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LIS schleppt« könnte. Mein rine Verschleppung der heute schwebenden Zolltarifrevision würde schon aogesicht» der ganzen Lande herrschenden Erregung unmöglich fein. Und außerdem herrscht darüber kein Zweifel,, daß ver derblicher alb alles andere die gbermalige Verlänge rung der unsere ggnze VolkSwirthschaft schon allzu lange so schwer bedrückenden Ungewißheit wirken würde. Selbst die ausgesprochenen Anhänger der bisherigen Handelspolitik sind daher — und eS ist die» auch inner halb der national-liberalen Fraction bereits zum Aus druck gekommen — der Ansicht, daß die Entscheidung, nach welcher Richtung immer sie ausfallt, noch in der gegenwärtigen Session getroffen werden soll. Aber wenn von dieser Seite keine Verschleppung zu be fürchten ist, so wird man billigerwcise von der andern Seite verlangen dürfen, daß sie auf eine Ueberstür- zung verzichte. Die Heißsporne des neuen System» - scheinen freilich alle Mäßigung beiseitesetzen und zu den stärksten PressiouSmitteln greifen zu wollen. Hat «an sich doch dieser Tage sogar der Drohung bedie ne» zu dürfen geglaubt, daß Sc. Maj. der Kaiser beim Empfange des Reichstagspräsidiums vor einer in die Länge gezogenen Berathung der Zollangelegen heiten sehr nachdrücklich warnen werde. Soviel man indeß hort, hat Se. Maj. lediglich den Wunsch aus gesprochen, daß die Unsicherheit, unter welcher Pro duktion und Verkehr leide, endlich gehoben werden möchte. In diesem Wunsche stimmen alle Parteien überein. Aber eine von der bewährten Praxis veS Reichstage- abweichende überstürzende Behandlung der Angelegenheit würde den ohnehin schon hinlänglich er bitterten wirthschaftlichen Streit nur aufs neue ver- . scharfen, ohne daß praktisch überhaupt ein Erfolg da durch erreicht würde. Denn der anfängliche Ausschluß der CommissionSberathung würde unsers Erachtens zur Folge haben, daß eine Reihe von Tarifpositionen nach längerer Debatte in zweiter Berathung an Spe cialcommissionen verwiesen werden müßten. Die »Freie volköwirthschaftliche Vereinigung» hat denn auch eine - Beschlußfassung über die geschäftliche Behandlung ge stern noch hinausgeschoben. Wir hoffen, die in ihrem Schose für die CommissionSberathung geltend gemachten guten Gründe werden schließlich die Oberhand be halten." Anknüpfend an die Rede Lord Beaconsfield'S im englischen Oberhause über die Lage der «ng- . lischen Laudwirthschaft äußert sich dasselbe Organ (in ganz ähnlichem Sinne, wie wir schon gestern) so: „Wir halten eS nicht für unmöglich, daß Lord Bea consfield, dessen Gegnersthaft gegen die Aufhebung der . Getreibezölle noch in der Erinnerung lebt, mit seiner Aeußerung einen ersten schüchternen Fühler beabsichtigt hat, ES ist kein Gehe »miß, daß in England eine schon ganz ansehnliche Strömung die Ergreifung von RetorsionSmaßregeln gegenüber der in Deutschland ge planten Schutzzollpolitik verlangt. Selbstverständlich würde man dabei am ersten auf landwirthschaftliche , Zölle verfallen. Der wirksamste Viehzoll ist — aller dings unter dem Vorwande des Schutzes gegen die Rinderpest — schon längst gegen Deutschland einge führt; aber auch ein englischer Getreidezoll werde Deutschland sehr empfindlich treffen; die Getreidepro- duction unserer östlichen Provinzen würde durch den Ausschluß vom englischen Markte einen Schaden erlei den, für welchen ihr der bei uns geplante Getreidezoll auch nicht entfernt einen genügenden Ersatz gewähren würde. Wir sehen also nicht, welche Veranlassung unsere Getreidezollfreunde, wenn ihnen wirklich das Wohl der ganzen deutschen Landwirthschaft am Herzen liegt, haben könnten, die Vorbereitung einer agrarischen Schutzpolitik in England mit Jubel zu begrüßen. — Aus Berlin berichtet man der Magdeburgischen Zeitung vom 31. März: „Die Zolltarifcoinmis sion trat heute noch zu einer Sitzung zusammen, in welcher es sich um Feststellung einiger Zahlen und Erledigung einiger rückständiger Formularangelcgen- heitrn handelte. Wir haben Grund, anzunehmen, daß der Reichstag in acht bis zehn Tagen die gesammten Zoll- nnd Steuervorlagen erhalten kann. ES werden drei Vorlagen eingebracht: die TabackSsteuer, die beiden Brausteuerentwürse und der Zolltarif." — Die „Volköwirthschaftliche Vereinigung" der Zweihundertundvier hat bekanntlich in einer Ver sammlung über die Geschäftsbchandlung der zollpoliti schen Vorlagen berathen. Die National-Zeitung theilt daraus folgendes Nähere mit: Abg. Löwe-Bochum sprach sich für die Behandlung aller Vorlagen im Plenum aus. Die Abg. Berger, Windthorst, Gras Udo Stolberg beanstandeten eine solche Behandlung, indem sie die Lommissionsthätigkeit in größerer oder gerin- gerer Weise eintreten lassen wollten. Das Gesammtresul- tat der Ansichten läßt sich dahin zusammenfaffen, daß die Steuervorlagen und besonder« bestrittene Punkte im Tarif, namentlich bezüglich der Textilindustrie, der Lommission zu überweisen, den Rest aber im Plenum ohne vorherige Lom- missionsberathung abzumachen sei. — Der Bundesrath hielt am 29. März eine Plenarsitzung, in welcher theilS der Reichskanzler, theilS der Staatsmiuister Hofmann den Vorsitz führte: E« wurde berathen über den Antrag betreffend die Re- «luu» de« Gütertarifwes«»» aus den dentsih« Eis«kähncn. Dw Beschlußfaff««» wurde nach «vSgefftzt. Vortage» be treffend dir Uebersicht üb« den Stand der französischen «aegtkosteueutschsdigung und betreffend dir Entwürfe von Gesehen über 1) die Eäröhun» d« Uraufteuer und 2) die Erhebung der Brausteuer wurden den bezüglichen Ausschüssen überwiesen. Zur Vortage kam da» Schreiben de» Präfi. deuten de« Reichstage« über die Beschlüsse de« Reichstage« zu dem Entwurf eine« Gesetze« wegen Feststellung de» Reichshauthaltsetat« 1878/80, Der Gesetzentwurf nebst Etat wurde nach den Beschlüssen de« Reich«taze« genehmigt. Dal Gleiche fand statt bezüglich der Gesetzentwürfe wegen Abänderung der Gesetze über den Reichs-Jnvalebenfond« und wegen Aufnahme einer Anleihe. Auf Bericht der Aus- schliffe über Elsaß - Lothringen und für Rechnungswesen wurde sodann der Gesetzentwurf wegen Feststellung de« Laudc«hau«halt-etatS von Elsaß-Lothringen von 1879/80 mit den vom LaudeSauSschuffe für Elsaß-Lothringen beschloffe- nen Aenderuugen genehmigt. Endlich wurde eine den Zoll tarif betreffende Eingabe zur Keuutniß der Versammlung gebracht. — In einem „Russland und Ostrumelien" überschriebenen Artikel sagt Pie Kölnische Zeitung: „Die Geschichte der letzten Jahre, vom serbischen Auf stande bis auf heute hat deutlich gezeigt, wohin der unveränderliche Gedanke an der Newa gerichtet ist: auf die Zerstörung' Der Türkei und auf die Eroberung von Konstantinopel. Man sollte eS nicht für möglich halten und doch haben wir es erlebt, daß, als Ruß land wieder einmal m die Türkei einbrach niit der Versicherung, eS wolle bloS das Los der Bulgaren verbessern, aber durchaus keine Eroberungen machen, eS Tausende, ja, Millionen gläubiger Seelen in Europa fand, die auf die russischen Versicherungen Vertrauen setzten. Jetzt hat eS Eroberungen in Europa und Asien gemacht, und was die Bulgaren betrifft, so sagte Rußlands Statthalter in der Bulgarei, Fürst Don- dukow, zu Lord Donoughmore, obwol er den amtlichen Charakter des englischen Diplomaten kannte: »Wir interessiren uns für die bulgarische Canaille und ihr für die türkische!» DaS heißt doch wol deutlich genug: «Was gehen uns diese halbwilden Völker schaften an? Vertragen wir uns um die Herrschaft der Welt!»" . ' — DaS neueste (sechste) Verzeichniß der bei dem Deutschen Reichstage eingegangenen Petitionen ent hält natürlich wieder Petitionen für und wider das Reichs kanzler-Zollprogramm, für und gegen die gesetzlichen Bestimmungen über Wechselfähigkeit, gegen die Diffe rentialtarife auf Eisenbahnen, ferner gegen den Impf zwang. Ebenso dauert die Agitation gegen daS Civil» standSgesetz fort. Aüch ein paar Curiosa finden sich; so eine Petition u« „Emfühxung einer WegSsteu^r für kinderlose EhDttM", woneben auch ettte um „Einführung einer KriegsdienstbrfreiungSsteuer für die jenigen männlichen Einwohner, welche nicht tauglich zum Militärdienste befunden, wohl aber erwerbsfähig sind" (die wol bessern Grund hat als jene), ferner um „Einführung einer obligatorischen Buchführung über Einnahme und Ausgabe in jeder Haushaltung", endlich um „Einführung einer Reichs-Junggesellen steuer". — Auf Grund des Reichsgesetzes vom 21. Oct. 1878 wurden verboten: die nichtperiodischen Druckschriften: „Sechs Proletarier-Lieder, gewidmet den Arbeitern Oesterreichs, von I. Most" (Chemnitz, Verlag des Verfassers, Druck der Genossenschaftsbuchdruckerei) und „Elend und Erlösung. Ein socialistifches Zeitgedicht von Siegfried"; die. Nrn. 5, 6 und 8 der in der schweizerischen Vereinsbuchdruckerei in Hottingen-Zürich erscheinenden Zeitung „Der Patriot", sowie die Nr. 23 der Zeitung „Der freie Schweizer". Preußen, Auf die dem Kaiser und König zu dessen Geburtstage von dem berliner Magistrat überreichte Glückwunschadreffe hat der Kaiser Folgen des erwidert: Verbindlich dankend für die mir von dem Magistrat zum 22. März dargebrachten Glückwünsche, gebe ich dem Magistrat gern zu erkennen, daß die in seiner Adresse sich aussprechende Theilnahme an den Betrachtungen, zu wel chen ich durch die Wiederkehr meine« Geburtstage« natur gemäß angeregt werde, meinem Herzen sehr woblgethan hat. Sie bestärkt in mir da» angenehme Bewußtsein, daß un- geachtet de« Personenwechsels, welcher sich von Zeit zu Zeit bei der obern Leitung der Stadtverwaltung vollzieht, in dem Berhältniß zwischen mir und dem Magistrat die alte gute Stimmung ausrecht erhalten bleibt. Ich lege Werth darauf, daß dasselbe sich je länger desto fester gestaltet. Die« zu hoffen, finde ich willkommenen Anlaß nicht allein in den Wünschen de» Magistrats, daß die göttliche Vor sehung, mein ferneres Wirken segnend, manche herbe Er fahrung meines verflossenen Lebensjahre« ausgleichen möge, sondern auch in dem Vertrauen, das der Magistrat in mei nen Willen setzt, der äußern wie der innern Sicherheit de« Vaterlandes die wiedcrerlangte Kraft in vollem Maße zu widmen. Diesem Vertrauen wird entsprochen werden. Wenn ich demnach die unausgesetzte Förderung der geistigen und materiellen Wohlfahrt m der gesammten Nation al« da« höchste Ziel meines fürstlichen Strebens hinstelle, so will ich mir doch immerhin vergönnen, nach wie vor der ge deihlichen Entwickelung meiner Haupt- und Residenzstadt Berlin mein besondere« Interesse zuzuwenden. Berlin, 26. März 1879. Wilhelm. An den Magistrat der Haupt- und Residenzstadt Berlin. — Der StaatS-Anzeiger theilt mit: „Se. Maj. der König haben allorguädigst geruht, den bisherigen Mi- nisier für landwirtschaftliche Angelegenheiten, Staats- minister 0r. Friedenthal, zum Minister für Land- wirthfchqft, Domänen und Forsten, und den bisheri gen Minister für Handsl, Gewerbe und öffentliche Arbeiten, StaatSminister Maybach, zum Minister der öffentlichen Arbeiten zu ernennen, den letzten, auch mit der einstweiligen Fortführung der Betwal- rung des Ministeriums für Handel und Gewerbe zu beauftragen." —-Dir MagdeburgischeZeitung schreibt: „A«S Ber- lin wurden unS dieser Tage einige Mittheilungen be züglich eine» angeblich verloren gegangenen Testa ment» des verstorbenen Prinzen Heinrich ge macht, welche einem in unserer Stadt ansässige« Hol- länder Veranlassung gaben, Erkundigungen über die Wahrheit der Angaben an maßgebender Stelle in Luxemburg einzuziehen. Der bezeichnete Herr hat dar auf von dem GouvernementS-Generalsecretär Ruppert in Luxemburg eine Zuschrift erhalten, welcher wir fol gende Stelle entnehmen: An der ganzen Geschichte vom Testament unser« be trauerten Prinzen Heinrich, einer Geschichte, welche von Zeit zu Zeit in verschiedenen deutschen Blättern auftauchte, ist durchaus nichts Wahres. Nach holländischem Gesetz« ist jede» Testament nichtig, welche» nicht bei Lebzeiten vom Testator bei einem Notar niedergelegt worden. Von tiüem in einer Kassette gefundenen Testament kann daher gar keine Rede sein. Was di« von der Magdeburgischen Zei- tung erwähnte Sache betrifft, so ist dieselbe gänzlich falsch. Staatsminister Baron v. Blochhausen wurde beim Tode de« Prinzen nach Schloß Walferdange gerufen, aber er hat die Prinzessin Marie erst drei Tage später gesehen, d) h. zwei Tage nach der Ankunft Sr. königl. Hoh. des Prinzzn Friedrich Karl. Niemals hat er der Frau Prinzessin den Schlüssel abverlaugt, diese hat ihm denselben nicht gegeben und er hat ihn ihr nicht zurückgeben können. E» ist daher auch unrichtig, daß Prinz Friedrich Karl die Zurückgabe desselben verlangt habe rc. Der Herr Verfasser wiederholt dann nochmals, daß die ganze Geschichte nur eine Fabel sei, under- klärt, alle Welt, sogar Prinz Friedrich Karl selbst, könne dies bezeugen." > - Elsaß-Lothringen. -s-Straßburg, 27. März. Eine wahre Paniquc hat die Nachricht, daß der Ge neralfeldmarschall v. Manteuffel zum Statthalter unserS Landes auSersehen sei, unter unserer Bevölke rung hervorgerufen. „Also unter einen Stockpreußen, unter einen Militär werden wir kommen! Da wär« unS Hr. v. Möller doch zehnmal lieber gewesen", solches und ähnliches flüstern sich die Philister einander zm, di« jetzt auf einmal zu der Erkenntnis; kommen, 'daß eS sich Unter dör milden und ^wohlwollenden Ver waltung des Hrn. v. Möller für einen ordentlichen Menschen trotz des Dictaturparagraphen ganz ge- müthlich leben ließ, und daß eS nun trotz der theil weisen errungenen Autonomie etwas strammer werden könnt«. Niemand, so wird jetzt allgemein behauptet, hätte daran gedacht, in Elsaß Lothringen eine mili tärische Statthalterschaft einzusetzen, wenn die Autono misten das ganze Land hinter sich hätten und nicht blos einen kleinen Bruchtheil desselben bildeten. ES ist die» eine heilsame Selbstanklage, die vielleicht zu der Crkenntniß führt, daß man keine Winterer und keine Kablö in den Deutschen Reichstag wählen darf, wenn man von diesem Vertrauen erwartet. Jeden falls will die Reichsregisrung durch die vom Fürstin Bismarck gMachten Zugeständnisse zeigen, daß sie einerseits bereit sei, den Wünschen des Landes nach Möglichkeit zu entsprechen, andererseits aber auch durch die als sicher zu betrachtende Errichtung einer mili tärischen Statthalterschaft beweisen, daß sie gegenüber gewissen Gelüsten strenge Wacht an der Westgrenze des Deutschen Reiches hält. Unsere Ultramontanen und Protestler mögen sich den „Sieb-nfüßigen" genau ansehen, bevor sie mit ihren Machinationen weiter fahren. — Die Rede des Abg. SchneegauS hat hier in allen Kreisen eine sehr beifällige Aufnahme gefun den. — Die Hierherkunst des Kaisers soll neuer dings sehr in Frage gestellt sein. Oesterreich - Ungarn. Der Präsident des ungarischen Abgeordnetenhauses, Ghyczy, soll willens sein, seine Präsidentenwülde niederzulegen, um einer jünger« Kraft Platz zu machen. Italien. Au« Nom vom 27. März schreibt man der Köl nischen Zeitung: „Schon seit einigen Tagen heißt eS, der Papst habe den italienischen Pfarrern befohlen, sie sollen ihre katholischen Untergebenen beobachten und die zur Anzeige bei ihm bringen, welche sich als «con- scrvative Katholiken» gegen den Willen der Curie mit Wahlbestrebungen befassen. Die Nachricht schien uns anfangs etwas unwahrscheinlich, weil das Verfah ren sogar unzweckmäßig aussieht. Wir hören aber, daß seit dem Ableben Pius' IX. überhaupt wieder eine Art von inquisitorischer Beaufsichtigung der geistlichen Kreise eingeführt ist. Selbst der römische Klerus be klagt sich hier und da darüber; die obige Notiz ist demnach auch nicht so unglaublich."