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646 'wilder als Patriarch von Cilicien anerkannt werde. Inzwischen hätten die Antihaffumsten gegen diese Maß regel Widerspruch erhoben und eS sei lediglich dadurch di« Zustellung des gedachten FermanS an den Erz bischof Hafsun biSjetzt verzögert worden. Die Regie rung sei bemüht, eine Verständigung unter den beiden einander gegenüberstehenden Parteien herbcizuführe». * LokflanUnopek, 3. April abends. Unter den di« Mächte augenblicklich noch beschäftigenden Bor- Magen betreffend die Ausführung einer gemischten Okkupation OstrumelienS befindet sich auch ein Vor schlag der Pforte, nach welchem derselben gestattet sein solle, Bourgas und Ichtiman mit regulären Truppen ihrerseits zu besetzen. Die parlamentarische Lage. m.e. Stkliu, 4. April. Nicht ohne ein gewisses Gefühl der Befriedigung hat der Reichstag seine Ferien beginnen können. Das Arbeitspensum, welches für die erste Hälfte der Session in Aussicht genommen war, ist im großen und ganzen bewältigt worden. Mit dankenswerther Ausdauer sind die Mitglieder auf dem Posten gewesen; trotz der bereits herrschenden Ferienstimmung war das Haus auch am letzten Tage, wie die wiederholt nothwendig gewordene Stimmen- zählung ergab, noch in reichlich beschlußfähiger Zahl versammelt. Die Hauptaufgabe dieser Zeit, die Berathung des Reichshaushaltsplanes für das Finanzjahr 1879/80, ist trotz der zahlreichen wirthschaftspolitischcn Debatten glatter als je von statten gegangen; zum ersten male seit der Verlegung des Etatsjahres gelang cs, den Etat vor dem gesetzlichen Termin des 1. April zum Abschluß zu bringen. Mehrere wichtige Gesetzentwürfe sind so weit gefördert worden, daß sich ein ersprießlicher AuSgang der Berathung vorhersehen läßt. In erster Linie nennen wir den Gesetzentwurf gegen den Handel mit gesundheitsschädlichen Nahrungs- und Genußmitteln, der einem unleugbar vorhandenen Bedürfniß entspricht. Die Gebührenordnung für Rechtsanwälte ist soeben in Ler Commissionsberathung zum Abschluß gebracht. Die Novelle zum Wechselstempelsteuergesetz hat die zweite Lesung passirt; die Gesetzentwürfe über das Faustpfandrecht für Pfandbriefe und ähnliche Schuld verschreibungen sowie über die Consulargcrichtsbarkeit sind an besondere Commissionen verwiesen. Nur die ganz neuerdings eingcbrachte Vorlage wegen Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des CvncurSverfahxenS konnte noch nicht in Berathung genommen werden. ' Auf Anregung aus der Mitte des Hauses sind Commissionen mit der Frage von Versorgungskaffen für kranke und altersschwache Arbeiter und deren An gehörige, mit der Frage einer Abänderung der Ge werbeordnung, mit der Frage von Maßregeln gegen den Wucher beschäftigt. In letzterer Beziehung kann mit Sicherheit angenommen werden, daß eine Ergän zung deö Strafgesetzbuches zu Stande kommen wird, welche gegen die wucherische Ausbeutung der Noth wirksame Abhülfe verspricht. Dagegen sind bezüglich der beiden ersten Fragen positive Ergebnisse für dies mal kaum zu erwarten. Von den sonstigen Anregung«» aus der Mitte des Hauses heben wir diejenige wegen einer selbständigen denn, so großes Vergnügen es mir macht, den Friedens stifter Europas durch seine Briefe und seine Thaten zu kennen, so möchte ich ihn doch gern auch von An gesicht kennen" (pur uns visiun dsatiüliuo, wie sich der König mit einer wohl absichtlichen Ueberschwäng- lichkeit auSdrückt). DaS wird gewiß die Eitelkeit des Franzosen ge kitzelt und ihn dem aufsteigenden Gestirn Friedrich'« geneigt gemacht haben. Aber welcher Wechsel der Dinge! Damals glaubte ein Monarch Preußens (und wol mit Recht) einen französischen Staatsmann durch Schmeicheleien sür sich und die Sache Preußens ge winnen zu müssen, und damals war es keine grobe, sondern eine berechtigte Schmeichelei, wenn er ihn als „Friedensstifter Europas" begrüßte, denn noch hatte Frankreich von Ludwig XIV. her den Nimbus dec ersten Macht in Europa; erst dem großen Preußen könig war eS Vorbehalten, in der Schlacht von Roß bach Viesen Nimbus gründlich zu zerstören. Aber selbst dann noch, wie vielmehr beim Antritt seiner Regie rung, mußte Friedrich ll sich vielfach biegen und schmiegen, um das damals noch sehr schmächtige StaatSschiff Preußens zwischen den größern und gc- festetern Kolossen Frankreichs, Rußlands, Oesterreichs, Englands heil und ungefährdet hindurchzulootsen und es allmählich auf den gleichen Rang mit ihnen zu erheben. Und heute — wie stehen wir da dem übrigen Europa und wie steht dieses uns gegenüber! Für- wahr, eS muß eine Freude für unsern Kaiser Wilhelm fein, wenn er hier liest, wie sein glorreicher Vorfahr sich Mühr gegeben, Preußens Macht und Ansehen zu heben, und wenn er dann erwägt, zu welch gewaltigen, Regierung für Elsaß-Lothringen hervor. Die Debatte darüber ergab die erfreuliche Gewißheit, daß in der staatsrechtlichen Organisation des Reichslandes schon in nächster Zeit ein weiterer bedeutsamer Schritt vor wärts gethan werden kann. Erwähnen wir noch die Annahme verschiedener internationaler Verträge, des Handelsvertrages mit Oesterreich-Ungarn, des Wclt- postvertrageS, der Convention über Maßregeln gegen die Reblaus, so ist das Bild der positiven Thätigkeit bis auf Einen Punkt vollständig. Dieser Eine Punkt steht in Verbindung mit dem bedeutsamsten negativen Schritte ter letzten Zeit, mit der Ablehnung des Gesetzentwurfes betreffend die Strafgewalt des Reichstages über seine Mitglieder. Gleichzeitig mit der Zurückweisung dieses Eingriffes in seine Autonomie beauftragte der Reichstag seine Geschäftsordnungscommission mit einer Revision der Geschäftsordnung, die allem Anscheine nach mit einer Verschärfung der DiSciplinarbefugniffe des Präsidenten enden wird. Die Erinnerung an die Strafgewaltsvorlage führt von selbst auf den. unverkennbaren Unterschied, der zwischen der Stimmung der parlamentarischen Kreise am Beginn und derjenigen am Schluffe dieser Sessions hälfte besteht. Ohne Zweifel sind die düstern Befürch tungen, welche die ersten Wochen des Reichstages be herrschten, heute zum großen Theil gewichen. That- sache ist, daß damals vielen das Vorgehen der Reichs- regicrung nur unter der einen Bedingung verständlich erschien, daß eine baldige Auflösung geplant werde; Thatsache ist andererseits, daß heute der Glaube die Oberhand hat, die Regierung werde sich mit diesem Reichstage zn verständigen suchen. Wir forschen nicht weiter nach den Gründen dieses Umschwunges; wir vermeiden auch jeden Versuch, die dermalen herrschende Zuversicht zu erschüttern. Der bloße Ausblick in den zweiten Theil der Session ge nügt, um die Schwierigkeiten erkennen zu lasten, unter welchen die parlamentarische Lage auch ferner leiden wird. Es ist schlechterdings unmöglich, daß eine An gelegenheit, welche die ganze Nation so bis in ihre tiefsten Tiefen aufgewühlt hat, wie die Frage der Zoll- und Steuerreform, nunmehr im entscheidenden Stadium ohne Kampf zum Auslrage kommen sollte. Zu verkennen ist nicht, daß die Schroffheit, mit wel cher durch das Schreiben vom 15. Dec. und durch den bekannten Satz der Thronrede zwei wirthschafts- politische Systeme einander gegenübergestellt wurden, in den jetzt vorliegenden thatsächlichen Vorschlägen er heblich gemindert erscheint; die dogmatische Schärfe des kanzlerischen ProgrämmS ist durch das Aufgeben der allgemeinen Zollpflicht bedeutend abgeschliffen. Aber der Ton, welchen die Verfechter des neuen Zolltarifs in der Presse nach wie vor anschlagen, läßt wenig von einem aufrichtigen Verständigungsbestreben erken nen; so hochgradig ist bereits ihr Siegesbewußtsein, daß sie sich geberden, als hätten sie nur noch dem Besiegten ihre Bedingungen vorzuschreiben. Vielleicht ist es nicht unnütz, diese Heißsporne daran zu er innern, daß ein in unserer Zollpolitik heute sehr ein flußreicher Mann mit dem vorzeitigen V<m viclis! schon einmal recht unangenehme Erfahrungen ge macht hät. damals nicht entfernt auch nur zu ahnenden Erfolgen die kühnen Anläufe Friedrich'« des Einzigen unter seinen, des Urgroßneffen jenes großen Königs, Händen hinausgewachsen sind! So viel für heute. Wir kommen wol wieder auf diese Correspondenz Friedrich's des Großen zurück. Wie das Berliner Tageblatt in den April geschickt wurde, darüber schreibt die Kölnische Zeitung aus Köln vom 4. April: „Es ist uns bisher unbekannt geblieben, daß die vorgestrige Bismarck-Feier eine kleine Revolution in unserm heiligen Köln im Gefolge gehabt hat. Es muß indessen so sein, denn da« Berliner Tageblatt bringt unter dem Datum Köln, 1. April, folgende Correspondenz: «Die Enthüllung des Bismarck-Denkmals verlief, wir schon ge meldet, programmäßig, wurde vom schönsten sonnigen Frühlingswetter begünstigt und — was in dem sogenannten heiligen Köln viel sagen will — blieb ohne jegliche Stö rung von feiten der erbosten Ultramontanen, klebrigen« war Sorge getragen, daß Excedenten auf frischer That ihrer Abführung nach Nummero Sicher nicht-entrinnen konnten. Anders gestaltete sich indeß die Sache bei ein- tretender Dunkelheit. Der Lasinoplatz war förmlich be lagert von Tausenden von Bewunderern des »markigen Mehrers deutscher Einheit', wie Oberbürgermeister Becker beim Festmahle im Casinosaale ihn nannte. Die Festge noffen, welche allmählich da« Casino verließen, wurden an fangs begafft, dann verlacht, zuletzt verhöhnt und allmäh lich entwickelte sich da« beim kölner Carneval vom Pöbel so beliebte Huteinschlagen. Der Tumult in der Nähe de» LastnvS war ein wüster. Man muthmaßte allgemein, daß Emissäre von dem Marienplatz, dem Hauptcentrum der ultramontanen Erholung»gesellschaft, welche unter dem frommen Namen ,Jm Piusbau' daselbst ihr Wesen treibt, den Unfug angezettelt hatten und unterhielten. Da« Ge johle und Gebrülle, da« Bewerfen mit Koth nnd faulen Aepfeln begann Planmäßig. Wa« au» dem Casino her Der Toast deö Gräfin Kärolyi. — Leipzig, 5. April. Als uns gestern der Tele graph einen sehr magern Auszug aus dem Tpast über mittelte, den der österreichische Botschafter in London Graf Kärolyi bei dem IahreSbanket der Gesellschaft zur Unterstützung nothleidender Ausländer gehalten, da erschien uns dieser Toast nur wie eine jener ba nalen Höflichkeiten, die zwischen den nicht gerade unter sich gespannten Regierungen bei derartigen festlichen Gelegenheiten ausgewechselt zu werden pflegen. Ueber Nacht ist aber dieser scheinbar harmlose Toast zu einem „europäischen Ereigniß" geworden., „Der Trinkspruch des Grafen Kärolyi", schreibt die Neue Freie Presse in ihrem Artikel „Zur Tage»- geschichte", „wird von mancher Seite als ein Dementi der kürzlich in Umlauf gesetzten Gerüchte von einer Drei-Kaiser-Zusammcnkunft aufgefaßt." Er habe, heißt eS, in London größtes Aufsehen gemacht. Das Ge ringste, was man davon sagt, ist, daß er eine Art von Gcgenschlag auf den bekannten Toast des preu ßischen Botschafters in Petersburg auf den Zaren Alexander habe sein sollen. Was aber diesem Toast noch mehr eine besondere Bedeutung gibt, ist das Telegramm, welches wir heute (s. oben) aus Wien bringen. Die „officiöse" Auslegung des Toastes, welche eS enthält, ist offenbar eine sehr geflissentliche Abschwächung, ja Desavouirung des» selben, insoweit er irgendwie als gegen Deutschland oder gegen das intime Verhältniß Oesterreichs zu Deutsche land gerichtet gedeutet werden könnte. DaS eorpus ckelicti selbst, der Kärolyi'sche Toast, liegt uns heute in ausführlicherer und wol authentischer Wiedergabe vor in der gestern Abend hier eingetroffe nen Wiener Abendpost. Dieser wird aus London vom 3. April telegraphisch gemeldet: „Graf Kärolyi präsidirte gestern der Iahressitzung der Gesellschaft zur Unterstützung nothleidender Aus länder. Im Anschlusse an einen Toast aüf die Kö- nigin sagte derselbe: Meine Anwesenheit hier als Botschafter Sr. Maj. des Kaisers von Oesterreich, des Freundes und Alliirten Eng lands, ist ein sichtbares Zeichen der kürzlich erfolgten histo rischen Fügung dieses Ereignisses. Die vollzogene That sache ist eine Bekräftigung der alten Freundschaftsbande, welche die beiden Länder, die ihre Waffengenossenschaft auf manchem rühmlichen Schlachtfelde der Vergangenheit be siegelten, fest verknüpfen. Die Eintracht zwischen England und Oesterreich-Ungarn muß nothwendigerweise einen Krieg verhindern und nicht herausbeschwören. Die gegenseitigen Interesse» zweier Länder sind heutzutage eine viel sicherere Basis.Dr eine gemeinsame. Action al« .da» vollkommenste Schutz- und Trutzbündniß. Die Aehnlichkeit und Identität der legitimen Ziele Englands und Oesterreichs wirken darum fort, die ununterzeichnete Allianz zu befestigen, welche auf den Interessen beider Länder basirt, von zwei großen Staats männern abgemacht und von zwei erlauchten Souveräne» gebilligt wurde." In dieser ausführlicher» Fassung hat allerdings der Toast eine nicht zu verkennende schwerwiegende Bedeu tung. Oder, sagen wir vielleicht besser, er würde sie haben, wenn man annehmen müßte, daß er wirklich die Intentionen der österreichisch-ungarischen Regie rung, die Intentionen des Grafen Andräffy ausdrückte. Allein daran hat man guten Grund zu zweifeln. Die Neue Freie Presse, die schon seit Jahren eine österrei chisch-englische Allianz als Gegengewicht gegen Ruß land und Deutschland herbeigesehnt und befürwortet hat, will sich doch nicht einreden, daß diese jetzt über auskam, wurde insultirt! Ohne Hut und mit zerrissenem Frack rettete ich mich in das anstoßende Seidenmachergaß - wen, da» nach dem Cäcilienklosier führt, um im Hotel Höfer Zuflucht zu finden. Dem Obersten der berittenen Schutzmannschaft, v. Künemund, ist es gelungen, die Haupt rädelsführer dingfest zu machen, die hoffentlich einer ange messenen Strafe nicht entgehen.» Das berliner Blatt hat nicht geahnt, daß sein kölner Correspondent sich den „1. April" zu Nutze gemacht hat." — Die «Post» schreibt aus Berlin: „Die Mittheilunge» über das Erscheinen der Weißen Frau im königlichen Schlosse vor dem Tode des Prinzen Waldemar und das angebliche Verlassen seines Postens seitens eine« Soldaten beruhen nach den angestellten Ermittelungen lediglich auf- der Erfindung eines Reporters. Es ist weder eine weiße. Gestalt bemerkt worden, noch auch überhaupt ein Posten von seinem Platze davongelaufen. E» ist bedauerlich, daß. solche traurige Ereignisse wie der Tod des Prinzen Walde mar von einem Theile der Presse dazu benutzt werden, um sensationelle Artikel zu fabriciren." — Ueber schöne Namen und schlechte Charakter schreibt die neuyorker Handel«-Zeitung: „Der Einbrecher und Mörder, welcher kürzlich in England seiner scheußlichen Unthaten wegen gehängt wurde, hieß Peace (Friede); der Jüngling, welcher der Theilnahm« an der Mauhattan-Bank- Räudere, angeklagt ist und im Gefängnisse sitzt, ist Hr. Hope (Hoffnung); der berüchtigte Pulman-Schwindler heißt gar Angel (Engel) und die Hauptperson in der neuesten chicagoer Mordgeschichte heißt Hr. Lamp (Lamm). — Am 23. April vormittags findet im Saale der Armbrust schützengesellschaft in Weimar die Generalversammlung der Deutschen Shakspeare-Gesellschaft statt. Den Fest-' Vortrag hält Professor vr. F. A. Leo au» Berlin über „Shalspeare, da» Volk und die Narren".