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mein Musikstudium begonnen (Klavierstunden bei Frau Char lotte Ruber). In Wien bekam ich wichtige Eindrücke — sowohl musikalische (9. Sinfonie von Beethoven unter J. Krips, die .Achte’ von Bruckner unter O. Klemperer, .Entführung aus dem Serail’ unter H. Knappertsbusch etc.) als auch allge meine (zu denen auch die mich immer ins Schaudern ver setzende Szene der Todeserscheinung in Jedermann’, die ich in 3 Inszenierungen der Salzburger Festspiele, 1946, 1947, 1948 gesehen habe . . . leider nur den traditionellen Aus schnitt in der jeweiligen Wochenschau, denn in Salzburg war ich damals noch nicht). Als musikalischer Grundton blieb in mir ein gewisser Mozart-Schubert-Sound in Erinnerung, den ich jahrzehntelang mittrug und der sich dann nach ca. 30 Jahren bei meinem nächsten Osterreich-Aufenthalt bestätig te — genau so wie auch das allgegenwärtige Gerippe, das 1946-1948 soeben erst seine große Ernte davongetragen hatte und das sowohl damals als auch jetzt nicht nur in der, Wochenschau, sondern auch sonst leicht zu sehen war (in den Katakomben des Stephansdoms, in den Gängen des Ursulinenklosters — jetzt Hochschule für Musik und darstel lende Kunst, etc., etc.). Mit Salzburg kam ich aüch in Verbindung — 1977 spielte Gidon Kremer bei den Festspielen Beethovens Violinkon zert mit meinen Kadenzen, die einen heftigen Presseskandal provozierten, im selben Jahr wirkte ich als Cembalist bei der Aufführung meines 1.Concerto grosso im Mozarteum (auch mit G. Kremer) mit. 1978 entfachte ich dort noch einen Ablehnungs sturm der Zeitungen wegen .kulturschänderischer’ Bearbei tung der .Stillen Nacht’ (wieder einmal mit Kremer an der Violine). 1983 kam der für jeden Komponisten beehrende Auf trag der Festspiele für ein Orchesterstück, das ich wegen Krankheit nicht rechtzeitig (für die Festspiele 1984) fertig bringen konnte." „(K)ein Sommernachtstraum" wurde während der Salzbur ger Festspiele 1985 in einem Konzert des ORF-Symphonie orchesters unter der Leitung von Leopold Hager mit großem Erfolg uraufgeführt. Das Werk bildete den Auftakt zu Aribert Reimanns „Lear-Fragmenten" und „Prosperos Beschwörun gen" von Egon Wellesz. Alfred Schnittke wies seinerzeit in seinem Kommentar auch auf Zusammenhänge des von ihm gewählten Titels mit der Werkkonstellation jenes Konzertes hin: „Das Stück soll in einem Konzert mit Shakespeare-Ver-^^k tonungen gespielt werden, hat aber keine direkte Bezieh ung^^F zu Shakespeare — doch nicht nur deswegen heißt es ,(K)ein Sommernachtstraum’. Und damit wäre alles gesagt über mein Mozart-Schubert-bezogenes Rondo . . ." Felix Mendelssohn Bartholdy 1809-1847 Konzert für Violine und Orchester e-Moll op. 64 Am 3. Februar 1984 wird die Musikwelt des 175. Geburtstages von Felix Mendelssohn Barholdy gedenken. Aus diesem Grun de stehen im Mittelpunkt unserer Zyklus-Konzerte des Jahr ganges 1983/84 Werke dieses Meisters. Den Anfang macht im heutigen Programm das Konzert für Violine und Orchester e-Moll op. 64, eines der bekanntesten und meistgespielten Violinkonzerte überhaupt neben den berühmten Konzerten von Beethoven, Brahms und Tschaikowski. Das Werk entstand in seiner endgültigen Gestalt im Sommer BB44 in BadSoden, wo der Komponist im Kreise seiner Familie eitere, ungetrübte Ferientage verlebte; erste Entwürfe dazu stammen jedoch bereits aus dem Jahre 1838. Am 13. März 1845 wurde das Violinkonzert im Leipziger Gewandhaus un ter der Leitung des dänischen Komponisten Niels W. Gade durch den Geiger Ferdinand David (Konzertmeister des Ge wandhausorchesters) uraufgeführt, für den es geschrieben worden war und der den ihm befreundeten Mendelssohn auch schon bei der Ausgestaltung des Soloparts in violintechnischer Hinsicht beraten hatte. Nach der erfolgreichen Uraufführung schrieb David an den gerade in Frankfurt/M. weilenden Komponisten einen begeisterten Brief, in dem es u. a. über das Werk hieß: „Es erfüllt aber auch alle Ansprüche, die an ein Konzertstück zu machen sind, in höchstem Grade, und die Violinspieler können Dir nicht dankbar genug sein für diese Gabe." Bis heute hat sich an diesem Urteil nichts geändert; vereinigt das unverblaßt gebliebene Konzert, das sich vor allem durch seine harmonische Verbindung von (niemals leerer) Virtuosität und Kantabilität sowie durch eine ausge sprochen einheitliche Thematik auszeichnet, doch auch wirk lich in schönster Weise alle Vorzüge der Schaffensnatur sei nes Schöpfers: formale Ausgewogenheit, gedankliche Anmut und jugendliche Frische. Ohne Einleitungstutti beginnt der schwungvolle erste Satz (Allegro molto appassionato) mit dem gleich im zweiten Takt einsetzenden, vom Solisten vorgetragenen gesanglichen Bkiuptthema von echt violinmäßiger Prägung. Neben diesem Werna werden im Verlaufe des von blühender romantischer Poesie erfüllten Satzes noch ein ebenfalls sehr kantabler Sei tengedanke und ein liedhaftes, ruhiges zweites Thema bedeut sam, das zuerst durch die Bläser über einem Orgelpunkt des Soloinstrumentes erklingt und dann von diesem aufgegriffen und weitergeführt wird. — Wie eines der Mendelssohnschen „Lieder ohne Worte" mutet der durch einen liegenbleibenden Ton des Fagotts angeschlossene dreiteilige Mittelsatz an, ein in weich wogendem 6 / 8 -Takt an uns vorüberziehendes An dante. — Echt romantischer Elfenzauber wird schließlich im geistsprühenden, prickelnden Finale, das als eine kunstvolle Verbindung von Rondo- und Sonatensatzform angelegt ist und in seinem Charakter der kurz vorher vollendeten „Som- mernachtstraum”-Musik des Komponisten nahesteht, in über aus poetischer stimmungsvoller Weise heraufbeschworen. In festlichem Glanz beendet dieser besonders virtuose, dabei musikalisch ebenfalls substanzreiche Satz das Werk. Modest Mussorgski 1839-1881 „Bilder einer Ausstellung" Der geniale russische Komponist Modest Mussorgski hinter ließ uns auf dem Gebiete der sinfonischen Musik nur sehr wenige und kleinere Werke, die bis auf die bekannte „Nacht auf dem Kahlen Berge" neben seinen Opern und Liedern auch an Bedeutung zurücktreten. Die „Bilder einer Ausstel lung", eine seiner hervorragendsten Kompositionen über haupt, sind von ihm nicht für Orchester, sondern als Klavier suite komponiert worden. Das Werk entstand im Jahre 1874, angeregt durch eine Moskauer Ausstellung mit Aquarellen und Zeichnungen des russischen Malers und Architekten Viktor Hartmann, der kurz zuvor (1873) verstorben war und zu Mussorgskis besten Freunden gezählt hatte, und schildert die Eindrücke, die der Komponist bei der Betrachtung von einigen dieser Bilder empfing. Die so entstandene — übrigens dem bedeutenden russischen Kunstkritiker Wladimir W. Stassow gewidmete — Komposition, ein äußerst plastisches, nuancenreiches und nach Charakter und Stil ganz und gar russisches Werk, enthält die musikalische Darstellung von zehn Bildern Hartmanns und gliedert sich demgemäß in zehn Teile. Die einzelnen Sätze werden durch thematisch immer ähnliche sogenannte „Promenaden" verbunden, die gleich sam das Promenieren von Bild zu Bild wiedergeben. Die in ihrer klanglichen Differenzierung fast orchestral kon zipierte Klavierkomposition reizte verständlicherweise andere Komponisten zur Instrumentation, wobei die Orchesterfas sung des französischen Impressionisten Maurice Ravel aus dem Jahre 1926 eine große Popularität errang. 1954 schuf der Moskauer Professor S. Gortschakow, Lehrer am Konser vatorium, Dirigent und Komponist, eine neue Instrumentie rung des berühmten Werkes. Er unternahm damit - in ge nauester Anlehnung an Mussorgskis Klavierstücke, ohne je de Umstellung oder Veränderung - den Versuch, gegenüber der gewiß meisterhaften, farbigeren, jedoch in ihrer Wirkung vom Original sehr verschiedenen Ravalschen Fassung dem Original selbst näher zu kommen, vor allem das für Mus sorgskis Stil Typische herauszuarbeiten und das starke na- 1 tionale Element derSuite noch offener zutage treten zu lassen. Gortschakows Fassung, die 1968 von der Dresdner Philharmo nie unter Kurt Masur zur konzertanten DDR-Erstaufführung gebracht wurde, ist in diesem ihren Anliegen etwa mit Schostakowitschs Neubearbeitung von Mussorgskis Oper „Boris Godunow" zu vergleichen. Im folgenden sei das Programm, der Inhalt der einzelnen „Bilder einer Ausstellung" kurz erläutert. Nach der als Ein leitung der erklingenden „Promenade" folgt das erste Bild „Gnomus". Die Vorlage dazu war ein Entwurf Hartmanns für einen holzgeschnitzten Nußknacker in der Form eines grotesken, buckligen, krummbeinigen Zwerges, dessen plum pe, ungelenke Bewegungen in Mussorgskis Komposition durch große Intervallsprünge, hinkende Rhythmen, unerwar tete Stockungen charakterisiert werden.