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cy3 * London, 16. März. Ihre kaiserl. königl. Hoh. der Kronprinz, die Frau Kronprinzessin und Prinz Wilhelm von Preußen sind gestern zum Besuche des Prinzen von Wale» nach London zurückgekehrt; zu Ehren der hohen Gäste fand bei dem Prinzen ein Diner statt. * Ottawa, 14. März. Der Finanzminister hat dem Parlament einen neuen Tarifgesetzentw'urf vorgelegt, durch welchen nach den Erläuterungen des Ministers die jährliche Einnahme um 2 Mill. Doll, erhöht und gleichzeitig die Industrie von Canada ge schützt werden soll. Nach dem neuen Tarif werden außer der Auflegung neuer Zölle auch die bestehenden Zölle erhöht. Die von dem neuen Tarif bettoffenen Artikel find namentlich: Manufacturwaaren aus Wolle und Baumwolle, Eisen, Stahl und andere Metalle, sowie Metallmanufacturen, endlich Cerealien, Liqueure, Weine, Gewürze. * Petersburg, 15. März. Hiesigen Blättern zu folge betrugen die Zolle in nahmen im Januar und Februar 6,344590 Creditrubel; die Mehreinnahme gegen dieselbe Periode im Jahre 1878 beläuft sich auf 92070S Rub. Die Einfuhr von Gold- und Silbermünzen und Barren bis 1. März übertrifft die Einfuhr der ersten zwei Monate des Jahres 1878 um 1,933706 Rub.; die Ausfuhr verringerte sich um 903989 Rub. (Wiederholt.) * Petersburg, 16. März. Aus einem Telegramm dcS Generals Loris-Melikow aus Astrachan vom 15. März ist ersichtlich, daß auf Grund der günstigen Resultate, welche die ärztliche Besichtigung der Ein wohner Wctljanka's ergab, die Absperrung dieses Dorfes nach Abhaltung eines Dankgottesdienstes auf gehoben worden ist. Somit bleibt nur noch Seli- trennoje abgesperrt, wo die auf 42 Tage angeordnete Quarantäne am 23. März abläuft. * Moskau, 15. März. Die nach dem Pestge biete entsandten drei deutschen Delegirten be finden sich, wie ein soeben aus Wetljanka eingegangenes Telegramm des Stabsarztes Oo. Sommerbrodt mit- theilt, in bestem Wohlsein und hoffen demnächst von dort weiter zu reisen. * Lukarcst, 16. März. Zn der Kammer wurde gestern der Bericht der Commission zur Begutachtung der Regierungsvorlage vertheilt, welche die Errichtung einer Nationalbank mit dem Rechte der Banknoten ausgabe vorschlägt. Die Commission empfiehlt die Vorlage zur Annahme. Nach derselben soll die Na tionalbank mit 10 Mill. Frs. Kapital ausgestattet werden, wovon 5 Mill, der Staat einschießt und 5 Mill, in 2500 Actien subscribirt werden. *Sukarest, 16. März. Nachdem die Vollmachts- frage des Consortialvertteters der Rumänischen Eisenbahngesellschaft auf telegraphischem Wege geordnet ist, werden nach dem Eintreffen der bezüg lichen Documcnte die Verhandlungen über den Vor vertrag wegen Ankaufs der Bahn durch den Staat stattfindcn. * Lonsiantinopel, 16. März. Die englische Flotte ist nach Gallipoli abgegangen. Admiral Hornby wird mit den höhern Flottenossizieren am Montag noch einmal hierher zurückkehre», um einem ihnen zu Ehren veranstalteten Diner des Sultans bei zuwohnen. * Lonstantinopcl, 16. März. Die hiesige Agence Havas bestätigt die schon früher von anderer Seite gebrachte Nachricht, daß die Pforte ihre Commissare zurReguliruog der griechischen Grenze dahin in- struirt habe, in eine Abtretung der Ebene von Phar- sala zu willigen, dagegen aber Janina und Arta der Türkei zu erhalten. — Die Verhandlungen der Pforte mit Oesterreich über die bosnische Frage werden zur Zeit im wesentlichen von Khereddin-Pascha geführt. * Äthen, 15. März. Der Minister de» Aus wärtigen, DelyanniS, hat den griechischen Com- missaren in Prevesa gleichfalls neue Instructionen zugehen lassen. Doch sieht man hier den Abbruch der Verhandlungen als bevorstehend an. Leipzig, 17. März. Se. Maj. unser allverehrter Kaiser, der durch einen Fall im Zimmer sich einige äußerliche Beschädigungen zugezogen hatte, ist Gott sei Dank davon fast gänzlich wiederhergestellt und im übrigen bei erwünschtem Wohlsein. Die Verhandlungen des Reichstages in vergangener Woche waren weniger bemerkenSwerth durch wichtige Beschlüsse als durch allerhand zum Theil nicht erquick liche Zwischenfälle. Am meisten von sachlicher Be deutung war unter diesen die Erklärung, welche der Staatsminister v. Stosch bei Gelegenheit der an ihn gerichteten Anfrage wegen des Großen Kurfürsten ab gab und durch welche er die Verantwortlichkeit für jenen Vorfall, ja selbst die Verpflichtung offener Rechen schaftslegung darüber nach geschloffener Untersuchung von sich ablehnen zu wollen schien. Die Angriffe einzelner elsässischer Abgeordneten auf gewisse Einrichtungen im öffentlichen Unterrichte daselbst wurden theils vom Regierungstische aus, theils aus der Mitte des Hauses zurückgcwiesen. Der wol gutgemeinte, aber unpraktische Antrag eines Abgeord neten auf allgemeine Abrüstung fand nur etwa ein Dutzend Zustimmender und in der Debatte selbst aus den Reihen der äußersten Parteien keinen Vertheidiger. Im übrigen beschäftigte sich der Reichstag zumeist mit Berathung des Staatshaushaltes. Ueber den muthmaßlichen nächsten Verlauf der parlamentarischen Arbeiten erfährt man Folgendes. Die Arbeiten der Tarifcommission sollen spätestens zu Ende, nach dem Wunsche der leitenden Persönlich keiten schon in der Mitte dieser Woche abgeschlossen sein. Die Steuergesetze und der Zolltarif sollen dann in dem Bundesrath gleichzeitig und zwar voraussicht lich noch vor Ostern fertig gestellt wessen. In der nächsten Zeit wird der Reichstag, sich, Wit dem kleinen Belagerungszustand in Berlin, mit den Wuchergesetz anträgen und mit dem elsässisch-lothringcnschen Anträge wegen einer besonder« Regierung für die Reichslande beschäftigen. Der Vertrag mit Oesterreich über die Prager Clausel soll noch vor Ostern erledigt werden. Dann dürfte sich der Reichstag bis nach Ostern ver tagen, in der ersten Woche nach Ostern aber an die Zoll- und Steuervorlagen herantreten. Die österreichische und die ungarische Delegation haben nun die von der Regierung geforderten Nach- tragscrcdite für die Occupatio» Bosniens und der Herzegowina bewilligt, und damit ist diese Occupatio» auch parlamentarisch zu einer vollendeten und abge machten Thatsache erhoben. Kaum ist das durch Naturgewalten über das dux-teplitzer Kohlenbecken verhängte Misgeschick, wenig stens wa« die teplitzer Quellen betrifft, etwa» zum Bessern gewendet, so ward Oesterreich-Ungarn und mit ihm die ganze civilisirt« Welt in Schrecken und Trauer versetzt durch die furchtbare Katastrophe, welche über die zweitgrößte Stadt Ungarns, Szegedin, herein, gebrochen ist und deren Verwüstungen an Menschenleben und an Werken der Menschenarbeit zur Zeit noch gar nicht zu übersehen sind. Leider scheint eS, als wären, wenigstens in Bezug auf die Rettung von Menschen leben, nicht alle nöthigen Anstalten rechtzeitig getroffen gewesen. Der Kaiser, der sich selbst gestern nach der Stätte des Unglücks begeben hat, soll die strengste Untersuchung gegen diejenigen angeordnet haben, denen die Fürsorge für solche Anstalten pflichtmäßig oblag. Das französische Ministerium hat durch seine Festigkeit in Sachen der Anklage gegen das Cabinet vom 16. Mai einen Sieg über die radicalen Leiden schaften der weiter links stehenden Parteien erfochten. Hoffen wir, daß eS kein Pyrrhussieg gewesen sei! Die Majorität innerhalb der republikanischen Partei, die eS erlangt hat, ist leider eine sehr kleine — nur 11 Stimmen! — die hinzugekommenen Stimmen der Rechten aber können und werden vielleicht schon beim näch sten Anlaß gegen das Cabinet Waddington abgegeben werden, und dann ist dasselbe verloren, wenn nicht eine compactere ministerielle Partei aus den verschie denen Fractionen der Linken zu Stande kommt. Nach allgemeinen parlamentarischen Erfahrungen zu schließen steht aber kaum zu erwarten, daß der Zug des Weiter- drängens, der sich eine» Theiles der Linken bemächtigt hat, so leicht einer verständigen Mäßigung weichen werde. Gambetta selbst scheint seinen Einfluß in diesem Sinne entweder eingebüßt zu haben oder aber nicht ernstlich genug zu gebrauchen. England hat nun glücklich zu den beiden Kriegen in Afghanistan und am Cap noch einen dritten auf gehalst bekommen, nämlich mit Birma. Dieses ehe mals nicht unbedeutende „Reich" ist allerdings durch Eroberungen von Englisch-Indien aus bereits sehr reducirt und daher trotz des Kaisertitels, den der Be- Herrscher von Birma noch immer führt, kein besonders starker Feind; immerhin aber wird ein Theil der eng lisch-indischen Streitkräfte dorthin gewendet werde» müssen, und viele kleine Kriege sind oft erschöpfender al» ein einziger großer, zumal wenn dieselben an ver schiedenen Punkten geführt werden müssen. Jakub- Khan, der neue Fürst von Afghanistan, dürfte unter diesen Umständen sich leicht etwas hartnäckig in Be zug auf die angeknüpften Friedensverhandlungen zeigen. Diese Verstrickung Englands in allaxhanduyuc Sorgen, andererseits die mancherlei inner» Schäden, an denen Rußland krankt, machen eS wahrscheinlich, daß diese beiden Großmächte einen Conflict unter sich zur Zeit nicht suchen, eher meiden werden. Insofern hat das anscheinend geflissentlich verbreitete Gerücht von einem „guten Einvernehmen" zwischen beiden eine ge wisse innere Wahrscheinlichkeit — trotz des zur Zeit noch aufgeschobcnen Rückzuges der englischen Flotte nach der Besikabai. Zum Ueberfluß ist Graf v. Schulya- low, der bekannte „Vermittler" zwischen Petersburg und London, eben jetzt wieder auf der Reise von letz- ternl nach ersterm Ort. Daß er in Berlin verweilt hat und vom Kaiser und vom Reichskanzler empfangen worden ist, wird als ein gutes Zeichen dafür genom men, daß seine Sendung sich der moralischen Unter stützung der deutschen Regierung zu erfreuen hgt. Ein budapester Telegramm vom 15. März in der Neuen Freien Presse besagt: Da« Wasser im Weichbilde der Stadt ist nahezu um zwei Zoll gefallen. Gestern wurden au« dem Eichenwalde zahlreiche Personen gerettet, die zumeist halb erstarrt waren. Da« Verbot, nachts Fahrzeuge zu benützen, wird streng gehalten. Von der hauptstädtischen Jugend geriethen gestern 40 Leute bei einem Ausfluge in der Nähe der sogenannten Raizen-TanyaS auf eine Sandbank und mußten die ganze Nacht daselbst zubringen. Gestern wurden 450 Personen geborgen, die seit der Katastrophe in den leeren Alföldbahn Waggons sich aufgehalten. Der partielle und gänzliche Ein sturz von Häusern nimmt immer größere Dimensionen an. Den frühern sanguinischen Schätzungen gegenüber wird die Anzahl der Verunglückten und Vermißten jetzt auf mehr als 2000 geschätzt. Das bürgerliche Krankenhaus wurde gestern evacuirt. Der Repräsentant Ignaz Markus, welcher von der Hülfscommission in Budapest nach Szegedin entsendet wurde, schildert die Situation so: Die Eommissson fuhr gestern Morgen 4 Uhr auf einem Kahn und Ponton von Szatymaz ab. Soweit das Auge reicht, nichts als Wasser, eine schmuziggelbe Flut, aus der nur hier und da der Gipfel eines Baumes oder das um getippte Dach einer eingestürzten Tanya hervorlugt. Nach fünsthalbstündiger Fahrt erreichte die Expedition den alsölder Eisenbahndamm. Ein etwa 20 Klafter breiter Riß durch den Dammkörper zeigt die verhängnißvolle Stelle an, von wo die Stadt den Todesstoß erhielt. Die beiden Fahr zeuge nahmen den gewöhnlichen Weg durch die Rochusvor stadt; allein der Name bezeichnet nur die Stelle, wo einst dieser Stadttheil stand; in Wirklichkeit existirt derselbe nicht mehr. Bis auf das Militärspital und drei Häuser dem selben gegenüber sind alle Gebäude zusammcngestürzt. Auf der Fahrt nach dem Stadthause boten sich der Commission von Schritt zu Schritt die herzzerreißendsten Scenen dar. Da treibt ein nothdürftig aus Bietern und Hausgeräth zu- sammengenageltes Floß daher. Auf demselben befindet sich Bettzeug und ein Canapee und aus demselben ein kleines Kind festgebunden. Dort auf dem Dachstuhl klammert sich eine Frau an, sie scheint bewußtlos zu sein oder zu Tode ermattet. Hr. Markus lenkte den Kahn nach der Stelle, und mit unsäglicher Mühe wird die Frau herabgeholt. Sie war in den Kindesnöthe» und gebar, kaum in den Kahn niedergelegt. Weiter war oberhalb ein alter Mann gleich falls an dem Gebälke eines Daches geklammert. Er schreit jammernd um Hülfe; es ist nicht möglich, heranzukommen und der Greis muß seinem Schicksal überlassen werden. Zwei Arbeiter ringen in der Nähe des Dammes mit dem Tode in den Wellen; auch diesen kann keine Hülfe gebracht werden, und so geht es fort. Tod und Verwüstung in tausenderlei Gestalten auf Schritt und Tritt, und keine Hülfet Der Specialcorrespondent deS Pester Lloyd, welcher, am 14. März nach Szegedin gekommen ist, hat fol gendes Telegramm vom 14. März nach Budapest ge sendet: „Schon auf der Strecke zwischen Szegedin und Temesvär fühlt man die Nähe der Katastrophe in un mittelbarster Weise, und in Temesvär ist eifrigste Thätigkeit für Szegedin bemerkbar. Aus jeder wei tern Station tritt das Elend dem auf das Schlimmste gefaßten Beschauer, das nackte Elend von 60000 flüch tenden Menschen in um so schrecklicher» Eindrücken vor die Augen, als man das Bewußtsein hat, leider nicht helfen zu können. Der Ruin Szegedins auf Jahre hinaus ist gewiß. Die Kleinmüthigsten halten den Abfluß des WafferS für unmöglich. Bei vielen Sta tionen steigen in unsern Zug Männer, die nach Sze gedin gehen, um sich an den Rettungsarbeiten zu be theiligen; sie gehören meist der Intelligenz an. In Hatzfeld und Sombolya sieht man zuerst massenhaft lagernden HauSrath und Vieh der Flüchtigen. Die noch nicht untergebrachtcn Flüchtlinge-stehen in Scharen den Stationsgebäuden entlang. Hatzfeld, ein Flecken von kaum 6000 Einwohnern, beherbergt fast ebenso viel Flüchtlinge. Graf und Gräfin Csekonics leisten hier allerwärtS Hülfe und haben viele Flüchtlinge auf ihre Kosten verpflegt. Soeben fällt Schnee mit Regen untermengt. Die Serbenstadt Großkikinda erfüllt in grandioser Weise die Pflichten der Gastlichkeit.... Noch weht immerfort jener entsetzliche Nordost, der die Dämme in der Schreckensnacht bersten machte. Die Wellen branden stürmisch an den von beiden Seiten zerbröckelten Theißdamm. Die Locomotive fährt nur langsam über die, wie man versichert, nicht ganz sichere Eisenbahnbrücke. Dann tritt uns ein Tohuwabohu von Trümmern, Kindern, Weibern und Bettler» entgegen, die sich um die Waggons drängen. Dies ist der Ein druck, den man beim Anlangen in der Unglücksstadt gewinnt. Allenthalben sieht man blanke Bajonnete der Soldaten, sie allein bringe» etwas Ordnung in das Chaos; hier und da hört man das Krachen der bersten den Mauern, stürzender Dächer." Aus Budapest vom 15. März wird berichtet: „Die Berichte der Augenzeugen sind mit Schilderungen gren zenlosen Elends auSgefüllt. Die Scenen, so erzählt einer derselben, deren Zeugen wir während der letzte» 24 Stunden gewesen sind, waren grauenhaft und ent setzlich. Ich sah eine Mutter, welche ein herzerschüt terndes Geschrei ausstieß, als sie ihre zwei Kinder vom Wasser fortgeriffen sah, Frauen und Männer, die, bis zu den Schultern im Wasser, ihre Arme empor hoben und mit Wehgeschrei die Luft erfüllten. Ich sah weiter eine Matrone, die ein fünfjähriges Enkel kind aNS dem Wasser zog und den Leichnam mit wahn sinnigem Gelächter emporhoh. Biele Menschen flüch-