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1031 RüHM Fall'- zu Stande bringen, so könnte auch > die Zustimmung der preußischen Regierung mindesten« zur Versetzung der obligatorischen durch die facultotive Civisth» nicht zweifelhaft sein. Andere Regierungen sind für Errichtung einer Centralinstauz al« höchster entscheidender Stelle in Bezug auf die Ausführung de« Gesetzes über die CivilstandSregister, während be kanntlich diese Ausführung den Landesregierungen über» lasten war, wodurch viele Ungleichheiten herbeigeführt wordy» sind. So ist noch nicht von allen Bundes regierungen die Anordnung getroffen, daß, nachdem die beiden Verlobten, bevor sie durch MamenSunter- schrift die StandeSacte vollzogen, als rechtmäßig ver- buydcne Eheleute erklärt worden sind, die Braut also von diesem Augenblick an Ehefrau geworden, die letztere auch ihrerseits außer ihren Geburtsnamen den Familiennamen ihres Ehemannes unter die Eintra gung zu setzen hat. Ferner besitzen vielfach die Standesbeamten nicht die zur Verwaltung ihres Amtes erforderlichen Kenntnisse, es fehlt ihnen die Befähi gung, das umfassende Gesctzesmaterial, welches durch Ausführungsverordnungen, Declarationen und Er gänzungen vergrößert worden und sich fortwährend weiter bildet, für jeden einzelnen Fall richtig auszu legen und anzuwenden. Es liegt auf der Hand, daß derartige Unzuträglichkeiten auf das Urtheil über die Civilehe nicht günstig wirken können. Dem kann nur durch Ueberwcisung der Ausführung des Gesetzes an da« Reich abgeholfen werden." Andererseits wird den Besorgnissen, welche sich in letzter Zeit geltend gemacht haben, als solle an der Ge setzgebung betreffend die Civilehe gerüttelt werden, be schwichtigend entgegcngetrcten, und zwar werden wieder schließlich die praktischen Gesichtspunkte geltend gemacht, die allerdings (auch abgesehen von der principiellen Seite der Sache) schwer genug wiegen. Daß ein wirk liches Bedürfniß für die Beseitigung der Civilehe nicht vorhanden ist, läßt sich trotz der vereinigten Anstren gungen der Ultramontanen und Conservativen leicht nachweisen. Vom technischen Gesichtspunkte aus kommt aber Folgendes in Betracht. Die ganze Einrichtung der CivilstandSführung hat so tiefe Wurzeln geschla gen, daß eine Aenderung nur mit den weitgehendsten technischen Schwierigkeiten und Kosten zu ermöglichen wäre; ja, eS wird zugegeben, daß die an sich ja schon complicirte Einführung der Civilehe nicht so schwierig zu ermöglichen war, als eS jetzt die Rückkehr zu den früher» Zuständen sein möchte. — Eine Nachricht der wiener MontagS-Revue, wo nach Preußen wegen Auflösung des belgischen Han delsvertrages Schritte gethan habe, wird demen- tirt. Die Hamburger Nachrichten erfahren, daß in Brüssel bis zum 31. Mai eine dahin gehende Erklä rung Deutschlands nicht bekannt war. Ebenso wird eine andere, in italienischen Blättern auftauchende Nachricht dementirt, derzufolge die Schweiz eine Liga der an das Deutsche Reich grenzenden Staaten gegen den neuen deutschen Tarif angeregt habe. — Der berliner Correspondent der wiener Politischen Correspondenz, der sich ausdrücklich als Vertreter des Standpunktes der deutschen Reichsregierung bezeichnet, schreibt über die Stellung Deutschlands in der ägyptischen Frage: Speciell die Behandlung der ägyptischen Frage dürfte zugleich eine Erinnerung daran sein, daß Aegypten keines wegs eine Art Internum für England und Frankreich, l bietigstem Gruße den Ausdruck der unbegrenzten Dank barkeit für seine zum Heile der deutschen Jugend und des gesammten Lehrerstandes tiefgreifende Wirksamkeit freundlichst zu gestatten." Leipziger Stadttheater. -e Leipzig, 2. Juni. Durfte man nach dem, was man von den meisten Operetten Offenbach'« in Bezug auf ihre sittliche Tendenz gewohnt ist, der gestern hier zur ersten Aufführung gelangten komischen Oper „Madame Favart" (Text von Chivot und Duru) mit einigem MiStrauen entgegensetzen, so fand man sich durch das jn Wirklichkeit Gebotene erfreulich enttäuscht. Da« Sujet ist in der Hauptsache und der genannten Beziehung harmlos; gleich im Anfänge ist nicht ohne einen gewissen Accent von der Tugend der Haupt- Heldin die Rede, und diesem Charaktersignalement ent spricht denn auch das weitere Verhalten derselben im Verlaufe des Stückes. Was Madame Favart, die Frau eines TheaterdirectorS, zu einer interessanten Figur macht, das ist die Schlauheit, Geistesgegenwart, der Muth, mit welchem sie sich selbst und ihren Mann vor den gegen sie gerichteten Verfolgungen schützt, durch misliche Situationen hindurchrettet und nebenbei einem befreundeten Paare zum Glücke verhilft und letzteres gegen die durch ihr Eingreifen veranlaßte Gefährdung sichert. Der Entwickelung der Handlung ist Natürlichkeit, Stetigkeit nachzurühmen, die Schür zung deS Knotens erfolgt geschickt, die komischen Situa tionen mit ihren sich durchkreuzenden Motiven sind ungezwungen hrrbeigeführt. sondern ein Segen stand von europäischem Interesse ist, wel che« nicht zwischen Pari» und London verhandelt werden kann. Welcher Einfluß später einmal in Aegypten, also auf dem Mittelmeere, prävaliren wird, ist weder für Deutschland noch für Oesterreich-Ungarn gleichgültig. Jn die englisch-französische Differenz ist durch den Protest jener beiden Regierungen ein neue» Element eingeschoben, wel che« den Schwerpunkt der Angelegenheit dahin verrücken dürfte, wohin er wie alle andern Orientfragen gehört: vor ein europäische» Forum. Deutschland beansprucht auch in diesem Falle keinen Borzug, sondern nur die volle Gleich berechtigung seiner Staatsangehörigen mit jenen anderer Länder. ES beabsichtigt nicht die finanzielle Lage de« Khe- dive für politische Zwecke auszunlltzen, noch weniger aber in einer sehr wichtigen orientalischen Frage Schritte zuzu- lassen. welche in weiterer Folge zu einer directen Schädi gung seiner Interessen führen könnten. Diesen seinen Ausspruch Hal Deutschland angemeldet, i» dem Bewußtsein, daß seine Stimme gehört werden wird. Dieser Schritt mag hier und da überrascht haben, die Berechtigung konnte ihm nirgend« bestritten werden. — Die gegenwärtige Lage der Zoll-und Steuer gesetzgebung wird von der National-Zeitung so charakterisirt: „Hinsichtlich der industriellen und agra rischen Schutzzölle wird sich die Majorität, soweit bis her noch Differenzen zurückgeblieben sind, ohne jeden Zweifel einigen. Eine Erhöhung des NoggenzolleS ist mehr als wahrscheinlich geworden. Die Brausteuer vorlage wird für diesmal voraussichtlich fallen thcilS wegen der Knappheit der Zeit, theils weil viele Mit glieder der Ansicht sind, daß eine anderweite Rege lung der Branntweinsteuer gleichzeitig eintreten sollte. Eine principielle Abneigung, die Brausteuer zu er höhen, besteht nicht. Daß Fürst Bismarck in einen Aufschub um Jahresfrist schließlich willigen wird, dünkt uns wahrscheinlich. Die eigentlichen Schwierigkeiten liegen auf dem Gebiete der Tabacksvorlage. Die Ab stimmung der ersten Lesung schloß mit einem Schein manöver. Daß die Sätze von 60 und 25 M., die in erster Lesung angenommen sind, bei einer ernsthaft gemeinten Abstimmung nicht in Frage kommen können, versteht sich von selbst. Wie sich der Reichskanzler zu der Annahme des Zolltarifs stellen wird, wenn die Tabacksfrage ihre befriedigende Lösung nicht finden sollte, ist bisher noch nicht erörtert worden." — Die socialdemokratischen Abgeordneten haben der Tabackssteuercommission den folgenden Antrag für das Plenum vorgelegt: Für den Fall der Annahme einer Steuer- und Zoll- crhöhung auf Taback wolle der Reichstag beschließen, den Reichskanzler aufzufordern, dahin zu wirken, daß die TabackS- fabrikation in den deutschen Strafanstalten, Untersuchungs gefängnissen und öffentlichen Arbeitshäusern bi- spätestens zum 31. December d. I. beseitigt werde. — Ueber einen sehr wohlthätig wirkenden HülfS- kassenverband von Fabrikanten und Arbei tern schreibt man der Social-Correspondenz aus Lü denscheid: Sämmtliche Fabrikanten und Arbeiter in Lüdenscheid stehen in einem bestorganisirtcn, treu gepflegten, jeden ein zelnen streng controlirenden Verbände, und die Leistungen dieser Kasse sind größer als irgendwo im Lande bei gleichen Mitteln. Mit 14 Pf Wochenbeitrag und 50 Proc. Zu schuß unterstützen wir sämmtliche Kranken vom 25. Lebens jahre ab, mit der dritten Woche der Arbeitsunfähigkeit, ein ganze« Jahr hindurch mit 9 M. per Woche bei freier ärzt licher Behandlung der ganzen Familie, und sämmtliche In validen je nach Lebensalter mit 4—6 M. per Woche, bi« zum Tode, zahlen dabei SO M. Sterbegeld und haben noch 36000 M. Kapital erspart. Eine geplante Erhöhung de« Wochenbeitrages von 14 auf 20 Pf. wird uns daher sicher in Stand setzen, auch sämmtliche Witwen der Mitglieder, Einen ungleich geringern Aufwand an Geist als das Libretto zeigt die Offenbach'sche Musik. Nicht nur copirt der Componist in der melodischen Erfindung vielfach sich selbst; die ganze Musik macht auch durch ihre nüchterne (wir betonen diese« Beiwort) Trivia lität einen wenig erquicklichen Eindruck. Da ist uns das sinnlich keckere Wesen deS französischen Operetten- componisten doch noch lieber, weil in ihm ein ursprüng liches Leben pulsirt, weil es sich mit Esprit gepaart gibt. Irgendwie hervorstechend ist uns keine Nummer erschienen. Jn der Titelrolle trat Frau Geistinger nach ihrem Urlaub wieder zum ersten male auf. Zugleich zeigte sie sich hier, in Leipzig, wo sie bisher nur im Schau spiele thätig gewesen war, zum ersten male wieder auf dem früher von ihr ausschließlich beherrschten Gebiete, und zwar, wie die« sogleich zu bemerken, mit glänzen dem Erfolge. Frau Geistinger ist in dem Operetten genre so groß nicht nur, weil sie mit dem durch dasselbe geforderten Darstellungsstil vollkommen ver traut ist, sondern auch, weil sie ihre Rolle mit so viel Anmuth, Esprit, mit so viel künstlerischem Takt und in so feinem Schliff der Ausführung gibt, daß da durch das ganze Genre, ohne daß ihm Gewalt ange- than würde, geadelt erscheint. Was ihre Leistungen als Sängerin, vom Gesichtspunkte der Technik aus betrachtet, betrifft, so füllt die Künstlerin ihren Platz vollkommen aus. Im Besitze einer angenehmen, bieg samen Stimme, singt sie musikalisch durchaus correct und gab sogar einen Triller, der sich hören lasten konnte. Was Vie weitere Beurtheilung ihres Gesanges betrifft, so läßt sich derselbe natürlich von der ge- je nach der Kiuderzahl, mit 3—6 M. per Woche bi« zur Wiederverheirathuug »der der Kinder Arbeit«fähigkeit zu unterstützen. E« ist ganz erstaunlich, wa» mit kleinen Mit teln geleistet wird zur Berflcherung gegen Naturunfälle, wenn nur gewissenhaft überwacht wird, daß Betrug und Unterschleif verhütet werden durch festgeordnete Mitwirkung der Arbeiter im eigenen Interesse. Der für die Genossen« schaft von P. E. Turek Witwe in Lüdenscheid seit 15 Jahren bestehende Spar-, Lonsum- und Bauverein hat von den obligatorischen 5 Sparpfennigen jede« Lohnthaler«, den er zielten Dividenden de« Eonsumgeschäft«, Zins- und Spar- Prämien bereit« 200000 M. kapitalisirt. — Der BundcSrath hat auf Grund des Z. 139a der Gewerbeordnung nachstehende Bestimmungen über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in Spinnereien erlassen: 1) Jugendlichen Arbeitern darf in Hechelsälen sowie in Räumen, in welchen Reißwölfe im Betriebe find, während der Dauer de« Betriebes eine Beschäftigung nicht gewährt und der Aufenthalt nicht gestattet werden. 2) Für junge Leute zwischen 14 und 16 Jahren, welche ausschließlich zur Hiilfeleistung bei dem Betriebe der Spinnmaschinen ver wendet werden, tritt die Beschränkung des 8.135, Absatz 4, der Gewerbeordnung mit folgenden Maßgaben außer An wendung: ») die tägliche Arbeitszeit darf 11 Stunden nicht überschreiten; b) vor dem Beginn der Beschäftigung ist dem Arbeitgeber für jeden Arbeiter ein ärztliches Zeugniß ein- zuhändigen, nach welchem di« körperliche Entwickelung des Arbeitnehmers eine Beschäftigung bei dem Betriebe der Spinnmaschinen bis zu 11 Stunden täglich ohne Gefahr für die Gesundheit zuläßt; o) der Arbeitgeber hat mit dem ärztlichen Zeugniß nach 8. 137, Absatz 3, der Gewerbe ordnung zu verfahren. 3) Jn den Räumen, in welchen jugendliche Arbeiter beschäftigt werden, muß neben der nach 8- 138, Absatz 3, der Gewerbeordnung auszuhängenden Tafel eine zweite Tafel ausgehllngt werden, welche die Be stimmungen unter 1 und 2 in deutlicher Schrift wiedergibt. Preußen. Der Oberbürgermeister von Berlin, vr. v. Forckenbeck, welcher sich zur Herstellung sei ner Gesundheit in Badenweiler aufhält, theilt seinen Freunden in Berlin mit, daß er den Festivitäten zur Goldenen Hochzeit des kaiserlichen Ehepaares in seiner amtlichen Eigenschaft beiwohnen wird. — Die Magdeburgische Zeitung schreibt: „Hr. v. Ben nigsen ist von einem Vertrauensmann der national liberalen Partei des hannoverischen Wahlkreise« Lehe- Geestemünde um eine Meinungsäußerung über die dort beabsichtigte Aufstellung deS HandelSministerS Maybach als Candidaten für das preußische Abge ordnetenhaus angegangen worden. Hr. v. Bennigsen äußerte sich darauf, wie uns mitgetheilt wird, folgender maßen: Ob eS überhaupt in der ernstlichen Absicht deS Ministers Maybach liegt, sich als Candidat für das Abgeordnetenhaus, speciell im dortigen Wahlbezirk, aufstellen zu lassen, weiß ich nicht. Meiner Ansicht nach aber ist es doch weniger die Aufgabe eine« Wahl bezirks, ein Mitglied des Ministeriums zu wählen, um dadurch etwa vorhandenen Eisenbahn- oder Handels» und SchiffahrtSintereffen leichter Gehör zu verschaffen, als einen unabhängigen, liberal gesinnten Mann au« dem Wahlkreise selbst. Auch halte ich den sehr tüch tigen Minister Maybach für einen viel zu unbefangenen und anständig denkenden Beamten, als daß eS nöthig wäre, ihn deshalb zum dortigen Abgeordneten zu wählen, damit wirklich berechtigte locale Wünsche und Jntereffen befriedigt und gefördert werden." Oesterreich-Ungarn. Interessant ist eine im Dziennik Polski von dem galizischen Abgeordneten HauSner gegebene Statistik deS aufgelösten Abgeordnetenhauses. Hr. sammten Darstellung der Künstlerin nicht trennen; gerade das harmonische Ensemble aller Darstellungs- factoren ist von so ungemein fesselnder Wirkung. Schon bei ihrem ersten Auftreten mit Applaus und Blumen spenden empfangen, erntete Frau Geistinger auch im weitern Verlaufe des Abends die reichsten Beifalls bezeigungen. Vortreffliches leisteten auch Hr. Ellmen reich (Favart), der, bisher ebenfalls nur im Schau spiele thätig, als Sänger seiner Aufgabe befriedigend gerecht wurde, Hr. Schubert als Marquis v. Pont- sable, Hr. Küstner als Hector de BoiSpre'au. Hr. Ulbrich war als Major Cotignac angemessen. Frl. v. Axelson gab die Suzanne nett, möge jedoch auf noch distinctere Behandlung des Dialogs bedacht sein. Der Gastwirth Biscotin deS Hrn. Biberti und der Sergeant des Hrn. Bürgin genügten. Von einigen kleinen Unebenheiten abgesehen, wie sie bei jeder ersten Aufführung vorzukommen pflegen, war die Vorstellung, deren Jnscenirung auch zu rühnien ist, unter Kapell meister Nikisch'S Leitung eine wohlgelungene. In Göttingen flarb am 30. Mai im 82. Lebensjahre einer der wenigen noch übrigen Kämpfer der Befreiungs kriege, der Hofrath und Professor der Mathematik vr. Georg Karl JustuS Ulrich. Er schrieb Lehrbücher der Stereo metrie und Trigonometrie, der praktischen Geometrie und Mechanik. — Au» München vom 1. Juni wird der augsburger Allgemeinen Zeitung berichtet: „Der Historienmaler Jo hannes v. Schraudolph (geb. am 13. Juni 1808 zu Obersdorf im Allgäu, seit 1825 in München und seit 1849 Professor der Akademie) ist gestern gestorben."