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1159 Hierauf wird der Antrag Windthorst auf Ueb«x- Weisung de» Etat« an die Budgetcommisfion abgelehnt. In zweiter Lesung werden die geforderten Sum- mrn, für den Statthalter (215000 M), für dessen Bureau (21475 M.) und dir sonstigen Ausgaben (17500 M.), zusammen 254025 M., bewilligt. Da» Gehalt des Staattsecretärs, 36000 M., be antragt Abg. Windthorst auf 24000 M. zu ermäßigen. Der Antrag wird abgelehnt. Der Etat setzt ferner für drei UnterstaatSsecretäre an der Spitze von drei getrennten Abtheilungen (I) für Innere», 2) Justiz und CultuS, 3) Finanzen, Forsten und Bauten) je 21000 M. nebst 1500 M. Ortszulage fest. Abg. v. Puttkamer-Fraustadt beantragt, vier Unter- staatSsecretäre statt deren nur drei zu bewilligen. Abg. Windthorst: Man möge e« bei der Vorlage der Regierung belafsen und den Gehalt auf 15000 M. ermäßigen. Elsaß-Lothrin gen leide an einer Ueberproduction von Beamten. (Heiter keit.) Man sei heute viel zu bewilligung-lustig und würde da« später bereuen. Abg. Richter-Hagen: Die Finanzlage der Steuerzahler in den Reichslanden wie im übrigen Deutschland sei gleich schlecht, die Lage würde aber noch schlechter werden, wenn da« Lentrum allen andern Parteien in der Bewilligung von Schutzzöllen voran- gehe. Wenn Hr. Abg. Windthorst heut so sehr für Spar samkeit eintrete, so möge er doch die Gelegenheit bei den Finanzzöllen nicht vorübergchen lasten, dem Lande zu zeigen, wa« deutsche Sparsamkeit sei. Abg. Windthorst: Ich stimme für die Schutzzölle, nicht um die Reichs- sinanzeu zu vermehren, sondern weil ich dadurch im allge meinen eine Besserung der Verhältnisse im Lande erhoffe. Ich bin immer sparsam und bewillige nur da«, was absolut nöthig ist. ES wäre mir lieb, wenn die Herren vom Fort schritt uns besser unterstützen würden, nicht wie heute, wenn wir die Ueberweisung an die Budgetcommission beantragen, uns im Stiche lasten und dadurch, daß sie für die zweite Beräthung im Plenum stimmen, ihre Bewilligung von vornherein gewissermaßen aussprechen. Dies bitte ich Hrn. Richter-Hagen sich »ä uotaw zu nehmen. Abg. v. Kleist-Retzow: Buch mir scheint ein gewisser «wdsrrss <lv eicdeseos an Beamten in Elsaß-Lothringen vorzuliegen. Auch die Gehälter, welche die Vorlage aussetzt, scheinen mir im Ver gleiche mit den unserigen etwas hoch; indessen liegen dort ganz andere Verhältnisse als bei uns vor, auch hat man ,n Elsaß-Lothringen zur französischen Zeit ganz exorbitant hohe Gehälter gezahlt. Zudem ist es doch auch nöthig, daß die verschiedenen Gehälter in einem gewissen Verhältnisse zueinander stehen. Darum möchte ich Sie bitten, den An trag Windthorst abzulehnen. Nachdem UnterstäatSsecretär Herzog erklärt hat, daß er gegen dey Antrag Puttkamer-Fraustadt nichts einzuwenden habe, wird derselbe —nach Ablehnung dcS Antrages Windthorst — angenommen. Abg. v. Puttkamer-Fraustadt beantragt ferner, statt 19 Ministerialräthe (wie die Regierungsvorlage will) 20 zu bewilligen, deren Gehalt zwischen 5100 und 9900 M. variirt. Der Antrag wird mit 115 gegen 107 Stimmen abgelehnt. Durch diese Abstimmung wird eS dem Abg. Windt horst zweifelhaft, ob nicht mit den 20 Ministerial- räthen des Antrages Puttkamer auch die 19 der Re gierungsvorlage abgelehnt seien. UnterstäatSsecretär Herzog beseitigt indessen diesen Zweifel durch die ironische Frage, ob denn etwa die vier UnterstaatSsecretäre die ganze Arbeitslast ohne irgendwelche Ministerialräthe bewältigen sollen? Abg. Windthorst zieht seinen Widerspruch zurück, woraus die Regierungsvorlage hier wie in den folgen den Etatstiteln angenommen wird. Auch die Para graphen deS Etatsgesetzentwurfs werden genehmigt. ES folgt die zweite Beräthung des Gesetzentwurfs betreffend die Feststellung eines zweiten Nachtragsetats zum Reichshaushalt (Etat der ReichSdruckerei) für das EtatSjahr 1879/80. Namens der Budgetcommisfion beantragt hierzu Abg. v. Benda: 1) den Etat der Reichsdruckerei und den Entwurf be treffend die Feststellung eines zweiten Nachtrages zum Reichs» Haushaltsetat für 1879M zu genehmigen; 2) die Petition des Vorstandes des Deutschen Buchdruckervereins zu Leipzig betreffend den Wirkungskreis der Reichsdruckerei durch die Beschlußfassung über den vorstehend bezeichneten Gesetz entwurf als erledigt zu erachten. Abg. 0r. Zimmermann macht unter großer Un ruhe deS Hauses, wie schon bei erster Lesung, auf die „berechtigten Bedenken" aufmerksam, die der Vorlage entgegenstehen und in der Befürchtung gipfeln, daß die Reichsdruckerei die Privatindustrie schwer schädigen und eine Art Monopol für gewisse Industriezweige in Anspruch nehmen werde. Abg. vr. Stephani constatirt, daß mit der Annahme deS Etats keine Billigung der in der Denkschrift aus gesprochenen Grundsätze verknüpft sei, daß der Reichs tag vielmehr völlig freie Hand behalte, den Etat künftig zu beschränken, wenn sich ergeben sollte, daß die Thätig- keit der Reichsdruckerei zu einer Schädigung der Privat industrie führe. Die Vorlage wird unverändert angenommen, die obengenannte Petition für erledigt erklärt. In der nun folgenden zweiten Beräthung der Liquidationen der auf Grund deS Art. 5, Ziffer 1—7, des Gesetzes vom 8. Juli 1872 auS der französischen KriegSkostenentschädigung zu ersetzenden Beträge wird auf Antrag des Referenten der RechnungScommission, Abg. v. Reden-Lüneburg, die Summe der al» gemein same Kriegskosten pro 1877/78 liquidirten Beträge auf 466555 M. 51 Pf. festgestellt; sowie die von Baden nachträglich nachgewiesenen gemeinsamen Kosten von 643149 M. 15 Pf. zur Deckung aus der KriegSkosten- entschädigung angewiesen. lieber den Bericht der ReichS-Schuldencommission erstattet ebenfalls Abg. v. Reden Bericht; der Reichstag ertheilt für die vorgelegten Rechnungen der Reichs- Schuldenverwaltung pro 1877/78 Decharge. Hierauf vertagt sich das HauS bis morgen 12 Uhr. Auf der Tagesordnung steht der Zolltarif. Deutsche- Reich. X OerUn, 23. Juni. Der Kaiser ist gestern Abend, wie bestimmt war, nach EmS abgereist und dort heute Vormittag im besten Wohlsein und bester Stimmung angelangt. Er gedenkt gegen Mitte Juli EmS wieder zu verlaffen, dann Süddeutschland zu besuchen und von da gegen Ende Juli nach Gastein zu gehen, um von dort zunächst nach Berlin zurück zukehren. Entgegengesetzte Angaben dürften hiernach zu berichtigen sein. — Parlamentarische Nachrichten erwähnen eine Unterredung deS Abg. Windthorst mit einem Rathe deS Finanzministeriums über die Zahlungen an die Königin Marie. Die Angelegenheit ist in der That in das Stadium der Ausführung getreten. Die Königin hat unserer Regierung durch den Herzog von Altenburg ihren Dank für die bereitwillige Er füllung ihrer Wünsche aussprechen kaffen. Für die geschäftliche Ausführung der Abmachungen ist Windt horst ihr Vertreter. — Der Reichstag hat heute das neue Organisationsgesetz für Elsaß-Lothringen im ganzen definitiv angenommen. Die neue Organisation wird nun voraussichtlich am 1. Aug. inS Leben treten und zwar, wie jetzt festzustehen scheint, unter Berufung deS Feldmarschalls v. Manteuffel als Statthalter. — Der BundeSrathSausschuß für Verfassungs- sacheu war bereits zu einer Sitzung berufen, um die Frage zu prüfen, ob das Gesetz betreffend das Güter tarifwesen auf den deutschen Eisenbahnen eine Ab änderung der Verfassung involvire. Der Ausschuß ist jedoL nicht in die Prüfung eingetreten, da kurz zuvor von Sachsen, Würtemberg und Baden ein Antrag dahin eingebracht wurde: Der Bundesrath wolle die Beräthung der HZ. 2 und 4 des Gesetzentwurfes wieder aufnehmen rmd, unter vorläufiger Entbindung deS VerfaffungSauSschuffeS von dem ihm ertheiltm Auftrage, den Gegenstand an den außerordentlichen Ausschuß für das Gütertarifwesen zurückverweisen, um ein einheitliches Tarifsystem und die dazu nöthigen Normaleinheitssätze im einzelnen zu berathen. Dieser neue Antrag wird vom BundeSrathe in der nächsten Plenarsitzung berathen werden. — Große Aufmerk samkeit erregen hier fortgesetzt die Vorgänge in der Bonapartistenpartei. Aus dem verbreitetsten Blatte derselben ist zu ersehen, daß verschiedene Strö mungen in der Partei sich geltend mache». dl.^.6. Lerlin, 23. Juni. In der Frage der konstitutionellen Garantien liegen der Tarif commission jetzt folgende Anträge vor: 1) Antrag des Abg. v. Bennigsen: Entweder im Zolltarifgesctze oder in ungetrenntem Zu sammenhänge mit demselben nachstehende gesetzliche Vor schriften zu beschließen: Die Höhe de« Zollsätze« vom Kaffee und die Höhe de« Zollsatzes sowie der Abgabe vom Salz werden für jede« Jahr im Reichshaushaltsetat festgestellt. Ergibt sich im ReichShauShaltSetgt nach der im einzelnen erfolgten Feststellung der Einnahmen und Au«gaben ein Ueberschuß der erstern, so ist derselbe im Etat den einzelnen Bundesstaaten nach Maßgabe ihrer Bevölkerung zu über weisen. 2) Antrag des Abg. Frhrn. zu Franckenstein: Im Zolltarifgesetze nachstehende gesetzliche Vorschriften zu beschließen: 1) Derjenige Betrag der Zölle und der Tabackssteuer, welcher die Summe von ... M.*) in einem Jahre übersteigt, ist den einzelnen Bundesstaaten nach Maß gabe der Bevölkerung, mit welcher sie zu den Matricular- beiträgen herangezogen werden, zu überweisen. Diese Ueber weisung erfolgt vorbehaltlich der definitiven Abrechnung zwischen der Reichskasse und den Einzelstaaten aus Grund der im Art. 39 der Reichsverfassung erwähnten Quartal- extracte und beziehungsweise Jahresabschlüffe. 2) Die Ab gabe von Salz und die Zollsätze de« Tarifs in Nr. ...**) werden bis zum 1. April 1881 bewilligt und von da ab jährlich im ReichShauShaltSetat festgesetzt. — Die National-Zeitung scheint mit den Vorschlägen des Hrn. ».Bennigsen einverstanden. Sie bemerkt: „Wie weit die conservative Partei und das Centrum sich diesem Anträge anschließen werden, muß sich bald ergeben. Für die Conservativen werden die constitu- tionellen Garantien vielleicht zu stark, für das Cen trum die föderativen Garantien zu schwach sein. Es ist bei dieser Sachlage unmöglich, vorauSzusehen, in welcher Combination diese Garanliefrage schließlich ent schieden wird. Das aber getrauen wir uns vorauS *) Hier ist der dreijährige Durchschnitt de« bisherigen Erträgnisses der Zölle und der Tabackssteuer einzusetzen. **) Die Tarifnummern zu bezeichnen wird im Laufe der Berathungen Vorbehalten. zusagen, daß an ihr der Tarif mit Schutz- und Finanz zöllen nicht scheitern wird. Das Centrum, welche» mit dem Verlangen nach föderativen Garantien zu weit vorgegangen ist, scheint nicht» andere» zu ver langen al» eine Brücke zum Rückzüge, und die Con servativen sind an der Arbeit, an einer solchen zu bauen." X.1..0. Serlin, 23. Juni. Die Tarifcommission erledigte in ihrer heutigen Frühsitzung zunächst die Nummern GlaS, Kurzwaaren, Stroh- und Bastwaaren, Thonwaaren. Die Beschlüsse der ersten Lesung wurden bei allen diesen Nummern wiederholt. Bei Position 2: Baumwolle, wurde nochmals eine sehr eingehende und lebhafte Debatte zu Gunsten der gefährdeten Interessen insbesondere Krefelds, Barmens und Elber felds geführt — aber auch diesmal ohne Erfolg. Die ans Abänderung der Beschlüsse der ersten Lesung ge richteten Anträge, unter andern auch ein Antrag des Abg. Windthorst, blieben in der Minorität und eS wurden die Beschlüsse der ersten Lesung mit der von dem Abg. v. Varnbüler beantragten Aenderung an genommen, daß in o. 1 7. statt der Nummer 45—59 gesetzt ward Nr. 45—60. Für den Antrag Windt horst stimmten nur freihändlerische Mitglieder der Com mission und einige gemäßigte Schutzzöllner der Libe ralen; die CentrumSmitglieder stimmten sämmtlich gegen Windthorst. ES hat leider den Anschein, al« ob angesichts des einmal abgeschlossenen Compromiffe» zwischen den Anhängern der höher» Roggenzölle und den Vertretern der Spinnerei auch die weitern Be mühungen, eine Aenderung der Nr. 2 (Baumwolle) herbeizuführen, vergeblich sein würden. — Die Neue Preußische Zeitung schreibt auö Berlin vom 23. Juni: „Die vorzugsweise in fortschrittlichen Blättern colportirte Nachricht, daß die Regierung sich für die jetzige Session mit den Schutzzöllen begnügen und die Finanzzölle für die nächste Session auf sparen wolle, und die damit zusammenhängende An nahme, daß die Session etwa am 10. Juli schließen werde, beruht auf bloßen Parteimanövern. Der Reichs kanzler ist weiter als je von einer solchen Vertagung seiner Plane entfernt und würde zu einer beabsichtigten Trennung der Finanz- und Schutzzölle seine Zustim mung bestimmt nicht geben. Die parlamentarische Situation ist auch durchaus nicht danach angethan, daß er es nöthig hätte." — AuS Berlin vom 21. Juni wird der augSburger Allgemeinen Zeitung geschrieben: „Da« Gütertarif gesetz mit dem Vorschläge einer für alle Bahnen ab solut verbindlichen einheitlichen Festsetzung dtp Tarife ist plötzlich wie in eine Versenkung verschwunden. Wenigstens in dieser Session wird der Reichstag mit diesem Elaborat nicht mehr befaßt werden. In dem Moment, wo der Berfaffungsausschuß zusammentrat, um einen Referenten für die Beräthung der Frage zu ernennen, ob die Hß. 2 und 4 deS Gesetzes eine Ab änderung des Art. 45 der Verfassung enthielten, wurde ihm die Mittheilung, daß die Präsidialregierung eS vorziehe, einen sachlichen Ausgleich herbeizuführen. Der Verzicht auf die Entscheidung der Verfassung«, frage ist natürlich nichts Geringeres als der Verzicht auf die Depoffedirung der Einzelstaaten zu Gunsten deS Reiches in der Frage der Festsetzung von einheit lichen Normaltarifen." — In seiner am 21. Juni unter dem Vorsitz deS StaatSministers Hofmann abgehaltenen 31. Plenar sitzung ertheilte der Bundesrath den vom Reichs tage beschlossenen Aendcrungen zu dem Entwurf einer Gebührenordnung für Rechtsanwälte die Zustimmung und nahm Kenntniß von der unveränderten Annahme des Gesetzes über die Controle deS ReichShauShaltS rc. für 1878/79. Eine Vorlage betreffend den Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung und Verwaltung der Reichsausgaben in Elsaß-Lothringen wurde den zu ständigen Ausschüssen überwiesen und demnächst über die Besetzung zweier Stellen für ständige Mitglieder beim Patentamt Beschluß gefaßt. Ausschußberichte wurden erstattet über: s) den Entwurf eines Gesetzes wegen de« Baues einer Eisenbahn von Teterchen nach Diedenhofen; b) den Entwurf eines Gesetzes betreffend die Feststellung eines dritten Nachtrages zum ReichS hauShaltSetat (die Erwerbung von Grundstücken zur Errichtung eines NeichStagsgebäudes); 0) den Entwurf eines Gesetzes wegen der Schiffsmeldungen bei den Consulaten. Die Gesetzentwürfe gelangten sämmtlich zur Annahme. Den Anträgen der berichtenden Aus schüsse gemäß wurden ferner Beschlüsse gefaßt über: s) das Verfahren bei der Ausstellung von Legitima tionsscheinen für den Gewerbebetrieb im Umherziehen für Gesellschaften, welche Musikaufführungen, Schau stellungen, theatralische Vorstellungen oder sonstige Lust barkeiten öffentlich darstellen wollen; d) eine Beschwerde wegen AmtSmisbrauchS seitens eines Geistlichen; o)die Gesuche eines frühern Posteleven um Bewilligung von Pension rc.; cl) die Ausführung deS Gesetzes betreffend den Gewerbebetrieb der Maschinisten auf Seedampf- schiffen; v) den Entwurf einer Dienstweisung über Einziehung und Verrechnung der beim Reichsgericht in