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945 der ft den dem Königreich Sachsen. * Leipzig, 22. Mai. Die Leipziger Zeitung ent hält in ihrer Nr. 119 folgenden kurzen, aber nicht misverständlichen Artikel: „Der von uns gestern mit- getheilte Antrag der Abg. Frhr. v. Mirbach und Ge nossen auf Erhöhung des in Aussicht genommenen Zolles auf Weizen, Roggen, Hafer und Hülsenfrüchte von 50 Pf. auf 1 M. für 100 Kilogramm hat doch eine sehr bedenkliche Seite. Wir hätten gewünscht, daß man, gerade was die Getreidezölle anlangt, sich von feiten der schutzzöllnerisch gesinnten Abgeordneten um so eher eine gewisse Mäßigung auferlege und nicht über die Vorlage der verbündeten Regierungen hinaus- zugehcn suche, als eS ja notorisch ist, daß unter den letztern selbst von Anfang an die Ansichten über die Zweckmäßigkeit der Getreidezölle sehr getheilt gewesen sind und die Möglichkeit nicht ausgeschlossen scheint, daß ein etwaiger Beschluß des Reichstages auf Er höhung des proponirten Zolles auf Roggen, Weizen rc., um daS Doppelte bei der Majorität des BundeSrathcS auf Widerstand stoßen könnte." Bei den nahen Be ziehungen der Leipziger Zeitung zur Regierung darf man aus diesem Artikel wol mit Sicherheit schließen, daß die königlich sächsische Regierung einem solchen Anträge auf Erhöhung der Gctreidezölle entgegen ist. An der Spitze der Antragsteller steht bekanntlich neben Hrn. v. Mirbach einer der Hauptwortführer der Con- servativen im sächsischen Landtage, Hr. Günther auf Saalhausen. / Leipzig, 20. Mai. Der Personalstand der An wälte am hiesigen Reichs-OberhandelSgericht hat sich in den letzten Wochen durch den Abgang des Rechts anwalts Illgner nach Berlin verringert. Letz terer gehörte dem Bureau des OberhandclSgerichtS seit Errichtung und Eröffnung desselben an und war einer der beschäftigtsten Advocate» dieses Tribunals. In den neun Jahren seiner hiesigen forensischen Thä- tigkeit erwarb er sich die Achtung seiner College» und das Verkant» des Publikums in hohen, Grade durch Mittelpunkt zu meiner Ausbildung wäre und daß ich mich da bei Gelegenheit wol auch nützlich machen könnte, was ich von ganzem Herzen wünsche". Dann kam der Prinz auf die französischen Zustände zu sprechen und schien sich hier über die augenblicklichen Aussichten der conservativen Partei keinen Illusionen hinzugeben. „Frankreich", sagte er, „ist gegenwärtig republikanisch, daS kann man nicht bestreiten, und die republikanische Partei Hai noch nicht Fehler genug be gangen, daß man so bald einen Umschwung in der öffentlichen Meinung gewärtigen sollte. Ueberdies ist die conservative Partei dermaßen gespalten, daß eine UebergangSperiode nothwendig ist, um manche Uneben heit und innere Spaltung zu beseitigen." Nachdem der Prinz noch mit dem Correspondenten verabredet, sich gegenseitig in der Fremde behülflich zu sein, schüttelte er ihm die Hand und entließ ihn mit den Worten: „Cs hat mich sehr gefreut, mit einem Fran zosen französisch sprechen zu können, und das wird mir auch während der ganzen Dauer dieses Feldzugs stets ein Vergnügen sein." Großbritannien. -s-London, 18. Mai. Soeben ist eine Correspon- denz betreffend Ausführung des Berliner Vertrages in Ostrum elien als Parlamentsschriftstück auSge- geben worden. Der britische Botschafter in Peters burg, Lord Dufferin, schrieb am 17 /29. März an den Fürsten Gortschakow, der britische Botschafter in Konstantinopel werde bei der Pforte auf strenge Ein haltung der für Ostrumelien ausgearbeiteten Verfas sung dringen. Gleichzeitig drücke er, Lord Dufferin, der russischen Regierung die Befriedigung Englands darüber aus, daß das kaiserliche Cabinet in keiner Beziehung „Den hulgariscben Theil der rumelischen Bevölkerung" bei einer Opposition gegen das durch den Berliner Vertrag geschaffene Regime schützen zu wollen versichert hübe. Es folgt eine Erwiderung des Fürsten Gortschakow, datirt vom 17./29. März, in welcher derselbe verspricht, in Konstantinopel die schrift liche Erklärung abgcben zu lassen, daß die russische Regierung allen ihren Einfluß aufbieten werde, um eine Unterwerfung unter die durch den Berliner Ver- trag geschaffene Lage bei dem bulgarischen Theile der rumelischen Bevölkerung herbeizuführen. „Die jüngsten Vorfälle in Slivno haben schon Beweis geliefert von der Apt, in welcher die russischen Behörden ihre Pflicht sagt das Blatt, „das Tollste, was überhaupt unter dem ganzen Zeug existirt: «ein eigener Bericht des Mörders des Fürsten Krapotkin«. So weit hat man es doch wol nirgend« gebracht, daß ein Mörder, den, gering gerechnet, allein in Rußland 100000 Augen suchen, ganz kaltblütig einen 300 Petitzeilen langen Bericht drucken läßt!" Amerika. Ucber die Zustände in Mexico entnimmt die Weser-Zeitung einem Privatbriefe aus Mazatlan vom 27. März folgende interessante Schilderung: Seit dem 27. Jan. sind wir in eine gewisse Aufregung versetzt. Der Herausgeber der hiesigen Zeitung La Taran- tula hatte nämlich die schamlos« Wirthschaft unser« Gouver neur» Lanedo aus» schärfste angegriffen und diesen Bieder mann in seinem vielgelesenen Blatte zur Abrechnung über verschiedene öffentliche Gelder aufgefordert; ein Verlangen, welchem jedoch nicht entsprochen wurde, weil Lanedo diese Gelder und noch viele andere Staatseinkünfte in Gemein schaft mit den, würdigen Congreßmann Sinaloa auf die Seite gebracht hatte. Der Gouverneur begnügte sich da mit, dem Redacteur zu drohen, und kam kurze Zeit darauf von der Residenz Luliacan nach hier, und zwar mit einem Gefolge, da» au» einer Schar von sechs notorischen Räu bern und Mördern bestand. Zwei Tage später wurde Valadez auf offener Straße am Arme seiner Braut ermordet. Erst auf Drängen des erregten Volkes wurden gerichtliche Schritte eingeleitet und der Mörder, dessen Name offen be kannt und der von der Braut des Ermordeten recognoscirt wurde, verhaftet, nachdem auch nachgewiesen war, daß er am Tage de« Mordes ein Schlachtmesser bei einem Deut schen getauft hatte. Der Bandit hieß Solano und war ein Diener des Gouverneurs, sodaß die öffentliche Meinung einstimmig Lanedo als den Urheber, Solano als da» Werk zeug de» Mordes bezeichnete, eine Annahme, die durch viele Zeugen und wichtige Beweise später zur Evidenz geworden ist. Die Bestattung des Unglücklichen wurde zu einer großen Demonstration, alle Läden waren geschlossen und die ganze Bevölkerung, einschließlich aller Fremden, Offiziere und Be amte, folgten dem Sarge. Auf dem Rückwege hielt der Zug vor der Wohnung Canedo'S an und warf ihm die Fenster ein — Pistolenschüsse waren die Antwort. Der Tumult dauerte noch zwei Tage und war nicht eher zu Ende, als bis der Gouverneur sich veranlaßt fühlte, abzu danken. Hätte das Volk ihn gefaßt, so wäre er in Stücke zerrissen, es gelang ihm aber in der Nacht, nach Culiacan zurückzufliehen, und nur der Wachsamkeit uusers Stall knechtes ist es zu danken, daß er nicht zu seiner Flucht un sere Pferde benutzte, die wir nie wiedergesehen haben wür den. Jetzt befindet Canedo sich wieder in Luliacan, und es ist gar nicht unmöglich, daß der Congrcß ihn freispricht und er demnächst wieder ans Ruder kommt. Um einen Begriff von den Mitgliedern des CongreffeS, der die Ge setzgebung und Verwaltung unser« Staates in Händen hat, zu. geben, sei nur erwähnt, daß von den 11 Mitgliedern 8 wegen nachweislicher Diebstähle und Unterschlagungen in jedem geordneten Staatswesen Wolle zupfen müßten. Australien. Der in diesen Tagen oft besprochene Vertrag zwischen Deutschland und Samoa ist seitens der Samoa- und Tongainseln durch die „Excellenzen die Herren der Taimua: das Mitglied der Taimua Tuia, das Mitglied der Taimua Lemana und den Unter- staatSsercetär Meisake" unterzeichnet worden. daS Schulgesetz gesprochen, 20 wollen noch gehört werden. Heute sprach Borgs über die allgemeine Moral und über die specifisch katholische, d. h. jesui tische, welche letztere unbedingt aus der Schule fern gehalten werden müsse, da sie die meisten sittlichen Grundlagen der bürgerlichen Gesellschaft: Eigenthum, Familie und Vaterland, leugne und verachten lehre. Gegen Woeste's Statistik führte er noch an, daß in Italien binnen acht Monaten 870 Mitglieder religiöser Congregationen wegen Unzucht gerichtlich verurthejlt worden seien." Niederlande. Aus Amsterdam vom 17. Mai wird der Volks- Zeitung geschrieben: „Seit gestern herrscht hier an der Börse eine Aufregung, wie man sie seit Jahren nicht gekannt. Schon früh morgens circulirte das Gerücht von einer in Rotterdam erfolgten finanziellen Kata strophe. ES hieß, die Afrikaansche Handels- vereeurging hätte ihre Zahlungen eingestellt. Bald aber folgte eine Hiobspost der andern. Nicht nur hat die besagte Bank ihre Zahlungen eingestellt, ihre Di rectoren, die Herren Pincoffs und Kerdijk, ersterer Mitglied der k. Kammer der Generalstaatcn, letzterer Mitglied einer der angesehensten Familien Hollands, sind mit andern Administratoren und dem ersten Buch halter auf flüchtigem Fuße. Seit acht Jahren schei nen diese Herren den Generalversammlungen falsche Bilanzen vorgelegt zu haben. Der Sturz der Afri- kaanschen HandelSvereeniging hatte unmittelbar die SuSpendirung der Zahlungen zahlreicher anderer Bank institute zur Folge. Sie verlieren sämmtlich Millio nen Gulden; auch eine Bank in London, Bauer u. Comp-, hat bereits infolge dieser Katastrophe eben falls fallirt. Wie viele Häuser in Rotterdam noch Zusammenstürzen werden, läßt sich zur Stunde nicht ermessen, ebenso wenig wie die Verluste der Privaten. Die Stadt Rotterdam selbst ist niit einem Verluste bedroht. DaS Grundkapital der Afrikaansche» Han delSvereeniging belief sich auf 9 Mill. Fl. Davon scheint wenig oder gar nicht- den Gläubigern übrig- geblieben zu sein. Von der Bestürzung, welche in Rotterdam, hier und im Haag herrscht, kann man sich auswärts kaum eine Vorstellung machen. DaS Vrr- kauen ist auf Jahre erschüttert." Aus Brüssel vom 18. Mai schreibt man Kölnischen Zeitung: „Äisjetzt haben 30 Redner über erfüllen," Am 10. April ersucht Lord SaliMury Geschäftsträger Malet, Abschriften obiger Noten türkischen Minister des Auswärtigen mitzutheilen. Belgien. Rußland. Die Proclamation des Kaiser- Alexander an die Bulgaren lautet: An die Bulgaren des Fllrstenthum». Bulgaren de» Fllrstenthum«! In Erfüllung der Bedingung de» Berliner Tractat» habe ich an meine Truppen, welche euer Gebiet besetzt halten, den Befehl erlassen, den Rückzug au» dem selben nach Ablauf der von dem Tractat festgesetzten Frist zu beginnen. Indem ich solches kundthue, kann ich nicht umhin, euch bei dieser Gelegenheit mpinen Dauk für den freundlichen Empfang, den ihr meinen Truppen beim Ein rücken in euere Grenzen bereitet habt, wie auch für die Sympathie und die wahrhaft brüderliche Gesinnung au«- zudrücken, welche ihr während ihre» Aufenthalts in euerm Gebiet gegen sie an den Tag gelegt habt. Indem ihr selbst in den Reihen meiner tapfern Armee kämpftet und gemein sam mit ihr alle Lasten de» Kriege» trugt, habt ihr euch daran gewöhnt, sie zu achten und zu lieben, und habt mit mir den Ruhm der vollbrachten Heldenthaten getheilt. ES war mir angenehm, durch euere mehrmaligen Erklärungen Gewißheit über die Ergebenheit und Erkenntlichkeit zu er halten, welche ihr für die uneigennützige Hülse, welche euch bei den schweren Prüfungen, die euch betroffen, und für die Opfer, welche für euere Befreiung gebracht wurden, gegen mich und das gesammte russische Volk hegt. Im Glauben an die Aufrichtigkeit dieser Gefühle zweifle ich nicht, daß ihr, Zeugen der großen Ereigüiffe, welche den Grund zu euerer Selbständigkeit gelegt haben, auf immer in euern Herzen diese Gefühle bewah en und sie euerer Nachkommenschaft vererben werdet. Als meine Truppen euer Land betraten, that ich euch meine Absicht kund, euere Nationalität zu beschützen.und euch die Rechte zu sichern, die jede wohlorganisirte Gesellschaft besitzt. Gott, hat die für euere gerechte Sache erhobenen Waffen gesegnet und hat mir geholfen, meinen Wunsch zu erfüllen. Die Mächte erkannten aus Gerechtigkeitsgefühl dem bulgarischen Volke die Bürgerrechte zu. Der Berliner Tractat hat euch end gültig diese Rechte bestätigt und euere Selbständigkeit ga- rantirt, indem er durch die Errichtung eines bulgarischen Fürstenthums für die weitere Entwickelung euerer Nation eine feste Grundlage legte. Vor euch, Bulgaren des Fürsten thums. eröffnet sich ein neuer Weg, auf dem euch tue Blicke der Mächte folgen, welche Antheil an euerer Wiedergeburt genommen haben. Euere Sache ist es nun, sich ihnen als Volk zu zeigen, geeignet für ein selbständiges politisches Leben und reif genug, um von den euch geschenkten Rechte» Gebrauch machen zu können. Durch die Ausarbeitung des organischen Statuts für die Regierung des Fllrstenthum» habt ihr die Grundlage zu euerer innern Organisation ge legt und euch einen bedeutenden Antheil an de» Geschäften dieser Regierung Vorbehalten. Ich bezweifle nicht, daß ihr im Stande sein werdet, euch die dem Statut zu Grunde liegenden Principien zu eigen zu machen, und sie mit Nutzen für euere Entwickelung «»wenden werdet. Ihr werdet euch einen Fürsten erwählen, der euer Leiter und der Vertreter euerer Interessen gegenüber den Mächten sein wird. Im Verein und zusammen mit dem von euch Erwählten werdet ihr die ersten Schritte auf dem Wege machen, den euch die Mächte gezeigt, und werdet dem euch von der Vorsehung gesteckten Ziel standhaft zueilen. Indem ich den künftigen ersten bulgarischen Fürsten begrüßt, begrüße ich in seiner Person auch die Wiedergeburt des bulgarischen Volkes. 11. April 1879. Alexander. — Den Hamburger Nachrichten schreibt man aus Petersburg vom 15. Mai: „Die Feuersbrünste sind leider in Rußland ungleich häufiger als in West europa, sie gehören zu den regelmäßig wiederkehren- den Landplagen. Die Statistik berechnet, daß in Ruß land jährlich gegen 60 Mill. Rub. durch Feuersbrünste verloren gehen — wenn richtig, gewiß ein Beweis für den Reichthum des Landes! Aber die Gleich gültigkeit ist so groß, daß man ruhig die Nachbarschaft niederbrennen sieht, ohne weiter zu bedenken, wie die eigene besser geschützt werden könnte. Die enge Bau art und namentlich die vielen Holzhäuser in den Städten, die Strohdächer auf de» Dörfern bilden die Hauptursache, weshalb die Brände so verheerend wirken. Einzelne Städte haben Holzbauten bereits ganz oder theilweise verboten, namentlich für alle öffentlichen Gebäude, Fabriken, Gastwirthschaften, Restaurants rc., und gestatten auch für Holzhäuser nur Zink- oder Ziegeldächer. Jedenfalls erscheint die energische Be seitigung der Holzbauten als das einzige Abhülfrmittel, und wenn dadurch zugleich der Verwüstung unserer Waldungen vorgebeugt wird, so würde eine solche Ver ordnung doppelten Nutzen stiften. — Die Gefan genentransporte nach Sibirien haben, wie dem Petersburger Golos aus Moskau geschrieben wird, am 5. Mai begonnen. An diesem Tage wurden aus dem moskauer Centralgefängniß 300 «Verbrecher» nach Nischnij-Nowgorod und dann weiter nach Sibirien ge schickt. Am 12. Mai folgte die zweite Partie, 400 Personen stark, ebenfalls über Nischnij-Nowgorod nach Sibirien. Die dritte Partie Verbannter, 600 Per sonen stark, folgt am 20. Mai. Im ganzen befinden sich gegenwärtig im moskauer Centralgefängniß mehr als 11000 (!) Personen, die für die TranSportirung nach Sibirien bestimmt sind. Von diesen sind gegen 9000 Personen sogenannte politische Verbrecher. Die vierte Partie Verbannter verläßt Moskau am 26. Mai. Dann werden die in den einzelnen Gefängnissen Ruß lands internirten und zur Verbannung nach Sibirien verurtheilten Verbrecher im moskauer Centralgefängniß concentrirt, worauf die neuen Transporte beginnen werden." — Der Kölnischen Zeitung sind wieder zahlreiche Schriftstücke auS Rußland zugegangen, welche sich auf die nihilistische Bewegung, die noch lange nicht unter- drückt sei, beziehen. Unter den Schriften befindet sich,