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ZUR EINFÜHRUNG Wie bei „Ma mere l’oye" und „Le tombeau de Couperin“ ging der orchestralen Version von Maurice Ravels „Valsesnobleset sentimentales" eine Klavierfassung vor aus, die 1911 bei der Uraufführung in Paris durch die Kühnheit und Vielgestaltigkeit ihrer Harmonik — Roland-Manuel hat sie als Summe der harmonischen Erfahrung Ravels überhaupt bezeichnet — beträchtliches Aufsehen erregte, ja Proteste und Hohngelächter auslöste. Selbst heute noch erfüllen uns Ravels Meisterschaft im Gebrauch überraschender Vorhaltsbildungen und im Ausspielen enharmonischer Mehrdeu tigkeit, teilweise eingebettet in archaische mo dale Wendungen, mit Bewunderung. Sie er laubte es ihm, die entfernt auf Franz Schubert zurückweisenden Walzermodelle zu Trägern selbst gegensätzlicher Ausdrucksnuancen zu er heben. Der Titel des hinreißend schwungvollen Werkes beruft sich insofern auf Schubert, als dieser mit seinen „Valses nobles" und „Valses sentimentales" „den schönen Wienerinnen" mit einem Lächeln huldigen wollte. (A propos Lä cheln: lange vor Faure und Ravel ließ sich Cho pin von ihm bezaubern). „Ravels Werk bildet eine Kette von sieben aus drucksvollen Walzern, alle unterschiedlich in der Haltung und doch eine geistige Einheit; den Abschluß gibt ein Epilog, in dem das Echo der zuvor erklungenen Hauptmotive wehmütig graziös verhallt. Aus der fehlenden Abhängig keit von einem inhaltlichen Vorwurf und einer bindenden Form zieht der Musiker gewisser maßen Gewinn, um seinem Stil die Regel eines strafferen Spieles aufzuzwingen. Die Valses nehmen in Ravels Werk einen besonderen Platz ein. Man findet bei ihm unschwer brillantere und leichter eingängliche Partien: man ent deckt keine, in denen die Verdichtung der Materie und die Prägnanz einer abgerunde ten und aestrafften Form einen höheren Grad erreicht. Eine etwas kühle Sinnlichkeit beseelt diese Musik. Elektrische Schauer, katzenhafte Geschmeidigkeit: Baudelairische Reize“ (Ro land-Manuel). Als die Tänzerin Natalia Trouhanowa dem Komponisten vorschlug, die Valses nobles et sentimentales zu vertanzen, schuf er die Or chesterfassung, die den Reiz der Originalform noch in den Schatten stellt. Während jenes denkwürdigen Tanzabends im April 1912 diri gierte nicht nur Ravel erstmals diese Transkrip tion — ein Meisterstück seiner Instrumentations kunst (Titel des Balletts: „Adelaide oder die Sprache der Blumen"), auch die Komponisten Paul Dukas, Vincent d'lndy und Florent Schmitt lösten sich am Dirigentenpult mit eige nen Beiträgen ab. Sein Klavierkonzert f-Moll o p. 2 1 vollendete Fryderyk Chopin ebenso wie das e-Moll-Konzert op. 11 im jugendlichen Al ter von kaum 20 Jahren. Die Uraufführung des Werkes, bei der der Komponist den Solopart selbst übernommen hatte, fand am 17. 1830 in Warschau statt. Obwohl das f-Ml^F Konzert bei seiner späteren Veröffentlichung im Jahre 1836 der polnischen Gräfin Delfina Po- tocka gewidmet wurde, war es ursprünglich unter dem Eindruck seiner Jugendliebe zu Kon- stancja Gladkowska, einer Opernsängerin am Warschauer Nationaltheater, entstanden. Das Konzert, mit dem Chopin übrigens auch in Pa ris debütierte, knüpft zwar in seiner formalen Anlage und in technischer Hinsicht an die vir tuosen Klavierkonzerte der Zeit an, zeigt sich aber in seiner Tiefe des Gefühls, seiner Poesie, seiner reich figurierten, typischen Melodik und in seiner bezaubernden jugendlichen Frische und Leichtigkeit bereits als echtes Werk seines Schöpfers. Der erste Satz (Maestoso) entwickelt sich in seinem Verlauf zu einem ausgeprägt virtuosen Musikstück. Auf zwei kontrastierenden Themen, einem betont rhythmischen und einem eher ly risch-ausdrucksvollen, aufbauend, bringt der Satz in seiner Durchführung statt einer Verar beitung dieser Themen im Sinne dramatischer Spannung und Entspannung eine reiche Aus deutung des thematischen Materials durch die Erzeugung wechselnder Stimmungen, wobei dos Soloinstrument mit glitzernden Passagen, lanten Läufen und feinen arabeskenhaften namenten die Grundgedanken virtuos umspielt. Das folgende Larahetto aehört zu Chooins poetischsten Einfällen überhaupt. D : eser schwärmerisch-inniae Satz, der von einem be zaubernden Nocturne eingeleitet wird, scheint in seiner wundervollen, liedhaften Melodik, sei ner damals ganz neuartigen harmonischen Sprache den von verhaltener Erregung durch glühten Ausdruck reinster, zärtlichster Gefühle w'derzuspieaeln. Nach einem leidenschaH'ich- bewegten Mittelteil (Appassionato) erklingt noch einmal, letzt ganz zart und verträumt, der Einleitungsteil des Larghettos. PETER RÖSEL wurde 1945 in Dresden geboren. Sein Klavierstudium an der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber" in Dresden bei Ingeborg Finke- Siegmund beendete er 1963 und setzte es von 1964 bis 1969 am Moskauer Konservatorium fort. Dort waren seine Lehrer die Professoren Dmitri Baschkirow und Lew Oborin. Bei mehreren international hoch dotierten Wettbewerben war Peter Rösel unter den ersten Preisträgern, so 1963 beim III. Internationalen Schu mann-Wettbewerb in Zwickau, 1966 beim III. Interna tionalen Tschaikowski-Wettbewerb in Moskau und beim IV. Internationalen Musikwettbewerb in Montreal 1968. Der Künstler, der zahlreiche Rundfunk-, Fernseh- und Schallplattenaufnahmen produzierte, konzertiert seit Beendigung seines Studiums mit außergewöhnlichem Erfolg in vielen Ländern Europas, Asiens und in Nord amerika. Bei der Dresdner Philharmonie ist er seit 1963 ständiger Gast. Er zählt heute nicht nur zu den erfolgreichsten Künstlern der DDR, sondern auch zu den Besten seines Faches im europäischen Maßstab. 1972 erhielt Peter Rösel den Kunstpreis der DDR, und 1978 wurden seine hervorragenden künstlerischen Lei stungen mit dem Nationalpreis gewürdigt. Seit 1976 ist er Solist des Gewandhausorchesters Leipzig. 1985 wurde er zum Professor ernannt.