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1096 Mer würde denn diese Lücke, ernstlich genommen, nicht ebenfalls, ja noch weit entschiedener die Ablehnung der Vorlage bedeutet haben? Will man überhaupt Bor würfe machen, so richte man sie einerseits' Nn die Adresse der Conservativen, andererseits an die Adresse des Centrums und der Fortschrittspartei. Jene haben nur für die höchsten, diese nur für die niedrigsten Sätze gestimmt. Bei den Mittlern Sätzen (84 M. und 45 M., 80 M. und 40 M.) wurden die National- Liberalen von beiden Seiten im Stich gelassen. Diese Thatsache ist freilich bezeichnend genug." Wir freuen uns der hier gegebenen Aufklärung, müssen aber doch dabei stehen bleiben, daß eS unser« Erachtens parlamentarisch richtiger gewesen wäre, wenn die National-Liberalen durch ein verneinendes Votum bei dem Antrag Galen erklärt hätten: so weit herunter gehen wir nicht mit! Daß, weil in einer Commission über einen einzelnen Punkt gar keine Mehrheit zu Stande kam, eine Lücke blieb, die daS Plenum ergänzen mußte, ist auch sonst schon vorgekommen und gilt keineswegs einer Verwerfung des Ganzen gleich. Die National-Liberale Correspondenz fährt fort: „Die Conservativen haben gewiß nicht von vorn herein die Absicht, das Gesetz scheitern zu lassen; aber ihr Verhalten zeigt, daß sie einen solchen Ausgang nicht allzu sehr beklagen würden. Die Fortschritts partei macht aus ihrer geringen Sympathie für daö Zustandekommen des Gesetzes kein Hehl. Und das Centrum? Ja, wer dieses räthselhafte Wesen zu ergründen vermöchte! Die Herren betheuern die Auf richtigkeit ihrer Absichten, zugleich aber stellen sie An träge, welche fast wie ein Hohn lauten. Thun sie daS, weil sie das Gesetz zu Falle zu bringen ent schlossen sind? Oder wollen sie dasselbe der Regierung gegenüber als Drücker zur Eireichung anderer Zwecke benutzen? Die Antwort auf diese Fragen kann erst die Zukunft geben. Einstweilen ist infolge der zwei deutigen Haltung des Centrums das Tabackssteuer- gesetz noch ganz in der Schwebe. Und daS Gleiche gilt von dem Werke der Finanzreforni überhaupt. Da hören , wir nun von befreundeter Seite den Zuruf: «WaS bedarf es denn zu der Finanzreform überhaupt der Hülfe des Centrums? Diese Reform war längst die Parole der national-liberalen Partei. Und jetzt, da sie ins Werk gerichtet werden soll, wird sich diese Partei doch nicht aus Pessimismus oder gar aus Rancune von ihr zurückziehen wollen?» Sicherlich nicht! Wie auch die Verhältnisse sich in jüngster Zeit verschoben haben mögen, die national-liberale Partei wird der Regierung niemals, sei eS aus FractionS- taktik, sei es aus andern Gründen, grundsätzlich ihre Mitwirkung versagen, wo eS sich um die Erreichung eines von ihr selbst erstrebten Zieles handelt." Diese Versicherung hören wir mit aufrichtiger Gc- nugthuung. Nur leider knüpft die National-Liberale Correspondenz noch ein „Aber" daran, und zwar fol gendes : „Wäre Fürst Bismarck bei seinem Programm von 1875 geblieben, hätte er dem Reichstage einen umfassenden Steuerreformplan auf der Basts möglichst weniger, aber möglichst einträglicher Finanzzölle vor gelegt, er würde auf feiten der national-liberalen Partei einmüthige und bereitwillige Unterstützung ge funden haben. Aber will man diejenigen, welche in Ler gegenwärtig vom Reichskanzler inaugurirten Zoll politik, welche namentlich in der Wiedereinführung von schändlicher klerikaler Jntriguen, amtlicher Lügen und trauriger Nachgiebigkeit, daß unser Land sich dessen schämen muß. Heute Morgen überbrachte uns eine Dame, welche an dieser Affaire einen wesentlichen An theil gehabt haben muß, folgende Erklärung: »Ich habe mit vollkommen? freiem Willen, unter stützt durch die Gnade Äesu Christi, dem Jrrthume entsagt und den römisch-katholischen Glauben ange nommen, in welchem ich überaus glücklich lebe und zu sterben wünsche und hoffe. Ich habe dies auch dem Hrn. Karl Rönnecke erklärt, welcher mich in dem Hause Ler heiligen Elisabeth besucht hat» wohin ich gebracht sein wollte, weil ich in dem HoSpital zum heiligen Johannes meine Jrrthümer nicht hätte abschwören, noch an den Sakramenten der Kirche hätte theilnehmen ' können, weil alle erforderlichen Vorsichtsmaßregeln ge troffen waren, damit eS, wenn irgendjemand den Ver such dazu gemacht hätte, auf keine Weise gelingen konnte, mich zu einem Wechsel der Religion zu veran lassen, wie der Herr Director des Hospitals Ihnen, Herr Director, offen erklärt hat und Sie in Ihrem Blatte mitgetheilt haben. Rom, im Hause der heiligen Elisabeth, 21.Mai1879. Rosa Baur.' Darunter befand sich von einer andern Hand, und zwar mit einer gänzlich zitternden Hand, geschrieben Lie Unterschrift der Rosa Baur. Diese Erklärung be stätigt vollkommen, was wir gemeldet haben. Diese Frau ist auf ihrem Sterbebette gefaßt worden, um sie zur Abschwörung zu zwingen, und so hat man den Qualen Ler Krankheit, welche sie peinigte, die Bestürmungen und Dualen des klerikalen Fanatismus hinzugefügt.»" Getreidezollen einen verhängnißvollen Fehler erblicken, gegen ihre Ueberzeugung auf den revidirten Zolltarif verpflichten, weil derselbe neben den neuen Schutzzöllen auch ergiebigere Finanzzölle enthält? Wir meinen, daß man das nicht wollen kann. Au« diesen in der Sache selbst liegenden Gründen, nicht, wie man unter stellt hat, aus Pessimismus oder aus Rancune, ist die national-liberale Fraction in ihrer Gesammtheit nicht mehr der zuverlässige Factor in der Rechnung der Finanzreforni, welcher sie unter andern Verhält nissen gewesen sein würde." Dieser letzte Satz ist keineswegs so „unmiSver- stündlich", wie wir in unserm Artikel gebeten hatten daß die National-Liberale Correspondenz sich erklären möchte. Inimer wieder gewinnt eS den Anschein, als hoffe man, den „revidirten Zolltarif" nachträglich noch wieder zunichte zu machen, wenn man dessen Er gänzung, die Finanzzölle, zu Falle bringe, eine Hoff nung, die, fürchten wir, leicht täuschen möchte. Eher könnte man dadurch einer nochmaligen Auflösung und, was die TabackSfrage betrifft, dem Monopol in die Hände arbeiten. ' Verwickelter, das geben wir zu, ist die Finanz- fraxje dadurch geworden, daß sich schwer berechnen läßt, wie viel die eigentlichen Schutzzölle wol ergeben dürften, wie viel also durch die Finanzzölle noch auf zubringen wäre, um das Maß der Matricularbeiträge zu erreichen — wenn man denn einmal streng nur bis zu dieser Grenze gehen will. Allein, was ver wickelt und schwierig ist, das ist darum noch nicht un möglich. Ein Auskunftsmittel wird es bei allseitigem guten Willen gewiß geben. Dabei aber bleiben wir: es wäre ein großer Feh ler der national-liberalen Fraction, wenn sie nicht ge rade im gegenwärtigen Moment Alles aufböte, um eine solche mittlere Linie zwischen ihren Principien (die wir gewiß respcctiren!) und dem zu finden, was sie selbst bisher immer als richtig und nothwendig proclamirt hat, nämlich: der Schaffung ausreichender Einnahmen für daS Reich und zugleich der so dringlichen Entlastung der überbürdeten directen Steuerzahler in den Einzelstaaten. Deutsches Reich. X Serlin, 30. Mai. Der besondere Ausschuß drS BundeSrathes, der zur Ausarbeitung eineS Gesetzentwurfes zur Regelung des Eisenbahntarifwesens eingesetzt worden ist, hat heute wieder eine Sitzung. Man hofft, daß derselbe bis morgen zum Abschluß gelangen wird. — In den Tagen vom 2. bis zum 5. Juni wird in Braunschweig die 23. Allgemeine Deutsche Lehrerversammlung tagen. Am4.Iuni wird ebendaselbst eine Versammlung ces Landesvereins preußischer Volkslehrer stattfinden. — Unterm 30. Mai wird berichtet: „Der Bundes- rath hielt heute eine Plenarsitzung unter Vorsitz des StaatSministerS Hofmann. Nach den einleitenden Ge schäften wurde der Gesetzentwurf wegen vorläufiger Einführung von Aenderungen des Zolltarifs nach den Beschlüssen des Reichstages angenommen. DaS Gesetz soll unmittelbar durch den Kaiser vollzogen werden. Bekanntlich tritt dasselbe sofort in Kraft und es wird damit von dem bis heute steuerfreien Roheisen 1 M. pro 100 Kilogranim erhoben. Die Sperre für die Die «Germania« spricht zwar mit gewohnter Dreistig keit unter Hinweisung auf daS Dementi der Hospital- direction und die Erklärung der Baur von „Fabel und Verleumdung". Man ersieht indeß aus Obigem, was für eine Bewandtniß eS mit dem „eigenen freiesten Willen" der Kranken hat, weiß überhaupt, was von einem Dementi der in der ganzen Welt als Lügner berüchtigten Italiener zu halten ist. Wir schenken unsererseits der Aussage eines deutschen Botschafts beamten mehr Glauben als der einer auf einer „Abart von Mortarageschichte", wie die «Germania» selbst den Vorfall höhnisch qualificirt, ertappten römischen HoSpital- direction. Mit Befriedigung hören wir, daß die deutsche Botschaft in Rom sofort die erforderlichen Schritte gethan hat, um einen derartigen Skandal in Zukunft unmöglich zu machen, sind auch überzeugt, daß sie eS nicht daran wird fehlen lasten, dem in der Person der unglücklichen Frau verletzten Ansehen des deutschen Namens gebührend Genugthuung zu verschaffen. Zu der internationalen Kunstausstellung in München haben bisjetzt schon etwa 1600 Künstler mit über 3000 Werken ihre Betheiligung jugefichert. Alle Na ttonen werden darauf vertreten sein, und jetzt schon treffen täglich Sendungen von Werken der Malerei und der Pla stik von allen Seiten ein; auch eine reiche Vertretung der Architektur durch Entwürfe, sowie zahlreiche graphische Werke sind zu erwarten. — Aus Ungarn wird eine vulkanische Erscheinung gemeldet. Siner der entlang de« Plattensee« in der Richtung von Nordost gegen Südwest liegenden Bergkegel, der Cso- bancz, hat schwach zu rauchen begonnen. Von mehrern dieser Kegel, wie dem Lsobancz, Tatika, Szent-György, übrigen Artikel tritt erst nach der zweiten Lesung des Zolltarifs in Kraft. Der Entwurf über Verfassung uüd Verwaltung von Elsaß-Lothringen wurde nach den Ausschußanträgen angenommen." **EerUn, 30. Mai. Die Surtsre ck'ontrepül gilt noch keineswegs al« aufgegeben. Welche Folgen dieselbe für die Rheingegcnd haben würde, erhellt au« einer an den Reichstag gerichteten Eingabe des Ver eins zur Wahrung der RheinschisfahrtSintereffen. Dann heißt e«: Von Abgeordneten de« Reichstage« sowie durch officiöie Miltheilungen ist die Nachricht verbreitet worden, daß die hohe Reichsregierung dem hohen Reichstage die Einführung einer 8urt»uo ü'eutropLt oder einer '1'»»« cko pavillon da hin Vorschläge» werde, daß alle indirect, also über Holland, Belgien und Frankreich und andere Länder eingeführten überseeischen Produkte mit einem höhern Zoll belegt wer den sollen al« diejenigen, welche direct nach deutschen Häfen überführt werden. ES würden demgemäß Kaffee, Gewürze, Chemikalien, Petroleum, Eisenerze, GUano, Oele, Hölzer und sonstige Waaren, welche über Rotterdam mittel« der Rheinschiffahrt nach den Rheinplätzcn befördert werden, diese Surtaxe zu tragen haben, während dieselben Artikel ohne eine solche Abgabe eingehen, wenn sie in Hamburg oder Bremen den deutschen Boden berühren. Es soll ein Satz von 1 M. 50 Pf. pro Centner präliminirt sein ohne Unter schied zwischen den verschiedenen Waaren, namentlich »Hue Unterschied, ob es sich um zollfreie oder zollpflichtige Waaren handelt. Obschon nun bis heute dem hohen Reichstage eine Gesetzvorlage über diesen Gegenstand noch nicht zugegangen ist, so erscheinen uns die Folgen, welche sich ans einer Reali- sirung dieses Projccts ergeben würden, so außerordentlich nachtheilig, ja geradezu ruinircnd für unsern Erwerbszweig, die Rheinschiffahrt, daß wir nicht umhin können, schon im jetzigen Stadium dieser Angelegenheit unsere Meinung ein dringlich gegen die Einführung der beabsichtigten Maßregel kunbzugeben. Wie tiefgehend die Einführung einer solchen Zuschlagsabgabe die Rheinschiffahrt treffen würde, beweisen di« folgenden Angaben. Bei dem Hauptzollamte Emmerich gingen zufolge Angaben der Centralcommission für die Rheinschiffahrt auf dem Rhein im Jahr« 1877 zu Berg 18,107834 Ctr. ein. Diese Aufstellung der zum großen Theil aus überseeischen Ländern stammenden Producte und Fabrikate läßt beurtheilen, wie schwer die Rheinschiffahrt geschädigt würde, wenn diese Güter mit einer Ausnahme abgabe belastet werden sollten.' Es beträgt nämlich die DurchschnittSeisenbahnfracht pro Centner von Hamburg und Bremen nach Frankfurt a. M. und Manheim circa 1 M. 50 Psi, sodaß der ohnehin schon aufs äußerste gedrückten Rheinschiffahrt fast alle jetzt von ihr zu Berg gefahrenen Güter entzogen werden und sie ihrem Ruin sicher entgegen- geführt würde. Nach Angabe des kaiserlichen Statistischen Amte« haben nun im Jahre 1877 3738 deutsche Schiffe daS Stromgebiet des Rheins befahren. Es passirten Em merich 3525 beladene deutsche Dampf« und Segelschiffe zn Thal und 3208 deutsche Schiffe zu Berg. Nach einet'sichern Schätzung repräsenttren die den Rhein befahrenden deut schen Schiffe ein,Anlagekapital von mindestens 50 Mill. M, Mit her Rheinschiffahrt ist di« Existenz einer Bevölkerung von circa 120000 Köpfen verbünden, welche direct von dem Bestände und der Entwickelung der Rheinschiffahrt abhängig sind, während die indirecte Schädigung der Bevölkerung der Rheinstädte kaum zu schätzen ist. Da nun aber aller Wahrscheinlichkeit nach die Niederlande und die ander« Län der sofort Repressalien für die Surtaxe nehmen würden, vielleicht durch Erhebung von Differentialzöllen für die nach deutschen Häfen überzusührenden Artikel und für deutsche Producte, die nach dem Auslande bestimmt sind, so würden die Folgen dieser Maßregel nicht nur die Schiffahrt, son dern auch den Handel, die Industrie und die Landwirthr schäft der Rheingegenden aufs empfindlichste schädigen. E« gingen nämlich nach den Angaben der Centralcommission sür die Rheinschissahrt bei dem Hauptzollamt Emmerich aus dem Rhein im Jahre 1877 zu Thal 37,800664 Ctr. ... ES liegt nahe, daß Holland und Belgien sür diese aus Deutschland gehenden Waaren ebenfalls eine Zuschlags abgabe erheben würden. Die Befürchtung, daß die Haupt- ausfuhr, Kohlen, von einer fremdländischen Abgabe getroffen heißt es, sie seien erloschene Vulkane; doch ist nicht bekannt, daß in hrstorischen Zeiten ein Ausbruch derselben statt- gesunden hätte. — Da« Bayerische Vaterland brachte unlängst au« Baiern die Nachricht, daß der jugendliche Sohn eines höhern Offiziers dreimal aus seinen Vater geschossen habe und von diesem mit dem Säbel schwer verwundet worden sei. Diese« aufregenden Vorganges mußten auch wir Erwäh nung thun. Von authentischer Seite wird nun aber dem Bayerischen Courier mitgetheilt, daß die ganze Erzählung vom Anfang bis zum Ende rein erfunden ist. — Der bisherige außerordentliche Profeffor in der theo logischen Facultät der Universität zu Halle vr. tbeol. Martin Kähler ist zum ordentlichen Profeffor in derselben Facultät, der bisherige außerordentliche Profeffor in der philosophischen Facultät derselben Universität vr. Georg Cantor zum ordentlichen Profeffor , in derselben Facultät ernannt worden. — Die „Annalen de« Deutschen Reiches für Ge setzgebung, Verwaltung und Statistik. StaatS- wiffenschaftliche Zeitschrift und Materialiensammlung, her ausgegeben von vr. Georg Hirth in München" (Leipzig, G. Hirth) bringen in Nr. 9 die Motive zu dem Gesetzent wurf-betreffend den Zolltarif des deutschen Zollgebiet«, den allgemeinen und den besonder» Theil. — Da« Schristchen „Die Stellung de« praktischen Arztes zur Realschulfrage, besprochen von vr. we<i. Hedler, praktischem Arzt in Hamburg" (Hamburg, I. F. Richter) rrttärt sich gegen die Berechtigung der Realschulen zu Maturitätszeugnissen sür das ärztliche Studium. — vr. Hermann Uhde, ein Schriftsteller, der sich be sonder« um die Geschichte de« deutschen Theater« verdient gemacht hat, starb am 27. Mai, erst 34 Jahre alt, zu Beytaux-Lhillon am Genfersee, wo er Heilung von einem langwierigen Brustleiden gesucht hatte.