Volltext Seite (XML)
Nr. 64. Vrscheia» Preis »tne.lj«h»Iich 7«. «Vf. s»< Ä»,el», «u»>» -»f. Dklitschc Agmcinc Zcitmig Wahrheit »u- Recht, Freiheit »ad Gesetz! Dit>»k«§, 18. Miirz 187S. Inserate k>»0 «» Vie Srfedilt»» i» »ei»,i, M seade». 3»skrll»>»,,b«tzr ste »i« Spilltext^le 7» Vt-» »»«er «i-^I»avt « Pf. Telegraphische Depeschen. * Saarbrücken, 14. März. Marpingtr Proceß: Nach einer vierstündigen Rede beantragte der Staats anwalt für die Aeltcrn der Wunderkinder: Witwe Kunz drei Jahre, dir Eheleute Hubertus und Witwe Leist je zwei Jahre Gefängniß; ferner für Pastor Neu reuther, NikolaS Ncktenwald, Anton Hahn je zwei Jahre, für Pastor Schneider anderthalb Jahre, für Kaplan Dicke, vr. ThömeS, Jakob Leist, NikolaS Leist, Klotz und AmeS je ein Jahr Gefängniß. Die Pa storen Eich und Schwab, die Lehrerin Andre, den För ster AlckWyrvMd Margarethe Kunz beantragte der Staatsanwalt fpeizusprechen. Das Urtheil wird am 5. April verkündet. ^Dortmund, 15. März. Der Socialist Tölcke ist auS dem hiesigen Gefängnisse wegen dem Anscheine nach höchst bedenklicher Erkrankung vorläufig entlassen worden. * Würzburg, 14. März. Vor dem hiesigen Mili tärbezirksgericht fand heute die Verhandlung statt gegen den Unteroffizier Bude wegen militärischen Ver brechens des MisbrapchS der Dienstgewalt durch Körper verletzung mit nachgefolgtem Tode, verübt an dem (Mck. weck. Kart Sicken. Der Unteroffizier wurde freigesprochen. *StraKdurg, 15.März. Der Landesausschuß hat den von den Mitgliedern Grad, Fuller und Rudolf gestern eingebrachten Antrag: „Der Landes- auSschuß spricht den Wunsch aus, daß die Regierung die Verbreitung der in Deutschland erlaubten Zeitungen und Publikationen auch in Elsaß-Lothringen gestatten möge", angenommen. Der Landesausschuß, welcher heule seine letzte Sitzung hält und unter andern die Vorlage des LandeshaushaltSetatS durchberathen und mit unwesentlichen Veränderungen angenommen hat, wird sich auf sechs Wochen vertagen, um behufs Be- rathung der ConcurSordnung wieder zusammenzutreten. * Wien, 16. März. Der Kaiser reist heute geb Ttmklsbü wldV Ver eiNElr ^kusenl- tzalt von zwei Stunden nehmen, um daS dortige Lager der Flüchtlinge zu besuchen, und dann die Fahrt nach Szegedin fortsetzen. Am Dienstag wird der Kaiser in Budapest eintreffen. * Sudapest, 16. März. Der Kaiser hat die strengste Untersuchung gegen die Regierungsbehör den in Szegedin angeordnet, die durch ihre Energie losigkeit die Katastrophe hauptsächlich verschuldet haben. "Sudapcst, 15. März abends. Die Negierung hat hinsichtlich Szegedin- umfassende Maßregeln getroffen, unter andern» sollen die geflüchteten Ein wohner von Szegedin freie Beförderung erhalten; für die Dämme sollen Schntzbauten errichtet werden, auch die Absendung von Dampfpumpen nach Szegedin ist angeordnet. DaS, Fallen deS Wassers in den Neben- flüffeü der Theiß wird signalisirt; in verschiedenen be- Die Katastrophe von Szegedin. Die Lage in Szegedin ist im ganzen nicht ver ändert und wird durch die einlaufenden Berichte in alt ihrer Gräßlichkeit illustrirt. Wir theilen diese Berichte, die theils auf telegraphischem Wege in Buda pest tingelaufen, theils in den Mitteilungen verschie dener Btzitter enthallen sind, in Nachstehendem mit. Wiener Blättern gingen folgende Telegramme zu: Szegedin, 13. März, 6 Uhr 45 Min. abenvs. Die Re- gierunglorgane haben behufs schnellerer Verringerung de« Wafferstande« beschlossen, die mit 75 Klafter als zu eng befundene Oefsnung de« zwischen Szegedin und Tape lie genden sogenannten untern Kreisdammes tiefer und länger ausbaggern zu lassen, während die geplanten drei Durch- lässt de« an der Stadt liegenden Dammes behufs Aufrecht- Haltung der Lommunication eventuell erst später dUrchge- sührt werden. Für den Fall, daß trotz diese« Durchschnitte« da« Master in der Stadt nicht schnell und aurgiebig genug sinken würde, wäre auch noch ein Ablauf des Master« durch Oeffnung eine« Eisenbahndammes und durch die Erweiterung des mathaser Durchschnitte« auf 160 Klafter, eventuell auch auf mehr, zu ermöglichen. Bei dem erst erwähnten Damme fließt jetzt da« Master durch eine 100 Klafter breite Oeffnung in den ballager Teich ab. Wenn Ponton» zu diesem Zwecke zu beschaffen wären, so würde diese Oeffnung durch technische Truppen erweitert und so dann der Durchbruch verstopft werde». 9 Uhr >5 Min. abends. Die Situation ist unverän dert. Minister Gras Szäpäry und andere Regierungsor- gaue nnd Mitglieder der Hochwafsercommisston halten sich beständig auf dem Personenbahnhöfe der Oester- reichischen Staatsbahn auf. Die RettungSzüge verkehren bi« TemeSvär. Szegedin, 14. März 8 Uhr morgen«. Die Flut be ginnt allmählich abzunehmen. Die kleine Palankainsel (also jener Theil der Stadt» welcher trocken geblieben) erweitert drohten Ortschaften sind die Schutzdämme erheblich fortgeschritten; trotz der anhaltenden Kälte und de« theilwrise noch fortdauernden Sturme« ist nur der Ort Szrnte« noch gefährdet. * Budapest, 15. März abend«. In der heutigen Sitzung der österreichischen Delegation erklärte der ScctionSchef im Ministerium des Auswärtigen, Frhr. v. Calice, auf eine bezügliche Interpellation, der österreichische Botschafter in Konstantinopel, Graf Zichy, sei beauftragt worden, die Entschädigungsan sprüche dcr Gemeinde Stazno für das im Jahre 1875 von türkischen Soldaten geraubte Vieh durchzusetzen. Nachdem hierauf die Delegation in mehrer« Differenz- Punkten den Beschlüssen der ungarischen Delegation beigetreten war, sprach Graf Andräffy derselben im Namen des Kaffer« seinen Dank für ihre Opferwillig keit nnd gleichzeitig den Dank de« Ministerium« für ihr Entgegenkommen aus. Nach der Schlußrede des Präsidenten wurde die Delegation mit einem dreifachen Hoch auf den Kaiser geschloffen. * Madrid, 16. März. Die Gaceta de Madrid veröffentlicht ein königliche« Dekret, welches die Cortes auflöst und den Wiederzusammentritt derselben für den 1. Juni anordnet; die Wahl der Drputirten soll nach dem nämlichen Dekret am 20. April, die der Sena toren am 3. Mai in ganz Spanien, Portorico und auf der Insel Cuba vorgenommen werden. Ein fer neres Dccret spricht eine Amnestie für die in Strafe genommenen Journale au« und verordnet, daß di« schwebenden Fälle niedergeschlagen werden. — Die Gaceta meldet, daß Marquis de Molins da« Mi nisterium des Auswärtigen und Albacete daS der Colonien übernommen hat. *parir, 15. März. Der Generalsecrrtär im Handelsministerium, Ozenne, hat seine Entlassung genommen. — Die Gerüchte von bevorstehenden Modi- sicationen im Ministerium werden von der Agence Hava« für unbegründet erklärt. — Der Gesetzentwurf Ferry'« über den höher« Unterricht wurde heute in der Deputirtenkammer «^gebracht. Durch denstlben ckeÄM M Bestimm vom Jahr« 1875, durch welche« eine gemischte Commission ein gesetzt wurde, aufgehoben. Der Gesetzentwurf be» stimmt, daß künftighin die Zöglinge freier Lehranstalten vor einer vom Staate eingesetzte» Commission ihre Examina machen und sich bei den StaatSfacultäten einschreiben lasten müssen. Die freien Lehranstalten dürfen ferner nicht mehr den Titel „Universität" oder „Facultät" führen. Kein Mitglied einer nicht an erkannten Religionsgesrllschaft darf in Frankreich Unter richt ertheilen. * pari», 16. März. Das Journal officicll meldet, daß Albert Grevy, der Bruder des Präsidenten, mit der provisorischen Führung der Geschäfte eine« Civilgeneralgouverneur« von Algier beauftragt worden ist. Demselben werden die Commandanten aller Land- und Scetruppen sowie die Verwaltungsbehörden, sich sichtlich. Mit Verringerung der Gefahr tritt bessere Ordnung ein, daher ist Aussicht vorhanden, daß keine wei tern Menschenleben zu Grunde gehen. Der königliche Lom- miffar gibt officiell an, daß bisher blo« 15 Menschenleben zu beklagen sind. Dies wird jedoch nicht geglaubt. Die angelangte Deputatton von Abgeordneten an« Budapest be- theiligte sich sofort an den Rettungsarbeiten. Zuerst wur den die Bewohner der Lehmhäuser delogirt, jetzt jene der steinernen Gebäude. Mit dem Proviant sieht e« jetzt schon bester au«. Dem Eghetertes vom 14. März wird au« Sze- gedin telegraphirt: „Nachstehend folgen sichere Daten über den Umfang des Unglücks. Von 6000 Gebäuden sind seit gestern und heute zusammengestürzt 4000, darunter 2700 Wohnhäuser. In der Oberstadt und in der Vorstadt Rochu« steht auch nicht ein einziges HauS mehr. Wegen der Balken, der HauSdächer und der schwimmenden HauSgeräthe kann man in den Straßen theils gar nicht, theils nur noch mit großer Mühe f»rtkommen. In der Vorstadt RochnS und in der Oberstadt steht daS Master stellenweise zwei und drei Klafter hoch. Die Flut wächst noch immer. Man fürchtet, bis zum Morgen kaum mehr einige hundert Häuser aufrecht zu finden. Der Orkan wüthet. DaS Rettungswerk bietet ungeheuere Schwierig keiten. Der Theißdamm ist noch immer voll von Flüchtlingen, Kranken, Frauen, Kindern und Tod kranken. Die Zahl der Todten ist nicht bestimmbar, bisher weiß man von 400, darunter 100 Soldaten. Ich war in Szeregh. Die Hälfte der dahin Geflüch teten liegt krank. Entsetzlich ist die Lage der in den, Eichenwald Geflüchteten. Viele hatten 30 Stunden hindurch nichts gegessen und nicht« getrunken. Ein ' Flüchtling erzählt, gesehen zu haben, wie vor seinen sowol diejenigen der europäischen Einwohner al« auch die der Eingeboren««, unterstellt sein. — Da« Journal officiell veröffentlicht ferner eine Anzahl Ver änderungen in den Präfectenfiellen. *pari«, 16. März morgens. Die conservativeu Morgenblätter veröffentlichen einen Protest der Mi nister vom 16. Mai 1877 gegen die von der De- putirtenkammer votirte Tagesordnung, durch welche daS Verhalten der Minister gebrandmarkt wird. In dem Protest heißt e«, die Kammer habe da« ihr ver fassungsmäßig zustehende Recht überschritten; da« Bo- tum sei ein von einem incompctenten Gerichtshöfe ge fälltes Urtheil und dieser Act deshalb null und nichtig. Die Deputirtenkammer hätte die Minister wol au- klagen können, aber sie durfte sie nicht verurtheilen, ohne sie gehört zu haben; die Kammer hätte wol den Versuch machen können, die persönliche Freiheit der Minister zu treffen, aber sie hatte nicht da« Recht, ihre Ehre anzugreifen. Der Protest schließt mit der Erklärung, daß die Minister diese Tagesordnung mit Vertrauen dem Urtheile der Nation übergeben. * London, 14. März nachts. Unterhaus: Schatzkanzler Northcote erklärt auf eine Anfrage Ri- chard'S, der Vicekönig Lord Lytton habe die Besatzung von Birma zum Schutze der Einwohner verstärkt, und zwar auf Ersuchen de« englischen Ministerresidenten in Mandalay» der zu diesem Ersuchen durch die kriegerischen Vorberei tungen des Königs von Birma und durch die Unruhen in Birma veranlaßt worden sei. Der StaatSsecretär der Co- lonicn, Hicks-Beach, erwiderte Sullivan, die Regierung be absichtige nicht, die Operationen gegen die Zulu« einzu- stellen; von einem Wunsche de« Königs Ketschwayo nach einem friedlichen Arrangement sei ihm mcht» bekannt; Eng land müsse die Scharte von Jsandula wieder auswetzen. (Beifall.) Weiter erklärte Hicks-Beach, die ferner» aus de» Krieg gegen die Zulu« bezüglichen Schriftstücke würden in einigen Tagen vorgelegt werden, dann sei eine Debatte über diese Angelegenheit zulässig. Schatzkanzler Northcote con- patirtr auf eine Anfrage Jenkin«', eine Ersetzung de« Ge nerals Chelmsford liege nicht in der Absicht der Regierung. Jenkin« kritisirte darauf unter dem Gemurmel de« Hause« da« Verhalte» Chelmsford'«. Im Laufe der Debatte be kämpfte Northcote da» Vorgehen Jenkin»' gegen die Re gierung. * London, 15. März. Der Morning Post zufolge wird der britische Botschafter bei der Pforte, Layard, am 1. Mai auf seinen Posten zurückkchreu.— Die Daily News melden aus Rangoon vom 14. März, daß den« Vernehmen »ach seitens der Regierung ein Ultimatum an den König von Birma abge- sendet fei und Truppen an der Grenze znsammenge- zogen würden. * London, 16. März morgens. Nach hier eingr- gangenen Nachrichten aus der Capstadt vom 25. Febr. blieben die Zulu« noch immer passiv; die Fregatte Schoh ist mit Verstärkungen von Sanct-Hclena ein- getroffcn; cs ist infolge dessen beschlossen worden, dem General Pearson, welcher noch immer in Lowe isolirt ist, Hülfe zu senden. Bisher ist eS noch nicht zu einer offenen Rebellion unter den eingeborene« Stäm men gekommen. Augen drei Frauen und mehrere Kinder von den Bäumen herab ins Wasser stürzten und ertranken. Die Kälte ist groß, Kleidung und Brot fehlen." Jni Hon berichtet Theodor Kompolthy unterm 13. März: Da« Wasser peitscht immer höhere Wellen empor, jede Sturzwelle fast schnellt einen Leichnam in die Höhe. Man bringt di« Ertrunkenen nach Szöregh, wo der Todtengräber vom frühen Morgen bi« in die sinkende Nacht seine« schau- dervollen Amte« waltet. In den seltensten Fällen weiß nian, wer der Todte ist, wo seine Verwandten sind. Kein Kreuz bezeichnet die Stelle dessen, der von qualvollen Leiden für immer dort ausruht. Heute Nacht war c« entsetzlich kalt. Die Hände der Ruderer erstarrten, sie konnten nur langsam mit unsäglicher Mühe vorwärt« kommen. Dazu stürmte fortwährend der Orkan, der die Fackeln verlöschte — es war eine SchreckenSnacht. Heute Morgen brachte man acht erfrorene Menschen, welche unter Trümmern der Vor stadt entdeckt wurden. Ich selbst holte von einem schwim menden Thore den Leichnam eine» Mädchen« herab and brachte ihn an« Ufer. Viele Menschen sahen mir zu. Nie mand kannte da» unglückliche Kind. Während der Nacht fischten Arbeiter de« Oderlieulenant« Zubovit« einen männ lichen Leichnam heran«; der Todte hielt in jedem Arme ein Kind. Auch der Leichnam einer Frau wurde gesunden; an den Röcke» derselbe« hatte» sich drei Kinder so krampf haft festgeklammert, daß e« nur nach äußerster Anstrengung möglich war, den Stoff au« den vom Tode erstarrten Händchen loszulösen. Wohin man sieht, überall schreckliche Scenenl Der Mensch verlernt hier über so viel Gräßlichem, sich zi, entsetzen, Herz und Seele werden stumpf gegen Tod und Elend.... Heute wurde der Befehl erlassen, daß blo« Men schen zu retten seien, die Mobilien sollen erst später in Sicherheit gebracht werden; aber Hunderte sitzen noch auf den Trümmern ihrer Häuser und gestatten nicht, sie ohne ihre Habseligkeiten sortzusühre». Ich selbst habe da« mit angesehen. Diese Unglückselige» wollen lieber während der Stacht umkommen, als die Reste ihre« Vermögen» verlaßen.