Volltext Seite (XML)
Deutsche Allgemeine Zeitung. «Lahrheit »id Recht, Freiheit »b Gesetz!» Mitk»«ch, 4. Jimi 1879. Z»srr»1t ft»» »» »>i Wk»«»iti»t t» L«i»^ M ft««». Z»sertti»»,i»Uhr ftk »<«. L»»Ur»»«U« »» W, »»»«7 «l»^L»»« »v Pt. *p«ri», I. Ium abend«. Der Präsident Grtvy empfing heute den Fürste« Alrxander von Bul garien, welcher am 4. Juni nach London abreisen wird. * Parr,, 2. Äuni. Bei der in Lille stattgehabten Vertheilung der Ehenpreis« der dortigen BezirkSauS- stellung hielt der Handelsminister eine Rede, in welcher er sich für da« Errichten und die Aufrechter haltung von Handelsverträgen aussprach. * London, 1. Juni. Laut Nachrichten aus der Capstadt vom 14. Mai hat Colonst Wood sein Quartier von Kambula nach QueenS Kraal bei dem Fluß White Umvolofl verleg», um die Verbindung mit dem General Newdigate zu erleichtern. Es gehen ununterbrochen Transporte zwischen Tugela und den weit vorgeschobenen FortS, man bemerkt indeß selten ZuluS. * London, 1. Juni abend-. Lord Beaconsfield hat sich gestern nach Hughende begeben. * Petersburg, 1. Juni. Der «Regierungsbote» veröffentlicht einen kaiserlichen UkaS vom 26. Mai, durch welchen der Finanzmintster angewiesen wird, be hufs Schaffung der Mittel zur Deckung der durch den letzten Krieg hervorgerufene« außerordentlichen Aus gaben eine innere Sproc. Anleihe im Nominal- wrrthe von LOO Mill. Rubel unter den folgenden Be dingungen zu emittiren: Die Anleihe wird in dem StaatSschuldenbuch unter der Benennung „Dritte Orientanleihe" eingetragen. Die Obligationen im Minimalbetrage von 100 und 1000 Rubel werden au porteur rmittirt. Die Zinsen werden zweimal im Jahre, am I.Mai und am 1. Nov., vom I.Nov. 1879 ab gerechnet ausgezahlt werden. Die Amorti sation erfolgt nach 49 Jahren. In Gemäßheit des obigen UkaS veröffentlicht die Staatsbank eine Bekannt machung, daß die Subscription am 5., 6. und 7. Juni zum Curse von 92^ Rubel eröffnet werden wird. * Petersburg, 1. Juni. Das letzte Bulletin be sagt, daß sich das Befinden der Großfürstin Marie Pawlowna am Freitag gebessert hat. Um 7 Uhr abends war das Fieber gestiegen, daffelbe nahm jedoch gegLuSUHrnachtS wiederab. Der Zustand der Großfürstin ist immerhin noch bedenklich. — Gemäß eines kaiserlichen Ukas dehnte der zeitweilige General gouverneur von Odessa die Wirkung deS UkaS vom 17-April (betreffend die Einsetzung der provisorischen Generalgouverneure) auch auf die Gouvernements von JekaterinoSlaw und Bessarabien aus. * Petersburg, 2. Juni. Da« Befinden der Groß- fürstin Maria Pawlowna hat sich nach dem neuesten Bulletin wesentlich gebessert, di« GemüthS- stimmung ist eine gehobenere, auch ist ziemlicher Appetit eingetreten. Bedenkliche Symptome find zur Zeit nicht vorhanden. * Petersburg, 2. Juni. AuS Kiew wird gemel det, daß in Gemäßheit des ergangenen UrtheilSsprucheS der preußische Staatsangehörige Ludwig Brandtner, der Edelmann Valorian OsstnSky und der Unbekannte, der sich den Ramen Antonow beigelegt hatte, am 26. Mai mittel« de« Strange« hiugerichtet worden sind. Di« gegen Sophie v. Herzfeld erkannt« Todesstrafe wurde in Zwangsarbeitsstrafe von «nbestiuimter Dauer «m- gewandelt. * Sofia, 1. Juui. Da« Ministerium, welche« nach dem Eintreffen des Fürsten Alexander gebildet wird, dürfte voraussichtlich wie folgt zusammengesetzt werden: Grecow Justiz, Ratchonich Finanzen, Volo- vitch Arbeiten, Karavelow Innere«. — Die Räumung seitens der Russen nimmt einen schnellen Fortgang; an den Grenzen von Macedonien stehen nur noch vier EScadrons Husaren und vier Sotnien Kosacken. * Washington, 1. Juni. Schatzsecretär Sherman macht bekannt, daß sämmtliche Certificate der conso- lidirten Anleihe vertheilt sind und daß die Sub- scriptio» auf die Obligationen der 4proc. consolidirten Anleihe geschloffen ist. — Dclegirte der demokratischen Partei de« Senats und der Repräsentantenkammer haben sich dahin geeinigt, die sofortige Annahme de« Entwurf« des KriegsbudgetS für das nächste Finanz jahr zu empfehlen, vorausgesetzt, daß ein Artikel darin ausgenommen wird, welcher jede Verwendung von Truppen als Polizeibehörde während der Wahlen ver bittet. — Nach hier «ingegangenen Nachrichten hat in Kansas und Nebraska ein Orkan gewüthet, durch welchen 40 Personen getödtet, mehr al« 100 verwundet wurden. 50 Gebäude sind zerstört worden. Die Ernten und anderes Besitzthum haben beträchtliche« Schaden erlitten. * Dresden, 1. Juni. Der Ausschuß deS Deut schen Journalistentages war heute hier (iu Fie biger'« Restaurant, Brühl'sche Terrasse) versammelt. Von den dem Ausschuß angehörenden Zeitungen fehlten nur wenige. E« waren vertreten: Bossische Zeitung, National-Zeitung und Volks-Zeitung aus Berlin, Weser-Zeitung, Elberfelder Zeitung, Frankfurter An zeiger, Deutsche Allgemeine Zeitung (Leipzig), Social- Correspondenz (Dresden), Breslauer Zeitung, wiener «Presse», Wiener Tageblatt und Triester Zeitung. Der Ausschuß beschäftigte sich mit der Frage der Umgestaltung de« Journalistentage-, für welche Vo der vorjährigen Versammlung eine Commission ein gesetzt worden «ar, und beschloß auf Antrag deS Pro fessors vr. Biedermann (Deutsche Allgemeine Zeitung): „Den Gedanken einer grundsätzlichen Umgestaltung de« Journalistentages vorderhand auf sich beruhen zu lassen, dagegen di« vom vorigen Journalistentage mit Erwägung dieser Frage betraute Commission zu be auftragen, die Idee einer Unterstützungskasse für Journalisten, unter Zugrundelegung der vorliegenden Entwürfe, weiter zu bearbeiten und dem nächsten Journalistentage einen bestimmten Vorschlag darüber zu unterbreiten." Der Ausschuß beschloß alsdann, die diesjährige Generalversammlung des JournalisteutägeS am 31. Aug. m Eisenach abzuhalten und zwar mit folgender Tagesordnung: „Bericht der Commission «r. 127. Leidig. »V4. Urei, »W. Telegraphische Depeschen. * Wie«, 1. Juni. Der ehemalige Minister vr. GiSkra ist gestorben. *O«r», 2. Juni. Die Bundesversammlung ist heute mit Ansprachen der beiden abtretenden Prä sidenten eröffnet worden. Im Nationalrath gab Römer in seiner Rede dem Bedauern darüber Ausdruck, daß die Todesstrafe wieder gestattet werden solle, ermahnte jedoch zur republikanischen Unterordnung unter den Willen der Mehrheit. Im Ständerathe sprach Gengel die Hoffnung auf einstige gänzliche Abschaffung der Todesstrafe und auf die Einführung einer einheitlichen Rechtspflege auS. Der Nationalrath wählte Künzli- Aargau, liberal, mit 80 von 93 Stimmen zu seinem Präsidenten und Burkhardt-Basel, ebenfalls liberal, mit 51 von 98 Stimmen zum Vicepräsidenten. Der C-ndidat der Ultramontanen Wek erhielt 46 Stimmen. Die bisherigen Stimmenzählcr wurden bestätigt. Der Stävderath wählte seinen bisherigen Vicepräsidenten Stehlin-Basel, konservativ, mit 26 von 40 Stimmen zum Präsidenten. Zum Vicepräsidenten wurde Sahli- Birn, liberal, mit 20 Stimmen gewählt. Der Can- didat der Ultramontanen Hettlingen erhielt 18 Stim men. Die bisherigen Stimmenzähler wurden bestätigt. * von», 1. Juni. Soeben nimmt au« Anlaß de« VerfaffungSfesteS der König eine große Truppen revue ab. Heute Abend wird in üblicher Weise die Girandola auf der Engelsburg abgebrannt werden. — Der Papst bereitet eine Aüocution gegen da« neue italienische Strafgesetz über die obligatorische Präcedenz der Civilehe vor. — Die klerikale Presse bejubelt die Erwählung Franckensteiu's zum Vicepräsidenten des Deutschen Reichstage«. * Madrid, 1. Juni. Die bei Eröffnung der CorteS gchaltene Thronrede sagt, die Regierung w«rde fortfahren, den liberalen Priucipien praktische Folge zu geben und bestrebt sein, MiSstände in der Verwaltung zu verbessern und größtmöglichste Spar samkeit eintreten zu lasten. Die Beziehungen zu den Mächt«, seien durch«» D»4 bei. Gelegen ¬ heit der jüngsten Anleihe von der Nation kundgegebene Vertrauen gestatte, da« Deficit zu regeln, da« neue Budget werde der Bevölkerung keine neue Lasten auf- erlcgen. Die Regierung werde Vorschläge machen, um die Folgen de« Kriege« auf Cuba nach Möglichkeit zu mildern und die Sklaverei auf den Antillen zu beseitigen. An die Mitglieder der Legislativen wird schließlich die Aufforderung gerichtet, im Bunde mit der Regierung dahin zu wirken, daß Spanien seinen frühem Glanz wieder erlange. "Lissabon, 1. Juni. Das neue Ministerium ist wie folgt gebildet worden: Braamcamp, Präsidium und Auswärtige«; Luciano Castro Innere«, Henrique BarroS Gomez Finanzen, Machado Justiz, Marquis Saragoza Marine und Colonien, Augusto Carvalho öffentliche Arbeiten. vr Gi-kra -f- Wien, 2. Juni. Am Pfingstmorgen ist in seiner Villa zu Baden vr. Karl Giskra im 60. Lebensjahre gestorben. ES braucht nicht mehr al« die bloße Nennung dieses Namen«, um die Erinnerung an Oester reich« schönsteparlamentarischeTagewachzumfen. GiSkra war ein rechter und würdiger Repräsentant der libe ralen Ideen, die daS Jahr 1848 geboren, ein leben de« Zeugniß deS Kämpfen« und Ringen« jener Gene ration um die Freiheit und um constitutionelle For- men. Er begann seine politische Laufbahn al« acht- undzwanzigjährigrr Mann mit dem Zuge nach dem frankfurter Parlament. Seine Wirksamkeit daselbst brachte, wie die aller Oesterreichrr dort, wenig Erfolg, aber ihm trug sie die Verfolgung feiten« de« absolu tistischen Regime der fünfziger Jahre ein. Nur müh- sam und nach schweren Kämpfen gelang e« ihm durch daS Fürwort Schmerling'«, zum Schluffe der fünfziger Jahre eine Advocatur in Brünn und damit eine selb ständige Stellung zu erlangen. Da« Wiedererwachen der parlamentarischen Aera im Jahre 1861 rief ihn neuerdings auf das politische Feld, wo lhm Ehre, Ruhm und Ansehen erblühten. Namentlich die erste Epoche unserer parlamentarischen Aera brachte ihm Triumph auf Triumph. Er war ein Redner von glänzendem Stil und von bestechend ster Eloquenz. Einmal in den Strom der Rede ge- rathen, sprudelten ihm die Worte, wie die Bergwäffer vom Felfenabhange herabstürzen. Er hatte einen un- gcmemen Wortschatz und einen Reichthum an Bildern und Vergleich«», der manchmal geradezu verblüffte. Dazu sein feurige« Wesen, sein lebhafte« Temperament, sein sonores, volltönendes Organ — «S hat im öster reichischen Parlament keinen gegeben, der an Glanz der Rede ihm gleichkam. Die hohe Achtung, dir er sich erzwungen, brachte ihn Anfang 1867 auf den Präsidentensitz des Abgeordnetenhauses. Er bekleidete diese Stell« bi« zu seiner Berufung iu da« Ministerium, dir zu Weihnacht«» 1867 erfolgte. Vorher noch hatte er sich als Bürgermeister von Brünn zur Zeit der preußischen Invasion namhafte Verdienste um diese Stadt errungen. Man sagt, daß der Kronprinz von Preußen und Fürst Bismarck seinen Verkehr sehr schätzten und mit großem Respect von ihm gesprochen haben. Beide luden ihn ein, sie in Berlin zu besuchen, vr. Giskra hat von dieser Einladung keinen Gebrauch gemacht. Nachdem die Mission de« Bürgerministeriums im Jahre 1870 gescheitert war, trat Giskra in da« Privat leben zurück, und hier beginnt für ihn eine politische Decadenz, die sich fast bi« an sein LcbenSende fort setzte. Der thatendurstige Mann, dem die Sorge für eine nicht kleine Familie den Sinn nach Erwerb in größern, Stil aufdrängte, betheiligle sich bei mannich- fachen Unternehmungen, dir seiner nicht würdig waren. Nicht daß er das mindeste gethan, was ihn vor dem Ehrenstuhle der Honnetete zum Vorwürfe gemacht werden könnte, aber für Männer seiner Vergangenheit mußte es höhere Rücksichten al« die der allgemeinen Gesetze geben, und diese Rücksichten übersah er, al« er in den Verwaltung«rath der Lemberg-Czernowitzer Bahn und an die Spitz« der Francobank trat. Er hat schwer genug für diese Jrrthümer gebüßt, und nicht die gr» ringste der Bußen, die er zu erleiden hatte, war die, daß er im Jahre 1875 im Proceß Ofenheim als Zeuge vor dem Strafrichter erscheinen mußte. Er war seit her in sich gegangen und hatte alle Beziehungen zur Finanzwclt, die ihm verderblich genug geworden waren, gelöst; aber der alte Ruhm, das frühere Ansehen waren dahin. Um den Mann, der noch im Jahre 1868, al« im Herrrnhause die Aushebung de« ConcordatS be schlossen wurde, für seinen Antheil an dieser großen That vom Volke förmlich auf die Schulter gehoben und im Triumphzuge durch die Stadt getragen wurde, kümmerte sich kaum jemand mehr. S«i» College Herbst, der an Talent weit Geringere, obgleich an Verstand Begabtere, hatte ihn überflügelt, vor allem darum, weil Herbst auch in den kritischsten Zeiten sich voll kommen reine Hände bewahrt hatte. Die letzten parlamentarischen Actionen, an welchen GiSkra sich lebhaft betheiligte, waren die Reden und Beschlüsse der Opposition gegen den Berliner Vertrag. Diesem Zwecke war seine letzte große Rede, die er im December vorigen JahreS in der Delegation zu Buda pest gehalten, gewidmet. Von Budapest zurückgekehrt, kränkelte er, und erst der Tod hat ihn von seinen Lei den erlöst. Oesterreich und der österreichische Parla mentarismus begräbt mit ihm einen glänzenden, hoch begabten Repräsentanten, und wenn ein solcher Verlust in diesem Augenblicke nicht in seiner ganzen Schwere empfunden wird, so ist e« nur darum, weil Giskra schon bei Lebzeiten infolge der obenerwähnten Umstande al« ein Halbverlorener betrachtet ward.