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lind, müssrn den höchsten Schutz geniesten. Auch Gegner, wie Hr. Bamberger, habe« den nothleidenden Zustand der Industrie anerkannt, und ich kann nicht zugeben, daß die Gesundung eingetreten ist, die dem Herrn Vorredner die 2age so rosig erscheinen läßt. Eine Reise durch Deutsch land uuter genauer Besichtigung nicht blo» der Schlösser, sondern auch der Bauerhöfe würde ihm ein ganz andere» Bild geben. Kein Gewerbe ist von der großartigen Bedeu tung wie die Landwirthschaft. Die bebaute Fläche Deutsch land» beträgt 23 Mill. Hektaren im Werthe v^n 5 — 7 Milliarden M., die landwirthschastliche Bevölkerung beläuft sich auf circa 20 Mill. Menschen. Angesichts dieser Unge heuern Ziffern erscheint jede andere Erwerbsart verschwin dend klein, selbst die Eisenindustrie, die wir so reichlich bedacht haben. Wenn man auch vom Physiokratischen Sy stem zurückgekommen ist, so hat man doch bi» aus den heutigen Tag an dem Grundsätze sestgehaltcn, daß der Na tionalreichthum eines Lande» in seinem Grund und Boden liege, und selbst in manchcstertichen Blättern habe ich ge lesen, daß jeder Stillstand der ländlichen Production ein Schritt zur Verarmung sei. Jetzt hört man in Zeitungen und Versammlungen häufig da» Umgekehrte: Der gegen wärtige Werth der Landgrundstücke sei ungerechtfertigt, mau müsse wieder auf den Stand vou vor 3 t—40 Jahren zu rückkehren. Man will also den Nationalwohlstand verrin gern (Widerspruch links), alle Verbesserungen dieser letzten Jahre sollen verloren, alle Fortschritte preisgegeben sein. ES ist nicht leicht möglich, eine mehr reactionäre Tendenz zu verfolgen, zumal sich al» natürliche Eonseqnenz die Anschauung ergibt, daß man auch politisch zu jenen über wundenen Zuständen zurückkehren müßte. Ein fundirter Grundbesitz und ein wohlhabender Bauerstand sind die festesten Stützen des Staates und gerade heute haben wir allen Grund, diese Stützen gegenüber zersetzenden Tendenzn zu erhalten. Die Landwirthschaft leidet ganz bedeutend unter der Loncuttenz de» Auslandes. Ich cilire au» einer Eingabe der Ständigen Deputation der berliner Productenbörse fol gende Zahlen. Die Ausfuhr au» Amerika betrug 1868/69 14 Mill. Bushel Weizen, 1877 72 Mill.; 1869 7 Mill. Bushel Mai», 1877 85 Mill. Der russische Export war in denselben Jahren 2,200000 und 10 Mill. Tschetwert Roggen, 10 Mill, und 17 Mill. Tschetwert Weizen; davon kommen nach Deutschland 4 Mill. Tschetwert Roggen und 1 Mill. Weizen. Nach ferneru amtlichen Mittheilungen führte Amerika 1870 7 Mill. Pferde, jetzt 10 Mill, aus; 1870 1'/, Mill., jetzt 19'/. Mill. Ochsen. Ebenso steigerte sich die Fleisch ausfuhr nach dem Referat de» Hrn. Reuleaux von 20 Mill. 1876 auf 57 Mill. 1877. Trotz dieser vernichtenden Con- currenz will man der Landwirthschaft nicht denselben Schutz gewähren, den man der Industrie bewilligt. Im Vorder gründe steht dabei da» Argument, daß man dem armen Manne da« Brot nicht vertheuern dürfe. Ich muß,mich und meinen Antrag ausdrücklich gegen eine solche Tendenz verwahren. Wir denken gar nicht daran und e» ist fast selbstverständlich, daß der Zoll nicht eine Erhöhung der Brotpreist nach sich ziehen wird. Die Getreidepreise wer den ja auf den Börsen gemacht und sind fast tägsichty Schwankungen bi» zur Höhe von vielen Thalern unter- worsen, wie soll da ein Zoll von 50 Pf. großen Eindruck machen? Auch deckeü sich die Getreide« und die Brotpteise ktiÄesweg«, eine Differenz von 3 M. für den Lentner findet fast gar keine Berücksichtigung in der Brotproduction. In meinem engern Vaterland« Sachsen ist durch eine solche Preisdifferenz der Werth von 1 Pfd. Brot um 1 Pf. (von 10 auf 9 Pf.) geändert worden. Wenn ich bedenke, daß an demselben Orte die Brotpreise oft ganz verschieden sind, und wenn ich damit den Lärm vergleiche, den man wegen der Kornzölle oft in Deutschland jetzt hören mußte, so ver wundere ich mich über das, was Doktrinarismus und Theo rie heute noch in Deutschland vermag. Ueber den natür lichen Preis hinaus wird doch selbst keine siegreiche Hauffe partei der Börse den Brotpreis zu steigern vermögen. Mit unserer Landwirthschaft steht es so, daß wir sie aufgeben müssen, wenn wir auf sie das Dogma de« ManchesterthumS anwenden wollen, daß ein Industriezweig nicht existenz berechtigt ist, wenn er nicht billiger zn produciren vermag al« das Ausland. Denn billiger als Rußland und Amerika wird unsere Industrie nie zu produciren vermögen. In den letzten Jahren sind Tausende von Arbeitern brotlos gewor den und niemand hat danach gefragt, ob das Fleisch damals 5 oder 6 Gr. kostete oder ob das Brot ein paar Pfennige billiger oder theuerer war. Wer überhaupt nichts hat, den interesstren auch die Kornpreise nicht, und eS kommt nicht sowol darauf an, möglichst billiges Brot zu gewinnen, son dern darauf, die Leute erst wieder durch Arbeit in den Stand zu setzen, daß sie überhaupt Brot kaufen können. Für die Kornzölle erkläre ich mich schon um des Princips willen, weil, wen» die Industrie den Schutz der Zölle an ruft, auch die Landwirthschaft ein gleiches Recht hat, da sie durch die unglückliche Manchestertheorie furchtbar gelitten Pat. Das aber verhehle ich mir heute schon nicht, daß möglicherweise die Landwirthschaft aus den Schutzzöllen nicht so viel Nutzen wird ziehen können, als es die Industrie vermag. Eine Erhöhung des von der Regierung vorge schlagenen Satzes erschien uns um deswillen geboten, weil wir eS verhindern wollen, daß irgendeine Eisenbahndirection durch Veränderung der Tarife dön ganzen Zolltarif para- lystren kann. Von diesen allgemeinen Gesichtspunkten aus bitte ich Sie, sich sowol für Kornzölle im allgemeinen wie im speciellen für unsern Antrag zu entscheiden. (Lebhafter Beifall.) Leben und leben lassen! Abg. Vr. v. Treitschke hält eS nicht für möglich, daß sich auf Grund des Tarifs Parteien constituiren können: Parteien, die keine andere Basts unter sich hätten, wären nicht existenzberechtigt. Sodann warnt der Redner vor agitatorischen leidenschaftlichen Schlagwörtern, wie „Pfeife, Brot des armen Mannes rc.", und bittet, die Zollfragen unbefangen und vorurtheilsfrei zu prüfen, namentlich aber auch über den Werth der Wissenschaft in wirthschaftlichen Dingen nicht so vornehm wegwerfend zu urtheilen, wie es der letz e Redner für gut befand. Man darf auch nicht zu viel auf die Klagen der Interessenten geben, denn seit 1818 hat: sich in der deutschen Handelspolitik jede gute Aenderung vpllzogen unter dem Jammergeschrei der Interessenten auf die Initiative hin von Leuten, die „nicht säen und nicht spinnen". Jetzt ist eS das erste mal, daß sich eine Zoll- Veränderung vollzieht unter Zustimmung der Betheiligten, -43 denn wenn auch nicht, wle Abg. Berger sagt, alle riefen, bi« der Reichskanzler kam — viele Industrielle haben jeden falls gerufen. Daran muß man jedenfall» festhalten, daß die Getreidezölle nicht einen festen Finanzzoll bilden können, denn dazu fließen sie zu ungleich, je nach dem guten oder schlechten Ausfall der Ernten im Jnlande. Soll denn nun der Setreidezoll als Kampfzoll dienen? Wir werden ja in den nächsten Jahren gewiß einen Zollkrieg durchwachen niüssen, und deshalb nehme ich sogar den verrufenen ß. 5 mit seinen außerordentlichen Vollmachten an, aber ich be streite es, daß Getreidezölle zu Kampfzölleu dienen können. Für die Viehzölle werde ich stimmen, weil ich hoffe, daß es möglich sein wird, mit ihnen dem Ackerbau eine wesent liche Hülse zu leisten gegenüber der ausländischen Loncur- renz. Die Getreidezölle dagegen sind nur ein Tropfen auf einen heißen Stein. Hr. v. Mirbach und Hr. Günther haben ganz consequent de» Zoll erhöht, weil ihnen die Pro- ductionskosten erhöht wurden; aber ich möchte doch einen Versuch, der sich im Laufe der Zeit doch als vergeblich er weisen wird, nicht empfehlen. Ich sehe in dem Getreide zoll überhaupt nur ein taktisches Mittel der Regierung, um den Zolltarif im ganzen durchznsetzen. Die Herren Agrarier werd n bei dem Bündnisse mit den Industriellen den kürzern ziehen, denn sie haben selbst nicht einmal die feste Ueberzeugung von dem Werthe der angesetzten Zölle. Will man denn übrigen« die Hülferufe der Ostprovinzen, die Misftimmung in den großen Städten ganz außer Acht lassen? Will man. der socialdeinokratischen Agitation keine Aufmerksamkeit schenken? Unfehlbar wird uns von dort her der Vorwurf gemacht werden, daß wir kein Herz für die Massen hätten. UebrigenS gibt Redner sich keinen Illu sionen über die Annahme der höher» Zölle hin; nur bittet er die Majoritätsparteien, die Sehne nicht zu überspannen. Hierauf wird die Sitzung vertagt. Vicepräsident vr. Lucius constatirt in Gemäßheit des von ihm im Anfang der Sitzung gemachten Vor behaltes infolge von verschiedenen Seiten an ihn er- gangener Anfragen, daß jeder Versuch, Hrn. v. Forcken- beck zu einer Zurücknahme seines Entschlusses zu be wegen, fruchtlos sein würde, da die Rücksichten auf seine Gesundheit ihm unbedingt gebieten, bei seiner Erklä- rung zu verharren. Mit Rücksicht darauf, daß auch der erste Vicepräsident (Frhr. Schenk v. Stauffenberg) durch Krankheit verhindert ist, glaube er sich als stell vertretender Präsident verpflichtet, die Wahl des ersten Präsidenten auf die morgige Tagesordnung zu setzen, damit nicht in der nächsten Zeit eine ernstliche Stö rung eintrete. (Zustimmung.) Nächste Sitzung Mittwoch 11 Uhr. Tagesord nung: Wahl deS ersten Präsidenten, Fortsetzung der Berathnng über die Getreidezölle. , Deutsche« Reich. bl.l.0. Aerli», 20. Mai. Die GeschäftSordnungs- commission hat bekanntlich beantragt, die Mandate derjenigen Abgeordneten, welche zu Mitgliedern deS am 1. Oct. d. I. in Wirksamkeit tretenden Reichs gerichts, beziehentlich zu Mitgliedern von andern an demselben Tage in Wirksamkeit tretenden Justizbehörden berufen sind, zur Zeit nicht für erloschen zu erklären. Die Commission verneint also die Frage, ob schon durch die Ernennung zu den fraglichen Aemtern das Mandat erloschen sei, ohne sich aber mit der Frage zu beschäftigen, ob künftig mit dem Einkitt in das neue Amt das Mandat erlöschen werde. Die Frage ist nicht ohne principielle Bedeutung und eS mögen deshalb aus dem Berichte der Commission die folgen den Erwägungen mitgetheilt werden: Die vorliegenden Fälle bieten insofern eine eigenthüm- liche Gestaltung dar, als das Amt, zu welchem die betref fenden Abgeordneten durch kaiserliche, beziehentlich landes herrliche Ernennung berufen worden sind, noch nicht vor handen ist, und als diese Abgeordneten gegenwärtig und bi« zum 1. Oct. d. I. ihr zeitheriges Staat«amt verwalten, ohne daß jene Ernennung irgendwie auf ihre dermalige Amtirung sowie deren staatsrechtliche und privatrechtliche Bedeutung und Natur einen maßgebenden Einfluß äußert. Es ist nicht eine administrative oder sonst in da« Ermessen der Regierung gestellte Maßregel, durch welche der wirk liche Eintritt in das Amt trotz der bereit« erfolgten Ernen nung des Beamten verschoben wird, sondern die einfache, unabweisliche Lonsequenz einer reichsgesetzlichen Vorschrift. Insbesondere ist in Bezug auf die Ernennung zu Mitglie dern de» Reichsgerichts Folgendes zu bemerken: Die Durch führung der umfangreichen und tiefgreifenden Justizorgani sation, welche durch die ReichSgesetze beschlossen worden ist, erfordert nothwendig eine frühere Inangriffnahme der Er nennungen zu den verschiedenen Functionen im Reichsge richt und verträgt nicht einen Aufschub derselben bis zum 1. Oct. oder den letzten Wochen vor diesem Endtermin. Wenn mit dem 1. Oct. die neue Institution vollständig geordnet und mit voller Kraft in Wirksamkeit treten soll, so kann eine alsbaldige Vorbereitung, zu welcher auch die Ernennung der Reichsgerichtsmitglieder gehört, nur als höchst wünschenswerth und zweckmäßig bezeichnet werden. E« liegt hier der Fall anders als btt den sonst vorkom- menden Berufungen einzelner Beamten zu einem Amte im Staat»- oder Reichsdienste. Denn entweder wird hier da» Amt bi» zu dem Eintritt des neuernannten Beamten durch den zeitherigen Functionär, zu dessen Nachfolger der Er nannte bestimmt ist, beziehentlich durch einen Stellvertreter oder bei Lollegialbehörden durch ein anderes Mitglied ver waltet, oder es ist zwar da« Amt, zu welchem die Ernen nung erfolgt, ein neugeschaffene« Amt, aber immerhin ein solches, dessen Uebernahme alsbald nach der Ernennung er folgen kamt und wird; ein Aufschub der Uebernahme ist nicht nothwendig durch die Verhältnisse selbst geboten. In den gegenwärtigen. Fallen ist der Aufschub de» Eintritts in das neue Amt ein Act der äußern Nothwendigkeit. Denn da« neue Amt existirt zur Zeit noch nicht; die Func- tionirung des Beamten kann nicht sofort beginnen; da« Gesetz selbst hat den Tag bestimmt, an welchem sie begin nen soll. Wenn daher die bereit« gegenwärtig erfolgte Er nennung durch höhere, in der Sache selbst begründete Rück sichten geboten war, so kann der Aufschub der Functioni- rung nicht al« eine Willkür der Regierung bezeichnet wer den. Auf derartige eigenthümliche Fälle kann die Vor schrift de« Art. 21 der RelchSverfassung nicht bezogen werden. — Der Neue Frankfurter Presse telegraphirt man au» Berlin vom 20. Mai: „Der Entschluß Forckenbeck's, das Präsidium deS Reichstages niederzulegen, findet in allen liberalen Kreisen ungetheilte Zustimmung, namentlich da bekannt ist, daß die Deutsche Reichs partei entschlossen war, bei der Debatte über die Ge treidezölle die Banketrede Forckenbeck's zur Sprache zu bringen. Selbstverständlich hängt der Entschluß Forcken beck's in keiner Weise mit den gestrigen Angriffen von feiten v. Ludwig's zusammen. Thatsächlich wird be stätigt, daß ärztlicherseits schon seit Wochen Hrn. v. Forckenbeck eine längere Entfernung von den Ge schäften angerathen wurde. Wie cs heißt, würde auch Frhr. v. Stauffenberg von der Vicepräsidentschaft zu rücktreten." — Die Norddeutsche Allgemeine Zeitung berichtet unterm 19. Mai: „Der erste Vicepräsident des Reichs tages, Frhr. v. Stauffenberg, welcher in der letzten Zeit durch Krankheit von der Theilnahme an den Reichs tagsverhandlungen abgehalten war, hat einen acht tägigen Urlaub angctreten und sich zur Herstellung seiner Gesundheit, begleitet vom Abg. Marquardsen, nach Schloß RiStissen begeben. Frhr. v. Stauffenberg gedenkt demnächst an den Verhandlungen wieder theil zunehmen." Dagegen schreibt die National-Liberale Corrtspondenz: „Der erste Vicepräsidcnt des Reichs tages, Frhr. v. Stauffenberg, welcher zur Erholung von seinem länger» Unwohlsein auf acht Tage in seine Heimat gereist war, ist dort aufs neue an einem Gicht anfall erkrankt, sodaß seiner Rückkehr leider sobald nicht entgegengesehen werden kann. Nach dem Rück kitt Forckenbeck's ist übrigens kaum zu bezweifeln, daß auch er sein Amt niederlegen wird." Neuesten Nach richten zufolge hätte Frhr. v. Stauffenberg bereit- feinen Entschluß kundgegeben, von seiner Stellung al» Bicepräsident zurückzutreten. — In welchem Tone die angeblich gouvernementale Presse Berlins über den Deutschen Städtetag. also die Vertreter des deutschen BürgerthumS, zu sprechen sich erlaubt, davon ist Folgendes auS einem Artikel der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung eine kleine Probe. Daselbst heißt eS: Äenn man da« Gebaren Vir Ketten auf ihrem Bäulet be trachtet, so mußman annehmen, daß die Vorbilder der pariser Commune (!) ihren ZukunflShoffnungen vorschweben: ein re gierender Städtetag mit dem Haupte der Restdenzgemeinde, der zugleich Präsident de« Reichstage« ist, an der Spitz«. An dem guten Willen, die verfassungsmäßigen Gewalten bei uns durch aufgeregte Gemeindeversammlungen zu er setzen, scheint e« demnach nicht zu schien, aber wir glauben nicht, daß diese Drachensaat (!) in Deutschland einen Boden findet, auf welchem sie aufgehen könnte. U. s. w. — Die Social-Correspondenz sagt in einem Artikel über „Kornzölle und Arbeiterwohl": Der Eisenwcrksbesitzer Stumm hat im Reichstage be hauptet: „Die wenigen Pfennige, um welche das Brot durch einen Roggenzoll vertheucrt werde, würden durch gesteigerte Löhne reichlich wieder eingebracht werden. Durch die neue WirthschaftSpolitik werde der Wohlstand in einer Weise zu nehmen, daß die Industrie mit Erhöhung ihrer Löhne groschenweise vorgehen könne, und gegen diese Erhöhung falle der Gekeidezoll nicht in» Gewicht." Wenn e» von der WirthschaftSpolitik abhinge, ob die Industrie nur so groschenweise mit Erhöhung der Löhne Vorgehen könne, so hätten die Socialisten recht, welche dem Staate und nicht den Privatunternehmern die Bestimmung der Lohnhöhe übertragen wollen, der geschloffene Handelsstaat müßte eine Wahrheit werden. Aber die Erfahrung lehrt, daß der Ab satz der Product« und die Waarenpreise, unabhängig von der Politik einzelner Staaten, seit Jahrhunderten enormen Schwankungen unterliegen und daß weder Regierungen noch Unternehmer periodische Geschäftskrisen und schwere Heim suchungen von der Arbeiterwelt abwenden konnten. Der deutsche Silberbergbau befindet sich augenblicklich in einem Verzweiflungskampfe gegen die Loncurrenz ausländischer Silberminen. Nur die äußerste Ausnutzung der Technik und Ersparnisse an Löhnen ermöglichen ihm ein Fortbe stehen. Wer kann diesen Lausenden von Bergleuten in und um Freiberg, die auf 6—7 M. Wochenlohn herabgedrückt sind, höhere Löhne al» Folge des Kornzolles in Aussicht stellen? Wie mit den Bergleuten, so verhält es sich mit den Millionen, welche Gewebe, Stickereien, Spielwaaren und Musikinstrumente und hundert andere Dinge für den Weltmarkt Herstellen, oder mit dem weitverzweigten Handel und der Schiffahrt Deutschland» zusammenhängen. Sie alle werden es mit jedem neuen Morgen immer deutlicher erkennen, daß der Kornzoll schlimmer als irgendeine Kopf- steuer gerade auf den untersten Klaffen lasten wird. Von Salz verbraucht jeder Kopf der Bevölkerung ziemlich gleich viel, aber der Brotverbrauch mancher Arbeiterfamilie ver- schlingt die Hälfte aller Einnahmen, während der Reiche nur wenige Procente dafür verausgabt. Mitten in den politischen Partei- und Jntereffenkämpfen der Gegenwart uyd in der Ueberschätzung der Regierungsgewalt tröstet un« der Gedanke, daß die uralten Gesetze über Löhne und Preise, und die Erfahrungen der VolkSwirthschaft ihre Geltung iw kürzester Zeit wiedererlangen werden. — Sowol die Schlesische als die Neue Preußische Zeitung beklagen die Verwerfung des Antrags v. Wedell- Malchow auf Ermäßigung der Eisenzölle, wäh rend beide Blätter eine unverminderte Bewilligung der , reinen Finanzzölle wünschen.