Volltext Seite (XML)
Eine lyrisch-elegische Ständchenmelodie fand der Komponist für das zweite Bild, „Das alte Schloß" betitelt. Hartmann hat te den Vorwurf seines Bildes, das eine italienische Landschaft mit einer Burg und einem Sänger im Vordergrund zeigt, auf einer Studienreise in Italien gesehen. Die Gärten der „Tuilerien“ in Paris sind der Schauplatz einer eleganten musikalischen Genreszene, die spielende und strei tende Kinder schildert. „Bydlo“ nennt sich das nächste Bild. Ein rumpelnder pol nischer Ochsenkarren mit riesengroßen Rädern, der diesen Namen trägt, kommt des Weges. Das „Ballett der Küchlein in ihren Eierschalen" geht auf Kostümentwürfe Hartmanns für eine Ballettaufführung zurück. Mussorgskis Komposition ist in leichtem Scherzo charakter gehalten; die Küchlein hacken an ihren Schalen, tanzen graziös und piepsen in Vorschlägen und Trillern. Die scharfe, treffende Charakterisierung zweier polnischer Juden, eines reichen und eines armen, gibt der Komponist in „Samuel Goldenberg und Schmuyle" in einem musikali schen Dialog. Hartmann zeichnete die beiden im Ghetto von Sandomir. Marktgeschwätz und Streiten kreischender, keifender Weiber schildert der siebente Teil der Suite, „Der Marktplatz von Limoges", in einem besonders anschaulichen Klangbild nach einem Aquarell Hartmanns. Eine düstere Episode bringen die „Katakomben". Durch die Vorlage, ein Selbstporträt Hartmanns in den Pariser Kata komben, wird in einer gespenstischen Vision die Erinnerung an den toten Freund heraufbeschworen. Den zweiten Teil dieses Satzes überschrieb der Komponist „Cum mortuis in lingua mortua" („Mit den Toten in der Sprache der Toten") und gestaltete ihn gleichsam zu einer Zwiesprache mit dem Verstorbenen. Hartmanns Bild der „Hütte auf Hühnerkrallen" der Baba Jaga, der Hexe des russischen Volksmärchens, inspirierte Mussorgski zur musikalischen Darstellung eines wilden Hexenrittes durch die Lüfte. „Das große Tor von Kiew“ beendet den Zyklus. Das ma jestätische akkordische Thema dieses letzten Klangbildes wurde aus dem Thema der „Promenade" abgeleitet. Kraft voll-feierliche Klänge von typisch nationalrussischem Kolorit gemahnen an alte russische Heldensagen. Dr. habil Dieter Härtwig Generalmusikdirektor Prof. Ude Nissen wurde 1921 in Leipzig geboren. 1950, nach Abschluß seines Studiums an der Musikhochschule seiner Heimatstadt, wo ihn u. a. Prof. Heinz Bongartz ausgebildet hatte, erhielt er erste Engage ments in Leipzig und Nordhausen. 1951 — 1954 wirkte er als Kapellmeister am Deutschen Nationaltheater Weimar, 1955 - 1957 als 1. Kapellmeister am Opernhaus Leipzig. Seit 1957 ist er Musikalischer Oberleiter der Städtischen Bühnen Erfurt und Chefdirigent des Philharmonischen Or chesters Erfurt. Seit 1959 unterrichtet er auch als Dozent für Dirigieren und Orchesterarbeit an der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ Weimar, an der er 1983 eine Professur erhielt. 1973 wurde er mit dem Kunstpreis, 1982 mit dem Vater ländischen Verdienstorden geehrt. Gastdirigate führten ihn zu allen großen Orchestern und Opernhäusern der DDfl sowie nach Ägypten, in die BRD, nach Bulgarien, Frankreicnr Holland, Italien, in die CSSR, SFR Jugoslawien, nach Öster reich, Rumänien, Schweden, in die VR Polen, UdSSR und die Ungarische VR. Ag 117-XIII 522 87 Der junge sowjetische Geiger Ilja Kaier zog die Aufmerk samkeit der Musikwelt auf sich, als er 1981 1. Preisträger des Internationalen Paganini-Wettbewerbes in Genua wurde. Diesen Erfolg verdankte er nicht zuletzt der sorgfältigen Ausbildung anfangs durch den Vater Leonid Kaier, einem Geiger des Großen Sinfonieorchesters des Sowjetischen Rundfunks und Fernsehens, und später durch Sinaida Gilels an der Zentralen Musikschule des Moskauer Konservatorium^ und vor allem durch Prof. Leonid Kogan am Moskauer Kofl servatorium. Als 10jähriger musizierte er bereits als Solist mit der Philharmonie Kuybyschew. Im Alter von 12 Jahren gab er seinen ersten Violinabend und 20jährig begann seine Solistenlaufbahn mit Konzerten in Moskau und den Musik zentren der Sowjetunion. Außerdem verpflichteten ihn bald Rundfunk und Schallplatte zu Aufnahmen. ZUR EINFÜHRUNG Alfred Schnittke Geboren 1934 (K)ein Sommernachtstraum (EA) für großes Orchester ^^1984/85 Alfred Schnittke, einer der bedeutendsten sowjetischen Kom ponisten der Gegenwart, wurde 1934 in Engels (RSFSR) als Sohn deutscher Eltern geboren, mit denen er als Zwölfjäh riger für zwei Jahre nach Wien kam. Dort begann seine musikalische Ausbildung, die 1949-53 an der Moskauer Musikfachschule in den Fächern Dirigieren und Chordirigie ren fortgesetzt wurde. Das von 1953-58 folgende Komposi tionsstudium am Moskauer Konservatorium führte nach drei jähriger Aspirantur zu einer Anstellung als Lehrer für Instru mentation und Komposition am selben Bildungsinstitut. Seit 1972 lebt Schnittke freischaffend in Moskau. Zu seinen wich tigsten Arbeiten zählen vier Violinkonzerte, drei Sinfonien, das Oratorium „Nagasaki" von 1958, das Orchesterstück „pianissimo", zwei Concerti gross!, ein Requiem zu Schillers „Don Carlos" und die szenische Komposition „Der gelbe Klang" nach Wassili Kandinsky. Darüber hinaus entstanden zahlreiche Kammermusikwerke, elektronische Kompositionen sowie Film- und Theatermusiken. Eine „FausF'-Kantate nach Texten alter deutscher Volkslegenden gehört zu den neuesten Arbeiten und gibt die Vorlage zu einer geplanten „Faust"- Oper ab. .Das Streben nach einem Stil, in dem grundsätzlich alles vor kommen kann unter der Voraussetzung, etwas Einheitliches zu schaffen, bestimmt die letzten Kompositionen Schnittkes. Er vereinnahmt alle Stilrichtungen der Musikgeschichte, wobei jedoch der jeweilige Stil-Gestus durch Kontrastwirkungen verfremdet erscheint und das gesamte Werk ein eigenes Ge sicht erhält. In dem in der vergangenen Spielzeit vom Leip ziger Gewandhausorchester unter Kurt Masur zur DDR-Erst aufführung gebrachten, glänzend instrumentierten Orchester stück „(K)ein Sommernachtstraum“ reflektiert der Komponist Eindrücke jener in Wien verbrachten Kindheitsjahre. Ein scheinbar harmlos tändelndes Thema im (parodistischen) Mozart-Schubert-Ton erlebt ungewöhnliche, überraschende und souverän gestaltete Verwandlungen. über den geistigen Hintergrund der Komposition äußerte sich Alfred Schnittke folgendermaßen: „Zwischen 1946 und 1948 lebte ich in Wien — das war ent scheidend für mein Leben, denn dort habe ich mit 12 Jahren