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1167 Abg. 0 r. Delbrück will in 33 o die Worte „auch nachgeahmte" streichen. Nach kurzer Debatte werden Pos. 33 » und d mit dem Amendement Lieber angenommen. Abg. 0r Delbrück zieht sein zu Pos. 33 v gestell te- Amendement darauf zurück, um e- bei der zweiten Lesung der Position GlaS wieder aufzunehmen. Die Pos. 33 o und ck werden ebenfalls mit den Amendements Lieber angenommen. Hieraus vertagt sich daS HauS bis Donnerstag Vormittag 10 Uhr. Tagesordnung: Eine Reihe klei nerer Vorlagen, Rechnungsübersichten und Zolltarif. Zur Orientirung in Sachen der Finanzzölle. — Leipzig, 25. Juni. Je näher die so wichtige Frage der Finanzzölle ihrer Entscheidung rückt, desto stärker treten einerseits die Gegensätze der Parteien, andererseits die Bemühungen um einen Ausgleich dieser Gegensätze nach dieser oder jener Richtung hin hervor. Für das außenstehende Publikum ist eS schwer, über Sinn und Tragweite der von den verschiedenen Seiten her formulirten Anträge überall auf dem Klaren zu fein. Wir halten eS daher für unsere erste Auf gabe, hier aufklärend zu wirken. Also: was wollen die einzelnen Parteien und welche Aussicht ist auf «ine Verständigung derselben untereinander und mit den Regierungen beziehentlich dem Reichskanzler? Zwei solche Anträge lagen bereit- gestern vor. Davon verlangte der Antrag v. Bennigsen, dem muth- maßlich der größte Theil der National-Liberalen zu stimmen wird: 1) jährliche Neubewilligung (sogenannte Quotisirung) der Abgaben auf Salz und Kaffee; 2) Einstellung der von Zöllen und Steuern erzielten Mehreinnahmen in- Reichöbudget an Stelle der jetzigen Matricularumlagen und, falls dieselben dann immer noch einen Ueberschuß ergäben, Bertheilung dieses UeberschusseS an die Einzelstaaten im Etat nach Maß gabe ihrer Bevölkerung. Dieser Antrag faßt zwei Fälle in- Auge: I) den Fall, wo der Reichstag in dem AuSgabe- budget des Reiches bedeutende Abstriche (Ersparnisse) zu machen sich gedrungen fände, und wo er nun dem entsprechende Herabminderungen der Reichseinnahmen »orzunehmen für nöthig hielte, damit nicht etwa die Reichsregierung jene vom Reichstage gestrichenen Posten dennoch verausgabe, wenn sie das verfügbare Geld dazu in Händen hätte; 2) den Fall, Iwo der Reichstag "die Einnahmen »oll bewilligt und dadurch ein Ueberschuß entsteht; in diesem Falle soll nicht die Regierung über einen solchen Ueberschuß verfügen können, sondern nur der Reichstag, und zwar so, daß er den muthmaßlichen Ueberschuß al- Ausgabeposten „zur Bertheilung an die Einzel staaten" in den Etat einstellt. Also nach dem Bennigsen'schen Anträge würden die Matricularbeiträge wegfallen, eventuell würden die Einzelstaaten sogar noch etwas vom Reiche herauS- bckommen; dem Reichstage bliebe aber die Möglich keit, etwa 70 Mill. M. (so viel betragen ungefähr Salzsteuer und Kaffeezoll zusammen) an den indirekten Steuern zu streichen und um so viel, wenn er es be- - gründet fände, das Reichsbudget herabzusetzen. Der Antrag v. Franckenstein (Centium) ging in seinem Kerne dahin: alle Einnahmen aus Zöllen und Verbrauchssteuern über ein gewisses im voraus festzu setzendes Maß hinaus kurzerhand an die Einzel staaten nach dem Maßstabe der Bevölkerung zu ver- theilen, also ganz so, wie es vor Gründung des Reiches im Zollverein geschah. Die Einzelstaaten hätten dann von diesen ihnen vom Reiche aus zu- sließenden Einnahmen einen Theil in der Form von Matricularbeiträge« wieder dem Reiche zuzuführen. Außerdem sollten gewisse Steuern nur auf Zeit be willigt werden. Also: Beibehaltung der Matricularbeiträge, all jährliche Bewilligung derselben durch den Reichstag, aber Zahlung durch die Einzelstaaten, folglich nicht unmittelbare, selbständige Reichseinnahmen. Das Reich würde nur gleichsam erst den Einnehmer für die Einzel staaten machen, dann aber für seinen eigenen Bedarf auf die Beiträge dieser angewiesen sein. Einen dritten Antrag kündigt namens der Frei- «onservativen (der Deutschen Reichspartei) die »Post an. Er enthält Nr. 2 des Bennigsen'schen Antrags ohne Nr. 1. Danach soll, wie bisher, der Reichstag, wenn die Einnahmen aus Zöllen und Steuern nicht ausreichen, Matricularbeiträge bewilligen (was nach dem neuen Tarif wol niemals eintreten würde), da gegen, wenn sich Ueberschüffe ergeben, diese nach der Bevölkerungszahl an die Einzelstaaten vertheilen. Wir bemerken noch, daß dieser Anttag und also auch Punkt 2 deS Bennigsen'schen Antrags sich eng an den Grundgedanken BiSmarck'S anschließen: 1) dem Reiche eigene Einnahmen zu verschaffen, damit eS nicht ' länger „der Kostgänger der Einzelstaaten" sei; 2) wo möglich noch ans jenen Reichseinnahmen Ueberschüffe an die Einzelstaaten, zur Erleichterung der directen Steuerzahler in diesen, abzuführen, wogegen der Cen trumSantrag zwar diesen zweiten Zweck, nicht aber jenen ersten im Auge hat, da er die Matricularbei- träge beibehalten wissen will. Nun wird heute mehrseitig gemeldet, die beiden (!) konservativen Fraktionen hätten sich mit dem Ceutrum dahin geeinigt, daß sie dem ersten Theil de» Francken- stein'schen Antrages (Bertheilung aller Reichseinnahmen über einen gewissen Bettag hinaus an die Einzel staaten und Beibehaltung der Matricularumlagen) zu- stimmten, wogegen daö Centrum den zweiten Theil (Bewilligung gewisser Zölle und Steuern nur auf Zeit) aufgeben würde. Diese Nachricht bedarf indeß noch der Bestätigung, beziehentlich der nähern Erläuterung, denn eS fällt schwer, zu glauben, daß „beide" conservative Frak tionen einem Anträge zugestimmt haben sollten, welcher nicht allein mit dem angeblich von den Freiconser- vativen entworfenen Anträge, sondern auch mit dem eigensten Gedanken des Reichskanzlers bei dieser Finanz reform im allerdirectesten Widerspruche steht. Deutsches Reich. kr.l..6. Lerlin, 24. Juni. Die Entscheidung über die Frage der Garantien ist gefallen. Das Cen trum und die konservativen Parteien haben sich unter Ablehnung deS Bennigsen'schen Vorschlages miteinander verständigt. Motive und Verlauf dieser Verständigung können nicht besser gekennzeichnet werden als durch Wiedergabe einer offenbar autorisirten Notiz, welche die heutige Abendausgabe der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung enthält: Die beiden conservativen Fractionen des Reichstages, vor die Nothwendigkeit gestellt, sich zwischen den Anträgen v. Bennigsen und v. Franckenstein zu entscheiden, haben eine alljährliche Festsetzung der Höhe des Zollsatzes wie der Ab gabe für Salz (Alinea 1 des Anträge« v. Bennigsen) nicht als die wiinschenSwerthe Lösung der schwebenden Frage zu erachten vermocht, zumal dadurch das im Art. 5 der Reichs- Verfassung garantirte Präsidialrecht Preußens tangirt würde. Die deutfchconservative Fraktion sowol wie die Reichspartei erblicken dagegen in Alinea 1 de« Antrages v. Franckea stein lediglich den formellen Ausdruck eines Princips, welcher eine Aenderung des thatsächlich bestehenden Verhältnisse« nicht enthält. Dem gegenüb-r hat das Lentrum sich ent schlossen, Alinea 2 des Antrages Franckenkein aufzugeben, und es dürften demnach sich die Stimmen der beiden kon servativen Fractionen sowie der LentrumSfraction auf Alinea 1 dieses Anträge» vereinigen, fall« die Tabackssteuer in einer angemessenen dem Zweck der Vorlage entsprechen den Höhe bewilligt wird. Nach dem hier angezogene« Alinea 1 bleiben die Matricularbeiträge bestehen, während die aus der Tabackssteuer und den Zöllen sich über den bisherigen Betrag ergebenden Mehreinnahmen nach dem Ver- hältniß der Kopfzahl auf die Einzelstaaten vertheilt werden. Es ist dies also das gerade Gegentheil jener finanziellen Selbständigmachung des Reiches, welche von den National-Liberalen im Verein mit dem Reichs kanzler erstrebt wurde. Der Antrag v. Bennigsen, welcher die Brücke zur Erreichung dieses Zieles bilden sollte, ist von den konservativen Fractionen kurzer hand zurückgewiesen worden; der Antrag des Cen trums, welcher einen dem Reichsgedanken principiell entgegengesetzten Föderalismus befestigt, wird von diesen Fractionen willkommen geheißen. An und für sich hatten die Conservativen, wie die Kreuzzeitung auS- führt, für keinen von beiden Standpunkten Sympathie; aber, vor die unvermeidliche Alternative zwischen libe ralem Constitutionalismus und particularistischem Föde ralismus gestellt, „kann kaum ein Zweifel darüber ob walten, daß vom Standpunkte der conservativen An schauungen aus eine Entscheidung zu Gunsten der föderativen Bestrebungen die näher liegende ist". Damit wird denn der Traum derjenigen, welche an die Realität einer konservativ-klerikalen Majorität nicht glauben mochten und unablässig die Nothwendigkeit einer konservativ-liberalen Majorität predigten, wol sein Ende erreicht haben. Damit übrigens der Sache der Humor nicht fehle, bringt daS Organ der Deut schen Reichspartei heute Abend noch einen Antrag nebst gesperrt gedrucktem Commentar, welcher genau das Gegentheil dessen enthält, wozu die Deutsche NeichS- partei nach dem Berichte der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung bereits ihre Zustimmung gegeben. Von den weiter links stehenden national-liberalen Organen will die «Tribüne» sogar einen Theil der Matricularbeiträge beibehalten wissen, weil ihr die bloße Quotisirung der Salz- und Kafseesteuer nicht als ausreichende „konstitutionelle Garantie" erscheint. Die fortschrittlichen Blätter, Vossische Zeitung, Ber liner Zeitung, Berliner Bürgerzeitung, bekämpfen mehr oder weniger entschieden den Bennigsen'schen Vorschlag als ungenügend zur Sicherstellung des Einnahmebe willigungsrechtes des Reichstages. — Seitens der Deutschen Reichspartei wird, wie die «Post» in sehr positiver Weise ankündigt, folgender Antrag eingebracht werden: Gesetz betreffend die Abänderung des Art. 70 der Reichs- Verfassung. Art. 70 erhält folgende Fassung: „Zur Bestrei tung aller gemeinschaftlichen Ausgaben dienen zunächst hie rechnungsmäßigen Ueberschüffe der Vorjahre sowie die au« den Zöllen, den gemeinschaftlichen Verbrauchssteuern und au« dem Post- und Telegraphenwesen fließenden gemein schaftlichen Einnahmen. Insoweit die gemeinschaftlichen Aulgaben durch diese Einnahmen nicht gedeckt werden, sind sie durch Beiträge der einzelne» Bundesstaaten nach Maß gabe ihrer Bevölkerung aufzubringen, welche bis zur Höhe de» budgetmäßigen Betrag» durch den Reichskanzler ausge- schrieben werden. Die nach dem ReichshauShaltSetat ver anschlagten Ueberschüffe der Einnahmen über die Au«gaben sind im budgetmäßigen Betrage nach demselben Matzstabe auf die einzelnen Bundesstaaten zu vertheilen." (Ja seiner gegenwärtigen Gestalt lautet Art. 70 der Reich-Verfassung: „Zur Bestreitung aller gemeinschaftlichen Ausgaben diene« zunächst die etwaigen Ueberschüffe der Vorjahre sowie dir aus den Zöllen, den gemeinschaftlichen Verbrauchssteuern und aus dem Post- und Telegraphenwesen fließenden ge meinschaftlichen Einnahmen. Insoweit dieselben durch diese Einnahmen nicht gedeckt werden, sind sie, solange Reich«- steuern nicht eingeführt sind, durch Beiträge der einzelne» Bundesstaaten nach Maßgabe ihrer Bevölkerungen aufzu- brinaen, welche bis zur Höhe des budgetmäßigen Betrag» durch den Reichskanzler« ausgeschrieben werden.") Die «Post» bemerkt: Die Deutsche Reichspartei hat es jederzeit al« ein nor males Ziel der Entwickelung de« Budgetverhältniffe« de» Deutschen Reiche« betrachtet, daß das Reich, auf eigene Einnahmen gestellt, nicht als hülfesuchender Kostgänger bei den Einzelstaaten erscheinen sollte, sondern daß ähnlich, wie im Zollverein es der Fall war, Quellen gemeinsamer Ein nahmen erschaffen werden. Ob der Antrag in der Tarif commission oder in dem Plenum eingebracht werden wird, muß abhängig bleiben von dem Gange, welchen die weiter« Verhandlungen zwischen den Fractionen nehmen, welche auf richtig das Zustandekommen der Tarif- und Steuerreform anstreben. So viel können wir aber schon jetzt sagen, daß die Nr. 1 des Bennigsen'schen Antrag« für die Reichspartei ebenso unannehmbar ist wie die Nr. 2 des Frauckeu- stein'schen. — Nach der «Germania» erstrebt das Centrum ein Dreifaches: 1) Daß die Matricularbeiträge beibehalten und der Er trag der Zölle und der Tabackssteuer, welcher das bisherige mittlere Ergebniß übersteigt, ganz an die Bundesstaaten vertheilt werde, und zwar nach Maßgabe der Bevölkerung, mit welcher sie zu den Matricularbeiträgen herangezoge« sind. 2) Daß bestimmte Zölle nur auf Zeit, vorläufig bi» 1881 (Ablauf de« SeptennatS für den Militäretat) bewil ligt werden sollen. Die Auswahl wird sich nach Erledi gung de« Tarifs in zweiter Lesung leicht treffeu lassen. 3) Daß in geeigneter Form die Gewähr übernommen wird, die nach Deckung de« DeficitS den Einzelstaaten verbleibenden Ueberschüffe zur Entlastung der Steuerzahler zu verwenden. Die «Germania» bemerkt dazu erläuternd: In dem zweiten Punkt berührt der Antrag des Leu- trums die Vorschläge de« Hrn. v. Bennigsen; es würde also nicht schwer sein, in dieser Hinsicht eine Verständigung zwischen dem Lentrum und den „liberalen" Freunden de» ReformwerkeS herbeizuführen. Aber diese einzige „Garantie" be« Hrn. v. Bennigsen (denn die Nr. 2 seines Antrages enthält eine solche nicht) kann un» keineswegs genügen. Die Regierung kann bei einem Lonflict ohne Kaffee- und Salzzoll allenfalls fortgeführt werden, nicht aber ohne die Matricularbeiträge, unter deren System wegen ihrer „den Etat beherrschenden Höhe" in der Hauptsache der Reichstag das Einnahmebewilligungsrecht hat. Um ein volles, unge schmälertes Aequivalent diesem Rechte für den Wegfall der Matricularbeiträge zu geben, müßte mindestens die Hälfte der Zölle quotisirt werden; das ist aber unmöglich. Mit hin bleibt nichts anderes übrig, als den bestehenden Zustand aufrecht zu erhalten, die Matricularbeiträge beizubehalten. Dieser Vorschlag soll den Liberalen damit em pfohlen werden, daß „er die einzig denkbare Basis biete, auf welcher sich eine Vermehrung der konstitu tionellen Befugnisse des Reichstages anbahnen läßt". Nach dem Verbrauche der quotisirbaren Steuern, um einen schwachen Ersatz für das mit den Matricularbei- trägen verknüpfte Einnahmebewilligungsrecht zu sichern, bleibe nichts mehr übrig, nm eine Vermehrung der ReichstagSrcchte in gleichem Schritte mit dem ver mehrten Besitz der Regierung zu erzielen. Den Libe ralen wird darauf ins Gewissen geschoben, daß sie, um nur einen Schritt zum Einheitsstaat vorwärts zu machen, ohne Rücksicht auf die konstitutionellen Rechte die Matricularbeiträge wollen wegfallen lassen. — Den Hamburger Nachrichten schreibt man aus Berlin vom 22. Juni: „Vor einigen Tagen hat eine Unterredung zwischen Führern des rechten und des linken Flügels der National-Liberalen statt- gesunden, in welcher beiderseits die Unvermeidlichkeit einer Trennung in loyaler und, soweit in einem solchen Falle möglich, freundschaftlicher Weife anerkannt wurde. ES sind nicht so sehr die wirthschaftlichen Meinungs verschiedenheiten, welche die Auseinandersetzung uner läßlich gemacht haben, als vielmehr die verschieden artige Stellung zu der gesammten Methode der neuern Bismarck'schen Politik. Demgemäß werden auch mit der Linken keineswegs alle Freihändler aus der Fraktion ausscheiden; zu den Gegnern des neuen Tarifs ge hören eine Anzahl national-liberaler Abgeordneter, welche in allen andern Dingen zu den gouverne- mentalsten Mitgliedern der Fraktion zählen, und sie dürften bei Hrn. v. Bennigsen, der künftig der allei nige Führer der Partei, wenigstens im Reichstage, sei« wird, verharren, mit ihnen die große Mehrzahl der bisherigen National-Liberalen. Mit Forckenbeck, Lasker, Stauffenberg, Rickert wird eine Minderheit ausscheidcn, deren Zahl im Augenblicke noch nicht feststeht. Es ist sehr wahrscheinlich, daß dies nur der Ausgangspunkt weiterer Veränderungen des Partei- wesenS sein wird, die durchzuführen aber Sache der Wähler sein wird. Hervorragende Mitglieder der