er mehr, denn frag los äußert sich im rasenden Ablauf dieses prestos, in seinen plötzlichen heftigen Akzen ten, im frechen Triumphgesang der Bläser, ein aufrührerischer Geist, der, freimütig Par tei ergreifend und den höfischen Librettisten da Ponte überspielend, dem kräftigen Urbild des Bürgers Beaumarchais folgt: Figaro, der „Diener", lehnt sich gegen die Despotie des Grafen auf („Will der Herr Graf ein Tänzchen wagen ... ich spiel ihm auf!"). Die von erregender, federnder Leichtigkeit und Schwerelosigkeit erfüllte, ganz auf Bewe gung gestellte und in wirbelndem Prestissimo- Tempo dahinjagende Ouvertüre setzt ganz leise im Unisono ein. Sie wird von zwei mei sterhaft verarbeiteten Hauptthemen getragen: einem aus verschiedenen, gegensätzlichen motivischen Bestandteilen bestehenden ersten Thema und einem gesanglichen, liebenswür dig-weichen Thema in A-Dur. Marcel Rubin wurde am 7. Juli 1905 in Wien geboren, studierte zunächst an der Wie ner Musikakademie bei Franz Schmidt Theorie und erhielt schließlich seine kompositorische Ausbildung als Privatschüler Darius Milhauds in Paris, wo er auch seine ersten Erfolge als Komponist feierte. Nach Wien zurückgekehrt, vollendete er sein Jurastudium (1933 Promo tion), machte sich als Organisator einer Kon zertreihe neuer Musik verdient und schuf sich als Komponist einen ausgezeichneten Namen. 1938 emigrierte er nach Frankreich, später nach Mexico City, wo er Korrepetitor an der Oper wurde und als Klavierbegleiter sowie als Dirigent eigener Werke tätig war. 1947 nach Österreich zurückgekehrt, widmete er sich ne ben der Arbeit als Musikkritiker in immer ver stärkterem Maße seinem Schaffen, das bald als eines der bedeutendsten der nichtexperi mentellen Moderne Österreichs galt. 1969 zog er sich als Kritiker zurück, stand aber als Pd^ sident der österreichischen Gesellschaft Autoren, Komponisten und Musikverle^w (AKM), als welcher er von 1975 bis 1984 fun gierte, weiterhin im Brennpunkt des Gesche hens. Sein Schaffen umfaßt Bühnenwerke, 9 Sinfonien und andere Orchesterwerke, ver schiedene Instrumentalkonzerte, Lieder und Kammermusik. 1969 erhielt er den Preis der Stadt Wien, 1970 den großen österreichischen Staatspreis. In Marcel Rubin begegnen wir einem der pro filiertesten Komponisten Österreichs. Seine musikalische Sprache wurde zunächst in ho hem Maße durch seinen Aufenthalt in Paris und durch Darius Milhaud geprägt. Durch diesen lernte er Ideen und Ziele der „Gruppe der Sechs“ kennen. Bewußt an die Tradition anknüpfend, widerstrebt er dabei jedweder Etikettierung: Tonalität und Harmonik werden bis zu deren äußersten Grenzen ausgelotet; die Bedeutung der Melodik bleibt trotz star ker Betonung des Rhythmischen gewahrt. Be sonders charakteristisch für die Musik Rubins ist ein klares, auch komplizierteste Strukturen souverän handhabendes Formdenken, wo durch die Konturen aller seiner Werke immer leicht faßlich bleiben und für Konzentrajj^k der musikalischen Aussage sorgen. Für den Kontrabaß-Virtuosen Ludwig Strei cher, der auf der Suche nach anspruchsvoller Literatur für sein Instrument etliche Kompo nisten um neue Werke ersuchte, schrieb Mar cel Rubin in den ersten Monaten des Jahres 1970 sein Konzert für Kontrabaß und Orchester. Die Uraufführung fand dann in einer Konzert-Serie im Rahmen des „Wiener-Symphoniker-Zyklus" der Gesellschaft der Musikfreunde statt: vom 9. bis 12. Dezem ber 1971 interpretierten Ludwig Streicher und die Wiener Symphoniker das Werk unter der Leitung von Josef Krips viermal. Nach der Auf führungsserie schrieb der Solist dem Kompo-