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580 «»iß nicht nachgrwitstn ser und zweitens eine Auf- Lefferung der knappe» Gehälter der Unterbeamten nicht beabsichtigt war. In allen diesen Verhältnissen habe sich bisher nichts geändert. Abg. v. Behr-Schmoldow sowie der BundeScom- missar Geh. Oberpostrath Kramer bekämpfen diesen Antrag, welcher »arauf abgelehnt wird. In Tit. 9 werden 2,249160 M. für 610 Vor- . steher von Postämtern erster Klaffe, Bahnpostämtern und Telegraphenämtern erster Klaffe von 2400— 4800 M. — durchschnittlich 3600 M. —, einen Direc- 4or, einen Jnspector, einen Controlenr und einen Kas- sirer bei dem PostzeitungSamt in Berlin gefordert. Abg. 0r. Lingens beantragt das Durchschnittsgehalt auf 3500 M. zu ermäßigen, also von der Titelsumme 61000 M. abzusetze». Zugleich mit diesem Titel ge langt die Resolution sud 3 zur DiScussion. Auf eine Anfrage deS Abg. 0r. Lingens erklärt der BundeScommiffar Geh. Oberpostrath Mießner, daß die Verwaltung sich nicht mit der Resolution einver standen erklären könne: Im vorigen Jahre habe sich da» Hau» gegen eine ähn liche Resolution ablehnend verhalten. Seiten« de« Publi kum« werden immer höhere Anforderungen an die Leistungs fähigkeit der Postbeamten gestellt; dieselben haben in Berlin durchschnittlich 7'/,, die Telegraphenbeamten 7 Stunden täglichen Dienst, Sonntag« durchschnittlich 4 Stunden. Durchschnittlich wird also dem Personal sehr wohl Gelegen heit geboten, die SonntagSseier zu haltezi. Auch an Wochen tagen ist den Beamten die Theilnahme am Gottesdienste oder kirchlichen Feierlichkeiten, wie Einsegnungen re-, meistens gestattet. Abg. vr. Lingens nimmt auf die Verhandlungen im vorigen Jahre Bezug, wo der Generalpostmeister sich mit der Forderung, wie sie die Resolution aus stelle, durchaus einverstanden erklärt habe, indessen seien durch Petitionen verschiedene Fälle zur Cognition der . Commission gelangt, in denen Beamten nur unter der . Bedingung die Erlaubniß zur Abhaltung der Sonn tagsfeier gewährt wurde, daß sie für Stellvertretung sorgten. Im Interesse sowol der evangelischen wie der katholischen Postbeamten sei die Annahme der Reso lution dringend wünschenSwerth. Nach einer kurzen Erwiderung des BundeScom- miffars Geheimrath Mießner wird zunächst der even tuelle Antrag des Abg. vr. Lingens zu der Resolution (s. o.) durch Auszählung mit 121 gegen 114 Stim men angenommen; über die Nesolntion selbst muß die Abstimmung abermals durch Auszählung erfolgen; das Resultat ist die Annahme mit 128 gegen 109 Stimmen. Zu Tit. 15: 10524 Untcrbeamte, Packmeister, Briefträger, Postschaffner re. 12,662260 M., beantragt Abg. vr. Lingens folgende Resolution: Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, beim nächsten Etat eine Mittheilung über die bestehenden Gehaltsstufen für die im gesammten Verwaltungsgebiete der Reichspost« und Telegraphenverwaltung nach der Anciennetät ausrückenden Beamten sowie über die neuzuregelnden Gehaltsstufen für die Unterbeamten, ausschließlich der Packetträger und Stadt- Postboten, zu machen. Der Generalpostmeister sowie die Abg. Ackermann und Moring erklären sich gegen diesen Antrag, der demnächst mit großer Majorität abgelehnt wird. Die Resolution sub 4 (s. o.) wird ohne DiScussion ange nommen. Die übrigen Titel der Post- und Tele- graphenverwaltung werden ohne DiScussion genehmigt. Die zum Postctat vorliegenden Petitionen sind durch die über den Etat gefaßten Beschlüsse erledigt. Es steht hiernach noch eine Reihe einzelner Etats zur Berathung. Abg. v. Benda erstattet als Referent Bericht über die Position: Zur Erwerbung eines Grundstückes für das Reichs-GesundheitSamt 312000 M., die der Bud getcommission wiederholt zur Vorberathung überwiesen war. Die Commission beantragt jetzt die Bewilligung. BundeScommiffar Geheimrath 0r. Finkelnburg weist als Vertreter der verbündeten Regierungen die Nothwen- Ligkeit nach, für das bezeichnete Amt ein eigenesGrund stück zu erwerben, und geht auf die neulichen Ausfüh rungen des Abg. vr. Mendel ein, dem gegenüber er namentlich die Nothwendigkeit betont, für das Institut ein besonderes Laboratorium zu errichten. Die tieuerdingS , im ReichSkanzleramte ausgearbeiteten Baupläne trügen allen Bedenken Rechnung, die aus dem Reichstage gegen das frühere Projekt geltend gemacht seien. Die Sitzung wird vertagt und heute Abend 8 Uhr die Etatsberathung fortgesetzt werden. Deutsche- Reich. Die Provinzial-Correspondenz berichtet aus Ber lin vom 26. März: „Das Befinden des Kaisers ist auch in den folgenden Tagen ein immer günstigeres gewesen, und eS ist zu hoffen, daß die immer mehr verringerte Blutanschwellung auf der rechten Seite in kurzem gänzlich geschwunden sein werde." — Wie nntgetheilt worden ist, betonte der deutsche Botschafter in Petersburg, General v. Schweinitz, in seinem Toast, den er in der zur Festfeier ver sammelten deutschen Colonie auf den Kaiser Alexander hielt, die Freundschaft der beiden Kaiser, die so fest sei, wie sie immer gewesen, ja fester als je, und rich. tete.ausdrücklich seine Worte an „jene draußendie sich vermäßen, an dieser Freundschaft rütteln zu kön nen. In Bezug hieraus schreibt man der Neuen Prcu- ! ßische» Zeitung ans Petersburg: „Ueber die hoch politische Bedeutung eines solchen Toastes kann kein Zweifel sein. Wer unter «jenen draußen» zu ver stehen sei, kann man dem Scharfsinne der Zeitungs schreiber und den« Schuldgefühl derer überlassen, die sich getroffen fühlen. Jedenfalls hat aber ein großer Theil unserer seit Monaten in deutschfeindlichen Hetz artikeln arbritruden Tagespreise keinen Grund, sich von «jenen draußen» auszuschließen; auch in Wien finden sich wahrscheinlich Leute, die annehmen uiögen, daß eS bei dem Toast des Grafen Schweinitz auf sie mit ab gesehen gewesen sei. Wir möchten ihnen unsererseits einen solchen Glauben nicht benehmen." Das wiener Fremdenblatt ist über diesen Toast sehr außer sich gerathen und schreibt: „Warum hat sich Hr. v. Schweinitz plötzlich zu einem so herben An griff gegen die nirgends sichtbare» Rüttler an dem kaiserlichen Freundschaftsbunde veranlaßt gesehen? Hat er auS eigener Inspiration eine Thür eingeraunt, die noch nie verschlossen war? oder arbeiten in der aller höchsten Umgebung der beiden Herrscher geheime Mächte an einem so vermessenen Werke, denen Hr. v. Schweinitz ein der profanen Menge noch unverständliches Huos ego! zurufen soll? Wir stehen einstweilen erwartungs voll vor der Auflösung des Räthsels, wen Hr. v. Schweinitz unter «jenen da draußen» gemeint haben mag, und solange diese Auflösung nicht er folgt, müssen wir uns eben damit trösten, daß es nnn auch ein «8eoret cke I'umdassackvur» gibt, Die National-Zeitung macht, als Antwort auf diese Benierkungen des wiener Blattes, darauf aufmerksam, daß nach Nachrichten aus Petersburg der Zar bereits fest beschlossen habe, zur Goldenen Hochzeit nach Ber lin zu kommen und dann in seinen alten Sommer- curort Ems sich zu begeben. „Die Freundschaft der Herrscher", setzt sie hinzu, „hat wol niemand geglaubt ins Wanken bringen zu können, der auch nur etwas davon wüßte. Etwas anderes ist es um die Stim mungen in den Völkern, und während wir bemerken, daß die nichtofficielle politische Welt Rußlands die russisch-deutsche Freundschaft kaum mehr zu kennen scheint, erinnert der Toast de« Hrn. v. Schweinitz daran, daß diese Stimmung der Presse nicht bestim mend ist für die wirkliche politische Haltung." — Aus Berlin vom 23. März schreibt man der augSbnrger Allgemeinen Zeitung: „General Chanjy hatte allen Grund, gestern Morgen bei seiner Abresse zu sagen, er sei von seinem hiesigen Aufenthalt be zaubert. Auf das Diner, welches Fürst Bismarck dem französischen Diplomaten am Donnerstag gab, folgte eine fast einstündige Conferenz zwischen dem Reichskanzler, dem General Chanzy und dem hiesigen Botschafter Grafen de Saint-Ballier. Donnerstag Abend auf der Soiree im kaiserlichen Schlosse waren die beiden Diplomaten Gegenstand des lebhaftesten Entgegenkommens, namentlich seitens der Kaiserin, mit der sie an einem der kleinen Tische, wie sie bei solchen Gesellschaften Mode sind, soupirten. Der Kronprinz empfing den ehemaligen Gegner «wie ein Soldat den andern». Die Audienz Chanzy'S bei dem Kaiser am Freitag dauerte fast eine Stunde. Bei dem Diner, welches der französische Botschafter seinem neuen Col lege» gab, waren auch Staatssecrctär v. Bülow und Graf Herbert Bismarck anwesend." n.l..6. Scrliu, 26. März. Die Zolltarifcom mission hat die zweite Lesung des neuen Tarifs damit begonnen, daß sie den für Rohkupfer beschlossenen Zoll von 1 M. 50 Pf. wieder beseitigt hat. Wir schöpfen aus diesem Schritte der Commission die Ueberzeugung, daß man an maßgebender Stelle den sachlich begrün deten Bedenken wenigstens nicht das Ohr verschließt. Im übrigen hat die Commission freilich nur mäßige Aenderungen an ihren ersten Beschlüssen vorgenom men; als wichtigste ist zu erwähnen die Wiederbesei tigung des LumpenausfuhrzollS. Außerdem wurden ermäßigt die Sätze für Mehl, Gerste und kaustische Soda. Eine einzige Erhöhung fand gegen die erste Lesung statt, und zwar bei Hafer. Demnach scheint sich doch neuerdings ein gewisser Geist der Mäßigung geltend zu machen. Wird dieser auch in dem eigent lich entscheidenden Stadium der Gesetzgebung beibehal- ten, so mag vielleicht noch ein Boden für eine Ver ständigung gewonnen werden. /X Serbin, 26. März. Nachdem die Zolltarif commission heute die zweite Lesung des Tarif« be endet hat, werden die Minister der Einzelstaaten dem nächst hier eintreffen, um an den Zollberathungen deS BundesratheS theilzunehmen. Im Bundesrathe haben heute die Berathungen über die preußische Ta- backssteuervorlage begonnen. Allem Anschein nach wird es darüber schon in diesem Stadium zu lebhaften Ver handlungen kommen, da, wie man hört, wenigstens Baiern und Baden entschlossen sein sollen, auf den Steuersatz von 58 M. auf den Centner fermentirten Rohtaback unter keinen Umständen einzugehen. — Au« den Verhandlungen de« Bunde-rnjbe« liegen verschiedene sehr wichtige Mittheilungeo^ vor. Die erste bezieht sich auf die Vieh ein fuh^gus Oesterreich und lautet: Die von dem Bundesrathe vor etwa sech« Jahre« ^uf- gestellten Grundsätze bezüglich der Einfuhr und Durchfuhr von Rindvieh au« Oesterreich-Ungarn zur Verhütung der Einschleppung der Rinderpest von dort her haben sich sticht al« zureichend erwiesen und e» ist daher dem Bundesrathe der Vorschlag zur Ergänzung dieser Vorschriften m.Wgen- der Weise unterbreitet worden: 1) die Ein- und Durchfuhr lebenden Rindvieh« sowie frischen Fleische« von Rmdbieh, Schafen n»d Ziege» aus Oesterreich-Ungarn sei bM auf weitere« zu verbieten; 2) den betheiligten Bundesstaate» bleibe jedoch anheimgegeben, hinsichtlich de« Verkehrs mir Nutz- und Zuchtvieh, welche« au« notorisch sevchMheieu Grenzbezirken stammt, und nicht für den weitern Händel, sondern zur Weide oder Einstellung innerhalb eine« in ländischen Grenzbezirt« bestimmt ist, ANSnahMen bo»,dem Verbote, unter l insoweit zuzulassen, al« die erfordWchen Garantien dafür zu schassen sind, daß dergleichen AU-HMne- bewilligungen nicht gemisbraucht werden." Dre zweite Mittheilung betrifft die Eisenbahn- tariffrage. In dem Anschreiben deS Reichskanzlers an den BundeSrath wird betont, daß die früher so beträchtliche deutsche Ausfuhr nach West- und" Süd europa der Concurrenz der osteuropäischen Durchfuhr infolge der Begünstigung der letzter» durch Vir! Dif ferentialtarife deutscher Bahne» erliege. Als eine der wesentlichsten im wirthschaftlichen Interesse zu. lösenden Aufgaben wird eine Reform dahin bezeichnet, ! baß deutsche Güter auf deutschen Bahnen unter allen Um ständen mindestens ebenso günstig behandelt und nicht theuerer gefahren werden als fremde. Im übrigen verweist das Schreiben deS Reichskanzlers an den BundeSrath auf die Begründung des früher» Antrags und mit erneuten, Ersuchen um Beschlußfassung über denselben. -Vu — Der augSburger Allgemeinen Zeitung berichtet man aus Berlin vom 25. März: „Dem Vernehmt» nach wird der dem Reichstage vorzulegende Gesetzentwurf wegen Revision des Zolltarifs auch die Finanzzoll artikel, Wein, Petroleum, Kaffee rc. enthalten, be züglich welcher bisher eine besondere Vorlage-vorbe reitet war." — Die Budgetcommission hat den, Reichstage -eine» Gesetzentwurf über die Verwaltung deS Reichs- JnvalidenfondS vorgelegt, dessen §. I die im^. 3 deS Gesetzes betreffend die Gründung und Berwädung des Reichs-Jnvalidenfonds vom 23. Mai 1V7Z sowie jm Z. 1 des Gesetze« vom 2^. Fehr. 1876-befhmmte Frist zur Veräußerung gewisser Werthpapiere Mr die vor dem 1. Nov. 1875 erworbenen Prioritätsobliga tionen deutscher Eisenbahngesellschaften bis zum 1, Juli 1885 erstreckt. Zwei weitere Paragraphen enthalte» dann verschiedene Specialbestimmungen wegen gewisser Zahlungen aus den, Invalidenfonds. Jene neueFrist- ersjreckung ist darum vorgeschlagen, weil eine! andere zinsbare Belegung der durch die Veräußerung der Eisenbahnprioritäten frei werdenden Kapitalien das Zinserträgniß für die Dauer wesenMh herabdrücken würde, und zwar, wie der Vertreter der Bundesregie rungen erklärte, um etwa 600000 M. — Ueber die jetzt mehrfach erörterte Idee, D e u t s ch - Lothringen vom Elsaß zu trennen und an die preu ßische Rheinprovinz anzuschließen, wird der Renen Frankfurter Presse aus Straßburg geschrieben: ! Eine Abtretung Lothringens vom Elsaß wird, wie'an« der letzten Rede de« Reichskanzlers zu ersehen, in Berlin ganz ernstlich erwogen. Die Abtrennung und „persecte Verwaltung" Lothringens würde wol zu.einer Einverlei bung des Gebietes in die preußische Rheinprovinz führen und führen müssen; auf diese Weise würden die Annceti- rungstendenzen Preußen« durch eine anständige Abschlags zahlung abgefunden, damit könnten auch die Gegner preu ßischer Annexionspolitik sich zufrieden geben und, was na mentlich wichtig, die verbündeten Regierungen sich einver standen erklären. Wa« unsere Elsässer anbelangt, so werden sie den Lothringern nicht nachweinen; die Emigran ten freilich und ihre französischen Freunde werden über die „neue Gewaltthat", über die neue Zerstückelung der durch da« gemeinsame Unglück aneinandergeketteten HeimatSpro- vinzeu jammern nnb zetern. In Wirklichkeit Mögen und kennen die elsässischen und lothringischen Brüder einander soviel wie gar nicht. Lothringen mit seiner zahlreichen französischen Bevölkerung und den hier ganz vorwiegend zur Geltung kommenden „strategischen" Gesichtspunkten war nur ein Hemmschuh für den Elsaß, auch finanziell eine Last für das Ganze. Die beiden elsäffer Bezirke zusammen bilden immer noch ein stattliche« „Großherzogthum" mit 1,050000 Einwohnern, wovon etwa 80000 der franzö sischen Zunge angehören, während Lothringen unter 480,01) Einwohnern an 200000 französischer Zunge aufweist, klebri gen« würde es sich empfehlen, bei einer endgültigen Ab trennung Lothringens den östlichen Theil diese« Bezirk«, nämlich den ganz deutschen Kreis Saargemllnd und den zu zwei Dritteln deutschen Kreis Saarburg, sowie etwa noch den deutschen Eanton AlbeSdorf von Chateau-Salins und ein Stück de« forbacher Kreises zum Elsaß zu schlagen. Tie Bevölkerung diese« letzter» Gebiete« würde, hierdurch um 120—150000 Seelen vermehrt, bis auf 1,200000 gebracht werden, während der Rest von Lothringen mit etwa 330—850000 Einwohnern dann in Gottes Namen zum Regierungsbezirk Trier geschlagen werden könnte; dieser Kern von Lothringen ist ja doch eigentlich nichts andere« al« eine große Festung mit weiten, Glacis und wird am besten in fester Hand eine« Großstaate« gehalten.